Michigan Auschuss belastet Trump - Ex-Präsident beklagt "Hexenjagd"
Washington (dpa) - Der Untersuchungsausschuss zur Erstürmung des US-Kapitols hat in einer viel beachteten ersten öffentlichen Anhörung neue Erkenntnisse zu den Hintergründen der Attacke offengelegt und Ex-Präsident Donald Trump weiter belastet.
In der Sitzung, die am Donnerstagabend (Ortszeit) zur Hauptsendezeit von diversen Fernsehsendern live übertragen wurde, zeigte das Gremium unter anderem bislang unveröffentlichtes Videomaterial und Ausschnitte aus Befragungen früherer Mitglieder der Trump-Regierung. So bezeichnete etwa der damalige Justizminister William Barr die Wahlbetrugsbehauptungen Trumps als "Schwachsinn".
Die Ausschussmitglieder warfen Trump vor, dieser habe mit seinen Betrugsbehauptungen den wütenden Mob Anfang Januar 2021 zu den Aussschreitungen angetrieben. Der Ausschussvorsitzende Bennie Thompson sprach von einem "Putschversuch" und mahnte, die Demokratie in den USA sei weiter in Gefahr.
Trump spricht von "Hexenjagd"
Trump warf dem Ausschuss dagegen Voreingenommenheit vor. "Eine einseitige, völlig parteiische, politische Hexenjagd!", schrieb er auf der von ihm mitbegründeten Online-Plattform Truth Social. Trump griff auch seinen früheren Justizminister an. "Barr war ein Feigling", schrieb er. "Er war dumm." Trump wiederholte seine widerlegte Behauptung, dass die Präsidentenwahl 2020 "gefälscht und gestohlen" wurde. Zum Angriff seiner Anhänger auf das Kapitol äußerte er sich nicht.
Anhänger des damaligen republikanischen Präsidenten Trump hatten am 6. Januar 2021 den Parlamentssitz in der Hauptstadt Washington erstürmt. Sie wollten verhindern, dass der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden vom November 2020 bestätigt wird. Bei der Attacke kamen damals mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.
Trump hatte seine Anhänger kurz zuvor bei einer Kundgebung damit aufgewiegelt, dass ihm der Wahlsieg gestohlen worden sei. Der Präsident musste sich deswegen einem Amtsenthebungsverfahren stellen, an dessen Ende er damals freigesprochen wurde. Der Untersuchungsausschuss im Kongress wurde im Sommer 2021 eingesetzt, um die Hintergründe des Angriffs auf das Kapitol aufzuklären.
Die Vize-Ausschusschefin, die Republikanerin und Trump-Kritikerin Liz Cheney, sagte, die Attacke sei "kein spontaner Aufstand" gewesen. "Präsident Trump hat den Mob herbeigerufen, den Mob versammelt und die Flamme dieses Angriffs entzündet." Über Monate habe Trump einen ausgeklügelten Plan koordiniert, den Ausgang der Präsidentenwahl zu kippen und die Machtübergabe an seinen Nachfolger zu verhindern.
Biden sieht Demokratie weiter in Gefahr
US-Präsident Joe Biden sieht die Demokratie in den Vereinigten Staaten weiter in Gefahr. "Die gleichen Kräfte, die zum 6. Januar geführt haben, sind auch heute noch am Werk", sagte Biden bei einer Ansprache im Hafen von Los Angeles mit Blick auf die Anhörungen des Kongress-Untersuchungsausschusses in Washington. "Wir müssen unsere Demokratie schützen." Er habe sich selbst eine derartige Herausforderung nie vorstellen können.
Der "Kampf um die Seele Amerikas" sei längst nicht gewonnen, sagte Biden weiter. "Es ist wichtig, dass das amerikanische Volk versteht, was wirklich geschehen ist."
