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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Streit um Ukraine-Hilfe Das ist dran an Scholz' Aussage zu Waffenlieferungen
Erneut wurde dem Kanzler vorgeworfen, zu zögerlich zu sein – das ging ihm zu weit: In Litauen betonte Scholz, Deutschland gehöre zu den wichtigsten militärischen Unterstützern der Ukraine. Doch stimmt das überhaupt?
In der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine steht die Bundesregierung unter Druck. Olaf Scholz wird vorgeworfen, zu zögerlich zu sein – so auch bei einer Pressekonferenz während seines Besuchs in Litauen. Doch statt der Frage auszuweichen, ging der Kanzler plötzlich in die Offensive: "Niemand liefert in ähnlich großem Umfang, wie Deutschland das tut", sagte Scholz. Es gebe ein paar wenige, die auch sehr viel tun, wie zum Beispiel die USA. Aber Deutschland zähle zu den Ländern, die "in ganz großem Umfang ihre Möglichkeiten einsetzen."
Was ist dran an dieser Aussage? Im Gespräch mit t-online erklärt Militärexperte Carlo Masala: "Das grundsätzliche Problem ist, was als Bemessungsgrundlage herangezogen wird." Eine geeignete Grundlage sei etwa das Bruttoinlandsprodukt (BIP), so Masala. Wirft man einen Blick ins Ranking des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) zur Unterstützung der Ukraine, das sich am BIP der Geberländer orientiert, belegt Deutschland Platz 14. Berücksichtigt werden in diesem Ranking sämtliche Zusagen an Kiew, die die Staaten bis zum 10. Mai 2022 gemacht haben.
16 Millionen Schuss geliefert
Die oberen Plätze des Rankings belegen fast ausschließlich osteuropäische Länder: Estland, Lettland und Polen. Die USA befinden sich auf Platz vier, Litauen auf Platz fünf. Bezogen auf die Daten des IfW Kiel sieht es also auf den ersten Blick so aus, als würde Scholz' Aussage nicht stimmen.
Doch Masala erklärt: Ein Land wie beispielsweise Litauen stehe in diesem Ranking recht weit oben, weil es rund ein Drittel des Verteidigungshaushalts für die Unterstützung der Ukraine aufgewendet hat. "Aber Litauen hat eben auch nicht rund 16 Millionen Schuss Munition geliefert, wie Deutschland es getan hat", so der Militärexperte.
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Masala fasst zusammen: "Deutschland hat durchaus eine große Palette an Waffen geliefert. Zwar nicht so viel wie beispielsweise die USA und Großbritannien, aber mehr als Länder wie Italien." Zudem habe Scholz sich in seiner Äußerung wahrscheinlich auch auf eine jüngere Ankündigung von Lieferungen bezogen, die noch erfolgen soll.
- Telefonat mit Carlo Masala am 8. Juni 2022
- Pressekonferenz von Scholz, Nausėda, Kallas und Kariņš am 7. Juni 2022 in Vilnius
- Kiel Institut für Weltwirtschaft: Ukraine Support Tracker