"Zeigen Verzweiflung" Putins Spionagenetz offenbar stark geschwächt
Verhaftungen von Spionen und Ausweisungen von russischen Diplomaten zeigen offenbar Wirkung. Das Spionagenetz des Kreml soll schwer beschädigt sein.
Russlands Spionagenetzwerk ist offenbar schwer angeschlagen. Festnahmen von Moskauer Geheimdienstmitarbeitern und Ausweisungen von Botschaftsangehörigen haben nach Angaben von amerikanischen Offiziellen dem Kreml großen Schaden zugefügt. Machthaber Wladimir Putin, einst selbst KGB-Agent, und seine Geheimdienste seien womöglich von den westlichen Aktionen überrascht worden, berichtet die "Washington Post".
Demnach seien die russischen Geheimdienste innerhalb eines Jahres stärker geschwächt worden als je zuvor seit dem Kalten Krieg. Nicht namentlich genannte Quellen sagten der US-Zeitung, dass es durch die Festnahmen für Russland schwieriger geworden sei, Operationen in Europa durchzuführen und mit seinen Spionen in Kontakt zu stehen.
Embed
"Unsere Arbeit hat ergeben, dass russische Behörden ihre Risikotoleranz erhöhen", wird ein leitender Beamter der Spionageabwehr des FBI zitiert, lehnte es jedoch ab, Einzelheiten zu nennen. Das bedeute gleichzeitig, dass mögliche Spione schneller enttarnt werden können. In einigen Fällen, sagte er, "zeigen ihre Handlungen mir gegenüber Verzweiflung."
Hunderte Diplomaten ausgewiesen
Deutschland hatte bereits im April 2022 Dutzende russische Diplomaten zu unerwünschten Personen erklärt. Frankreich wies ebenfalls russische Botschaftsangehörige aus, Litauen gleich den Botschafter selbst. Insgesamt mussten innerhalb eines Monats 135 Personen aus Russland die EU verlassen, bis heute sind es fast 400. Innenministerin Nancy Faeser hatte damals erklärt, alle in Deutschland betroffenen Personen arbeiteten für russische Geheimdienste.
Der BND hatte in München im Dezember einen Spionagefall in den eigenen Reihen aufgedeckt. Nach neuen Informationen des "Spiegel" soll der Verdächtige unter anderem versucht haben, Positionsdaten ukrainischer Artillerie herauszubekommen. Einen Monat später wurde nach einem Tipp des FBI ein mutmaßlicher Kurier festgenommen, der Kontakte zu dem BND-Mitarbeiter gehabt haben soll. In London wurde am Freitag ein Mann verurteilt, der wohl die britische Botschaft in Berlin ausspioniert hatte. Der Richter war überzeugt, dass der Verurteilte Russland habe helfen wollen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Mutmaßliche Spione kamen mit brasilianischem Pass
In den Niederlanden war im Januar ein Mann verhaftet worden, der sich als Praktikant beim Internationalen Strafgerichtshof beworben hatte. Er hatte einen brasilianischen Pass, tatsächlich soll es sich aber um einen russischen Geheimdienstmitarbeiter gehandelt haben. Er wurde jetzt in Brasilien verurteilt – allerdings wegen Betruges. Die Spionagevorwürfe hatte er von sich gewiesen. Auch in Norwegen sollen nach Recherchen der Zeitung Verdächtige mit brasilianischen Pässen aufgetaucht sein. Großbritannien soll seit 2018 mehr als 100 Visaanträge russischer Diplomaten abgelehnt haben.
"Für die russischen Dienste sieht die Welt jetzt ganz anders aus", sagte Antti Pelttari, Direktor des finnischen Auslandsgeheimdienstes der Zeitung. Aufgrund der Ausweisungen, anschließenden Verhaftungen und eines feindseligeren Umfelds in Europa sei "ihre Leistungsfähigkeit erheblich herabgesetzt worden". "Februar 2023 ist nicht dasselbe wie Februar 2021 oder 2019", sagte ein hochrangiger westlicher Geheimdienstmitarbeiter dem US-Blatt. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine "gibt es einfach nicht mehr so viel Toleranz oder so viel Raum" in Europa.
Neue Spione wohl nicht gut ausgebildet
Offenbar verlegt sich Russland zu einem gewissen Teil jetzt auf Cyberspionage, sagten Experten der "Washington Post". Auch sollen neue Spione über Flüchtlingswege eingeschleust worden sein. Diese könnten aber nicht wie zuvor unter dem Schutz russischer Botschaften arbeiten, außerdem seien viele nicht ausreichend ausgebildet.
Nach Angaben eines westlichen Geheimdienstmitarbeiters bestehe kein Zweifel daran, dass Russland die Verluste wieder wettmachen will. Man habe aber in Europa die Daten der ausgewiesenen Diplomaten ausgetauscht. Versuche des Kremls, sie wieder einzuschleusen, seien nach seiner Erkenntnis bislang fehlgeschlagen.
- washingtonpost.com: "In wake of Ukraine war, U.S. and allies are hunting down Russian spies" (englisch)
- spiegel.de: "Mutmaßlicher Spion sollte Positionen von US-Waffensystem in der Ukraine an Moskau verraten" (kostenpflichtig)