"Bis 2030 bereit sein" Europa-Politiker macht Druck bei EU-Erweiterung
2030 soll die EU nach Meinung von Ratspräsident Charles Michel bereit sein, neue Mitglieder aufzunehmen. Mehrere Länder warten bereits.
Die EU sollte nach Ansicht von Ratspräsident Charles Michel zügig neue Mitglieder aufnehmen. "Wir müssen (...) bis 2030 zur Erweiterung bereit sein", das gelte sowohl für die Beitrittskandidaten als auch für die EU, sagte der Belgier am Montag bei der Diskussionsveranstaltung Bled Strategic Forum in Slowenien.
Um stärker und sicherer zu sein, müsse die EU mächtiger werden und das Thema Erweiterung angehen. Es gebe noch viel Arbeit zu erledigen, es sei aber an der Zeit, voranzuschreiten. Dies sei eine Frage der "Glaubwürdigkeit".
Zu den Beitrittskandidaten zählen die Ukraine und das kleine Nachbarland Moldau. Die EU-Staaten hatten ihnen im russischen Angriffskrieg vor gut einem Jahr den Kandidatenstatus verliehen. Bereits deutlich länger harren fünf Westbalkanstaaten im Wartesaal der EU aus. Dabei handelt es sich um Albanien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien. Mit der Türkei gab es bereits lange Beitrittsverhandlungen, sie liegen allerdings seit Jahren wegen rechtsstaatlicher Defizite auf Eis.
Michel: Nettoempfänger werden zu Nettozahlern
"Die Integration neuer Mitglieder in unsere Union wird nicht einfach sein", sagte Michel. Dafür müsse die EU ihre "Hausaufgaben" machen und Entscheidungen beschleunigen, wie es Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gefordert hatte. Dazu gehöre auch, dass es erhebliche finanzielle Mittel brauchen werde, um den Ländern beim Aufholen zu helfen.
Die Wirtschaftskraft künftiger Mitgliedstaaten entspreche etwa 50 bis 70 Prozent der kleinsten EU-Wirtschaft, sagt er. Dies bedeute, dass diese Länder zunächst Nettoempfänger würden. Zugleich würden mehrere derzeitige Nettoempfänger zu Nettozahlern werden.
Vor allem in den Westbalkanländern seien viele Menschen enttäuscht über den zähen Erweiterungsprozess, sagte Michel weiter. "Ich stimme Kanzler (Olaf) Scholz zu, wenn er sagt, Europa muss seine Versprechen halten", betonte er.
Albanien: Kandidatur der Ukraine nicht zulasten des Westbalkans
Albaniens Regierungschef Edi Rama befürwortete die Äußerungen Michels und forderte zugleich, dass die Kandidatur der Ukraine um einen EU-Beitritt nicht zu Lasten der Westbalkanländer gehen dürfe. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dringt auf einen Beginn noch in diesem Jahr.
Die serbische Ministerpräsidentin Ana Brnabic bemängelte, dass der zähe Beitrittsprozess die Skepsis gegenüber der EU in ihrem Land befördert habe. "Wir sind geografisch, wirtschaftlich, kulturell und in jeder Hinsicht europäisch", betonte sie. Die EU müsse nun die "mutige politische Entscheidung" treffen, die westlichen Balkanstaaten in die EU aufzunehmen.
Wie die letztlich entscheidenden Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten Michels Vorstoß sehen, wird sich vermutlich in den kommenden Monaten zeigen. Das Thema Erweiterung soll unter anderem bei einem informellen EU-Gipfel Anfang Oktober diskutiert werden. Im Dezember soll entschieden werden, ob mit der Ukraine und Moldau Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden und ob Georgien den Status des Beitrittskandidaten bekommt.
- Nachrichtenagenturen dpa und AFP