Massive Kritik aus der EU Netanjahu: "Wahnhafte Forderungen der Hamas"
Der Außenbeauftragte der EU, Josep Borrell, wollte von Israel im Namen aller 27 EU-Staaten einen Verzicht auf eine Offensive in Rafah im Gazastreifen fordern. Nur Ungarn blockiert. Netanjahu hält indes an seinem Kurs fest.
Ungarn hat einen gemeinsamen Appell der EU-Staaten an die israelische Regierung verhindert. Wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz bestätigten, wollte das Land nicht akzeptieren, dass der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Israel im Namen aller 27 EU-Staaten dazu auffordert, keine neue Militäroffensive im Süden des Gazastreifens zu starten. Borrell konnte die Erklärung deswegen am Samstag nur in seinem eigenen Namen abgeben.
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In dem Text heißt es, die EU sei sehr besorgt über die Pläne der israelischen Regierung für eine mögliche Bodenoperation in Rafah. Man fordere die israelische Regierung deswegen auf, in der Stadt Rafah keine militärischen Maßnahmen zu ergreifen, die die bereits katastrophale humanitäre Lage verschlimmern und die dringend benötigte Bereitstellung einer Grundversorgung und humanitärer Hilfe verhindern würden. Es sei wichtig, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht jederzeit den Schutz aller Zivilisten zu gewährleisten. In Rafah leben derzeit mehr als eine Million Zivilisten – die meisten von ihnen sind Flüchtlinge aus anderen Teilen des Gazastreifens.
Von der ungarischen Regierung gab es zunächst keine Stellungnahme zu dem Text von Borrell. Sie gilt in der EU als besonders israelfreundlich. Deutschland hätte der Erklärung nach Angaben von EU-Diplomaten zugestimmt.
Netanjahu hält an Kurs fest
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hält trotz Kritik an seinem bisherigen Kurs im Gazastreifen fest und hat seinen Rückzug aus den Verhandlungen mit der radikalislamischen Hamas verteidigt. "Wir haben nichts bekommen, außer wahnhaften Forderungen der Hamas", sagte Netanjahu am Samstag auf einer Pressekonferenz auf die Frage, warum Israels Unterhändler nicht weiter mit der Hamas sprächen. Zu den Forderungen gehörten die Beendigung des Krieges, die Belassung der Hamas in ihrer jetzigen Form, die Freilassung von Tausenden von Mördern aus israelischen Gefängnissen und Forderungen in Bezug auf eine heilige Stätte in Jerusalem.
Netanjahu bekräftigte, Israel werde im Gazastreifen kämpfen, bis es alle seine Ziele erreicht habe. Wer Israels Militär sage, es dürfe nicht in der Stadt Rafah vorgehen, der sage Israel, dass es den Krieg verlieren werde. Israel hat angekündigt, seine Offensive auch bis zum südlichen Ende des Gazastreifens an den Grenzübergang Rafah zu Ägypten auszuweiten, wo mehr als eine Million Palästinenser Zuflucht vor den Kämpfen gesucht haben. Das wird international scharf kritisiert. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock etwa hatte erklärt, das würde zu einer "humanitären Katastrophe mit Ansage" führen.
Nahostkonflikt auch Thema bei Sicherheitskonferenz
Bei den von Ägypten und Katar vermittelten Gesprächen über einen Waffenstillstand im Gazastreifen und die Freilassung von über 100 israelischen Geiseln habe die Hamas nichts angeboten, sagte Netanjahu. "Es gab nicht einen Nanometer Veränderung." Erst wenn sich das ändere, würden Unterhändler zurückkehren.
Auslöser des israelischen Einsatzes im Gazastreifen ist ein beispielloses Massaker, das Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten. Auf israelischer Seite wurden dabei mehr als 1.200 Menschen getötet. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und ab Ende Oktober auch mit einer Bodenoffensive. Mehr als 28.000 Menschen sind im Gazastreifen seitdem gestorben.
Nach Angaben von Borrell wird die Lage im Nahen Osten am Montag auch ein Thema bei einem Treffen der Außenminister der EU-Staaten in Brüssel sein. Bei den Gesprächen soll auch der Start des bereits grundsätzlich vereinbarten Militäreinsatzes im Roten Meer beschlossen werden. Er sieht vor, europäische Kriegsschiffe in die Region zu entsenden. Diese sollen dann dort Handelsschiffe vor Angriffen der militant-islamistischen Huthi aus dem Jemen schützen. Die Miliz will mit dem Beschuss von Schiffen ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen, die auf das Massaker der Terrororganisation Hamas in Israel folgten.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters