Streit um Ukraine-Krieg Putins Verbündeter probt den Aufstand
Kasachstan gehört zu den engsten Verbündeten Russlands, doch den Krieg gegen die Ukraine hat Präsident Tokajew jetzt offen kritisiert. Moskaus Strafmaßnahmen lassen nicht lange auf sich warten.
Deutliche Widerworte von einem Verbündeten und das live auf offener Bühne: Wladimir Putin wird nicht erfreut darüber gewesen sein, dass Kassym-Schomart Tokajew am Freitag die Anerkennung der selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk ablehnte und auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker verwies. Bei dem Auftritt am Freitag in Sankt Petersburg ließ sich Putin den Ärger über den kasachischen Präsidenten nicht anmerken, doch jetzt verschärft sich der Ton zwischen Moskau und Nur-Sultan.
Mit Maßnahmen "wie bei der Ukraine" droht etwa Konstantin Satulin, der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Angelegenheiten der Russischen Föderation: "Wenn wir Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft haben, dann stellen sich keine territorialen Fragen", zitiert die unabhängige "Moscow Times" den Abgeordneten. "Und wenn nicht, dann ist alles möglich. Wie im Fall der Ukraine. Deshalb bin ich der Meinung, dass es sich lohnt, dieser Seite der Dinge in Kasachstan und nicht nur in der Ukraine Aufmerksamkeit zu schenken", so Satulin.
Russland blockiert kasachisches Erdöl
Zuvor hatte der Ehemann der russischen Propagandistin Margarita Simonyan Kasachstan in einem Video "Undankbarkeit" vorgeworfen und dem Land empfohlen, sich anzuschauen, "was in der Ukraine passiert". Doch der Streit zwischen den Verbündeten wird offenbar nicht nur mit Worten ausgetragen.
Wie die staatlich gelenkte russische Zeitung "Kommersant" schreibt, blockiert Russland zurzeit die Ausfuhr kasachischen Erdöls über den russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk – der wichtigste Umschlagplatz für kasachisches Öl gen Westen. Zur offiziellen Begründung heißt es, im Hafen seien Seeminen aus dem Zweiten Weltkrieg entdeckt worden. Die Räumung dauere bis mindestens Ende des Monats. Angeblich sei der gesamte Schiffsverkehr im Hafen gesperrt, das aber habe die russische Schifffahrtsbehörde Rosmorrechflot nicht bestätigt, so Kommersant.
Russland und Kasachstan sind voneinander abhängig
Laut "Moscow Times" soll Kasachstan zuvor sein Erdöl umbenannt haben, damit es in westlichen Häfen nicht mit russischem Erdöl verwechselt wird und unter die Sanktionen der EU fällt. Die ukrainische Nachrichtenagentur "Unian" berichtet zudem, dass Kasachstan 1.700 Eisenbahnwaggons mit russischer Kohle an der Ausfuhr hindert. Dabei wäre ein Zerwürfnis zwischen Moskau und Nur-Sultan für beide Partner schlecht.
Erst Anfang des Jahres sicherte die von Russland geführte regionale Militärallianz OKVS Tokajew die Macht in Kasachstan. Dort brachen im Januar massive Proteste gegen Korruption und soziale Ungerechtigkeit aus, nachdem Präsident Nursultan Nasarbajew 2019 abgetreten war. Im Hintergrund soll der Langzeitmachthaber aber weiter über den Kurs der Regierung bestimmen. Bei der Niederschlagung der Proteste sollen Hunderte Menschen getötet und Tausende festgenommen worden sein.
Doch auch Russland ist auf den Verbündeten in Zentralasien angewiesen, seit dem Überfall auf die Ukraine wohl mehr denn je: "Der russische Staat kontrolliert zahlreiche militärische und industrielle Einrichtungen in Kasachstan, die voll funktionsfähig und nicht von westlichen Sanktionen betroffen sind", schreibt die sicherheitspolitische Analystin Ivanna Kuz. "Die Partnerschaft zwischen beiden Ländern ist stark, wie die kasachische Beteiligung an russischen Militärübungen, die Zusammenarbeit mit russischen Rüstungsfirmen und die gemeinsame Entwicklung neuer Waffen zeigt."
- Kommersant: Öltransport torpediert
- The Moscow Times: Russland stoppt Lieferungen von kasachischem Öl nach Tokajews Äußerungen