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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Alexej Nawalny ist kein Einzelfall Die unheimliche Liste der toten Putin-Kritiker
Putin-Gegner Alexej Nawalny hat die Haft im russischen Straflager nicht überlebt. Auch sein Schicksal zeigt: Wer den Kreml kritisiert oder sich gar offen gegen den Präsidenten stellt, der schwebt in Lebensgefahr.
"Führung erfordert das Töten von Menschen, tut mir leid – deswegen will ich kein Führer sein." So lapidar hat der US-Fernsehkommentator Tucker Carlson nach seinem Interview mit Wladimir Putin auf die Frage reagiert, warum er den russischen Präsidenten nicht auf die vielen toten Regimekritiker angesprochen hat, deren Ableben mit dem Kreml-Chef in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich ist die Liste derer lang, die Putin herausgefordert haben und dieses Wagnis womöglich mit dem Leben bezahlten. Fünf prominente Beispiele:
- Jewgeni Prigoschin: Am 23. August 2023 soll "Putins Koch" unter den Opfern eines Flugzeugabsturzes zwischen Moskau und St. Petersburg gewesen sein. Als Gastronom war Prigoschin zu viel Geld gekommen und ursprünglich ein enger Vertrauter von Wladimir Putin. Unter anderem gründete und führte er die berüchtigte Söldnergruppe "Wagner". Die Privatarmee fungierte als inoffizieller militärischer Arm des Kreml in vielen Krisenregionen der Welt und wird für zahlreiche Menschenrechtsverbrechen verantwortlich gemacht.
Der Ukraine-Krieg und vor allem die Belagerung der Stadt Bachmut entzweiten Prigoschin und Putin. Im Juni 2023 gipfelte der Konflikt im offenen Aufstand von Prigoschin und der Wagner-Gruppe gegen den Kreml. Ihr "Marsch auf Moskau" kam 200 Kilometer vor der Hauptstadt zum Stehen. Prigoschin ergab sich und ließ sich Straffreiheit zusichern.
Nur einen Monat später starb er – so die offizielle Version – mit neun anderen Insassen im Wrack eines abgestürzten Kleinflugzeugs im Oblast Twer. An Bord sollen Handgranaten gezündet worden sein. Laut Wladimir Putin gab es keine Einwirkungen von außen auf die Maschine.
- Rawil Maganow stürzte im September 2022 aus einem Fenster im sechsten Stock einer Moskauer Klinik in den Tod. Maganow war Vorstandsvorsitzender der russischen Erdölgesellschaft Lukoil. Vor seinem Tod war er in die Schlagzeilen geraten, weil er den russischen Angriff auf die Ukraine mit scharfen Worten öffentlich kritisiert hatte. Zum Zeitpunkt seines Todes wurde er stationär wegen Herzproblemen und Depressionen behandelt. Sein Tod ist nie restlos aufgeklärt worden. Bis heute wird er von den Behörden als Suizid eingestuft. Maganow hinterließ keinen Abschiedsbrief.
- Boris Nemzow: Am 27. Februar 2015 gibt der ehemalige Vizepräsident der Russischen Föderation dem kremlkritischen Radiosender "Echo Moskau" ein aufsehenerregendes Interview: Eine korrupte Elite rund um Wladimir Putin habe Geld und Macht in Russland an sich gerissen. Er kritisierte die "verrückte, aggressive und tödliche" Politik des Krieges gegen die Ukraine und sprach davon, Russland müsse verändert werden.
Nur drei Stunden nach dem Gespräch ist Nemzow mit seiner Freundin zu Fuß in Sichtweite des Kreml unterwegs, als er von hinten mit vier Pistolenschüssen getötet wird. Seine Begleiterin bleibt unverletzt. Für die Tat werden später fünf tschetschenische Ex-Soldaten vor Gericht gestellt und verurteilt. Dass sie aus dem Umfeld des Putin-Vertrauten Ramzan Kadyrow stammen sollen, wird nie bewiesen.
- Alexander Litwinenko stirbt langsam und qualvoll am 23. November 2006 in einem Londoner Krankenhaus – an den Folgen der Strahlenkrankheit. In seinem Körper werden Spuren eines stark radioaktiven Polonium-Isotops festgestellt. Litwinenko hatte bis kurz vor der Jahrtausendwende für die Geheimdienste KGB und FSB gearbeitet, sich dann aber vom Kreml losgesagt.
Er floh nach London und wechselte die Seiten, angeblich zum MI-6. Die britische Justiz geht bis heute davon aus, dass zwei russische Bekannte Anfang November 2006 in einer Londoner Hotelbar Polonium in Litwinenkos Tee gemischt hatten und dass Wladimir Putin einer der Drahtzieher dieses Mordes gewesen ist. Die beiden Verdächtigen wurden nie an Großbritannien ausgeliefert.
- Anna Politkowskaja: Die Reporterin und Menschenrechtsaktivistin wird am 7. Oktober 2006 von einer Nachbarin tot im Fahrstuhl ihres Wohnhauses in Moskau aufgefunden. Sie hat vier Pistolenkugeln in der Brust und eine im Kopf. Bis zu ihrem Tod hatte sie für die regierungskritische Zeitung "Nowaja gaseta" gearbeitet und vor allem über russische Kriegsverbrechen im Zweiten Tschetschenienkrieg berichtet.
Mehrere Verdächtige werden festgenommen. Einige von ihnen haben Verbindungen nach Tschetschenien und zum Inlandsgeheimdienst FSB. Fünf Männer werden schließlich zu langen Haftstrafen verurteilt. 2023 wird einer von ihnen vorzeitig begnadigt – von Präsident Putin. Wer sie beauftragt hatte, wird nie geklärt.
- Eigene Recherchen