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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Indien-Talk bei Lanz Ranga Yogeshwar prophezeit: "Die Welt wird anders"
Indien verzeichnet Wachstum – nicht nur die Bevölkerung, sondern auch als neue Weltmacht. Was das bedeutet, diskutierte Markus Lanz unter anderem mit Ranga Yogeshwar.
Die "neue Supermacht" Indien stand bei Markus Lanz am Donnerstagabend im Mittelpunkt. Der Grund: Lange sei China das Land mit der größten Bevölkerung gewesen, Indien wird aber bald überholen.
Der UN-Bevölkerungsfonds UNFPA schätzt, dass in Indien ab Mitte des Jahres 1,4286 Milliarden Menschen leben werden. In China soll die Bevölkerung dann 1,4257 Milliarden umfassen. Was bedeutet diese Veränderung für Deutschland und die Weltgemeinschaft? Das wollte Markus Lanz von seinen Gästen wissen.
Die Gäste
- Britta Petersen, Südasien-Expertin
- Ranga Yogeshwar, Moderator
"Indien ist eindeutig ein großer Spieler, mit dem man rechnen muss", erklärte Südasien-Expertin Britta Petersen. Es sei davon auszugehen, dass Indien in 15 Jahren eine der größten Volkswirtschaften ist. Derzeit belegt das Land bereits Platz fünf – Deutschland liegt auf Platz vier.
Yogeshwar erklärt Unterschied zwischen Indien und China
Moderator Ranga Yogeshwar, der einen Teil seiner Kindheit in der südindischen Stadt Bangalore verbracht hat, stellte klar: Wer glaube, dass in Indien ginge, was in China funktioniere, begehe eine Fehleinschätzung. Die indische Kultur sei anders – "kreativ" und gleichzeitig "theoretisch".
Lanz wolle wissen, warum Indien eine Liebe zur Mathematik und anderen Wissenschaften habe. Yogeshwar klärte den Moderator auf: "Weil man beim Nachdenken nicht viel braucht." Mathematik sei immer eine Stärke des Kontinents gewesen und habe außerdem Wurzeln in Indien.
Auch dafür, dass Indien im IT-Bereich viele CEOs und Fachkräfte hervorbringt, hatte der Autor eine Erklärung. Für eine IT-Firma brauche man nur Strom, einen PC und eine Satellitenschüssel. Eine Chemiefabrik zu bauen sei hingegen wesentlich schwieriger.
Indien hoch im Kurs, aber warum? Markus Lanz fragt nach
In jüngster Zeit suchen westliche Regierungschefs den Kontakt mit Indien. Im Februar besuchte Bundeskanzler Olaf Scholz Premierminister Narendra Modi. Im April trafen sich Modi und US-Präsident Joe Biden zu einem virtuellen Gipfel. "Alle kommen, warum?", wollte Lanz wissen.
"Man will sich in Stellung bringen", erklärte Yogeshwar. Hintergrund sei die Tatsache, dass der Konflikt zwischen den USA und China weiterhin brodele. Der Gedanke eines Schulterschlusses mit Indien sei jedoch ein "Missverständnis", so der Moderator. Indien wolle viel lieber Block-Freiheit beibehalten und unabhängig bleiben, ist Yogeshwar überzeugt.
Petersen: "Indien sucht kein Bündnis"
Dass Indien keine Bündnisse sucht, bestätigte auch Petersen. Am liebsten sei dem Land eine regelbasierte, multipolare Weltordnung, so die Expertin. Dahinter stecke, dass Indien nach seiner Kolonialgeschichte niemals wieder "zum Anhängsel" werden wolle.
Deswegen stimme Indien dieser Tage wohl auch mit Frankreich überein: Macron hatte jüngst erklärt, er wolle, dass sich Europa eine eigene Strategie überlege und sich nicht von der Politik der USA leiten lasse.
Yogeshwar: "Der Westen muss umdenken"
Einen Punkt betonten beide Experten: Deutschland, Europa und der Westen müssen ihre Sichtweise auf Indien verändern. "Die Welt wird anders", so Yogeshwar. Europäer und die USA hielten sich zwar gerne für den Nabel der Welt, in der neuen Weltgemeinschaft sei die Zeit der alten Achsen jedoch vorbei. Indien werde langsam aber sicher selbstbewusster, so der Moderator. "Die Zeit, wo man Vasall war, ist vorbei."
- "Markus Lanz" vom 19. April 2023