Erstmals Ausschnitte der Befragungen gezeigt
Der Untersuchungsausschuss hatte über Monate hinter verschlossenen Türen Hunderte Zeugen befragt und große Mengen an Dokumenten und Beweismaterial gesichtet. In der öffentlichen Sitzung wurden erstmals Ausschnitte der Befragungen gezeigt - unter anderem von Barr. Darin sagte der Ex-Justizminister mit Blick auf Trumps Behauptungen zum Wahlbetrug, er habe mehrere Gespräche mit ihm zu dem Thema gehabt. "Ich habe deutlich gemacht, dass ich nicht damit einverstanden bin, dass behauptet wird, die Wahl sei gestohlen worden, und dass dieses Zeug verbreitet wird, von dem ich dem Präsidenten gesagt habe, dass es Schwachsinn (Original: "Bullshit") ist." Behauptungen dieser Art nannte Barr "verrückt".
Der Ausschuss zeigte auch den Video-Mitschnitt einer Befragung von Trumps Tochter Ivanka. Gefragt nach Barrs Aussagen sagte sie, dessen Einschätzung habe durchaus Auswirkungen auf ihre Sichtweise gehabt. Sie respektiere Barr. "Also akzeptierte ich, was er sagte."
Das Gremium legte offen, Trump habe sich während des Sturms auf das Kapitol positiv über Drohungen seiner Anhänger gegen Vizepräsident Mike Pence geäußert. Cheney sagte unter Berufung auf Erkenntnisse des Gremiums, Trump habe von den Drohungen gewusst und dazu gesagt: "Vielleicht haben unsere Anhänger die richtige Idee." Pence verdiene es, zitierte Cheney Trump weiter.
Pence hatte am 6. Januar 2021 in seiner Rolle als Vizepräsident die Kongresssitzung geleitet, bei der Bidens Wahlsieg bestätigt wurde. Trumps Anhänger suchten damals im Gebäude auch nach Pence, den sie als Verräter beschimpften und zu hängen drohten, weil er Bidens Bestätigung nicht verhindere.
Pence war nach Erkenntnissen des Ausschusses derjenige, der am Ende die Nationalgarde zur Unterstützung anforderte, um die Lage am Kapitol unter Kontrolle zu bringen. Dies gab Generalstabschef Mark Milley in seiner Befragung an, aus der ebenfalls Ausschnitte gezeigt wurden. Das Weiße Haus habe es jedoch so darstellen wollen, als habe Trump die Entscheidung getroffen, hieß es weiter.
Bei der Ausschusssitzung sagten außerdem live zwei Zeugen aus: Eine Polizistin, die bei der Kapitol-Attacke verletzt worden war, erzählte auf eindrückliche Weise von ihren traumatischen Erlebnissen. Und ein Dokumentarfilmer, der am Tag des Angriffs Mitglieder der rechten Miliz "Proud Boys" begleitet hatte, berichtete von seinen Erfahrungen. Die "Proud Boys" und die rechte Gruppierung "Oath Keepers" spielten nach Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses eine entscheidende Rolle bei der Attacke. Sie seien teils in voller Kampfausrüstung erschienen und hätten den Angriff koordiniert. Mitglieder beider Gruppen wurden nach der Erstürmung festgenommen und angeklagt. Die Verfahren laufen größtenteils noch.
In den kommenden Wochen sollen weitere öffentliche Anhörungen des Gremiums folgen. Die nächste Sitzung ist für Montag angesetzt.
US-Gouverneurskandidat wegen Kapitol-Attacke festgenommen
Wegen Beteiligung am Sturm auf das Kapitol wurde ein Kandidat für das Amt des Gouverneurs im US-Bundesstaat Michigan vorübergehend festgenommen. Vorausgegangen war eine Strafanzeige gegen den Republikaner Ryan Kelley, wie aus Dokumenten des US-Justizministeriums von Donnerstag (Ortszeit) hervorgeht. Kelley werden mehrere Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen, darunter Gewaltanwendung gegen Personen oder Sachen auf einem verbotenen Gelände und Beschädigung von Bundeseigentum.
Das FBI habe Kelley in seinem Haus in Allendale festgenommen, berichteten mehrere US-Medien. Der Gouverneurskandidat sei nach seiner Festnahme vor einem Gericht in Grand Rapids erschienen, dann aber freigekommen. Am 16. Juni ist den Berichten zufolge eine virtuelle Anhörung Kelleys geplant. Auch das Haus des Kandidaten sei am Donnerstag durchsucht worden.
Kelley, ein 40 Jahre alter Immobilienmakler, ist einer von fünf Kandidaten, die im Herbst gegen Michigans demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer antreten wollen.