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EU: Viktor Orbán fordert weitere Zugeständnisse im Streit um Ölembargo


EU-Gipfel in Brüssel
Orbán fordert Zugeständnisse im Streit um Öl-Embargo

Von dpa, afp, jro

Aktualisiert am 30.05.2022Lesedauer: 4 Min.
Ungarns Premierminister Viktor Orbán: Er fordert von der EU Lösungen für sein Land.Vergrößern des Bildes
Ungarns Premierminister Viktor Orbán: Er fordert von der EU Lösungen für sein Land. (Quelle: Belga/imago-images-bilder)

Das nächste EU-Sanktionspaket gegen Russland droht zu scheitern: Ungarns Premierminister Viktor Orbán stellt erneut Bedingungen für seine Zustimmung – und auch aus Tschechien regt sich Widerstand.

In Brüssel beraten Staats- und Regierungschefs über das weitere Vorgehen im Ukraine-Krieg. Für ein Öl-Embargo gegen Russland liegt dabei ein neuer Kompromissvorschlag von der EU-Kommission auf dem Tisch. Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass es zu einer Einigung kommen kann – doch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán fordert weitere Garantien für sein Land.

Am Rande des EU-Sondergipfels stellte Orbán klar, dass es bislang keinerlei Einigung gebe. "Wir sind bereit, das sechste Sanktionspaket zu unterstützen, wenn es Lösungen für Ungarns Energieversorgung gibt", sagte Orbán. Die vorgeschlagene Ausnahme von Öllieferungen durch Pipelines sei "ein guter Ansatz", gehe aber nicht weit genug. Zuvor hatte Budapest insbesondere auch finanzielle Unterstützung zum Umbau seiner Energieinfrastruktur verlangt.

Botschafter der EU-Mitgliedsländer hatten noch bis kurz vor Beginn des Treffens am Nachmittag an einem auch für Ungarn akzeptablen Kompromiss gearbeitet. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht nun vor, vorerst nur die Einfuhr von per Schiff transportiertem Öl auslaufen zu lassen. Das bislang die Embargo-Pläne blockierende Ungarn könnte sich demnach weiterhin über die riesige Druschba-Pipeline mit Öl aus Russland versorgen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Auch Tschechien fordert Rücksicht

In dem Entwurf für die Gipfelerklärung vom Montagmorgen hieß es: "Der Europäische Rat ist sich einig, dass das sechste Paket mit Sanktionen gegen Russland Erdöl sowie Erdölerzeugnisse, die aus Russland in die Mitgliedstaaten geliefert werden, abdecken wird – mit einer vorübergehenden Ausnahme für Erdöl, das per Pipeline geliefert wird." Ob der Text von den Staats- und Regierungschefs so angenommen wird, war jedoch unklar.

Auch Tschechien hat mehr Rücksichtnahme auf die Sorgen einzelner Staaten gefordert. "Wir können es einfach nicht zulassen, dass bestimmte Erdölprodukte bei uns fehlen werden", sagte der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala am Montag in Prag vor seinem Abflug zum EU-Gipfel in Brüssel. Es gehe um "lebenswichtige Sicherheiten für die Bevölkerung". Tschechien deckt derzeit rund die Hälfte seines Erdölbedarfs aus russischen Quellen.

Fiala kritisierte erneut, dass die EU-Kommission die Ziele des mittlerweile sechsten Sanktionspakets veröffentlicht habe, bevor es darüber eine Einigung unter den Mitgliedstaaten gegeben habe. "Es erfreut mich nicht sonderlich, wie diesmal die Verhandlungen gelaufen sind", sagte der 57-Jährige. Ähnlich äußerte sich der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer: "Ich bin sehr erstaunt darüber, welchen Weg die Kommission gewählt hat, um dieses schwierige Thema tatsächlich für einen Rat vorzubereiten", sagte der ÖVP-Politiker am Montag am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel. Normalerweise "verhandelt man mit den Gesprächspartnern, bevor man das Ergebnis verkündet".

Bundeskanzler Scholz zeigte sich vor dem Treffen in Brüssel zuversichtlich. Es spreche alles dafür, "dass man sich zusammenfindet", sagte der SPD-Politiker am Montag. "Niemand kann vorhersagen, ob es dann tatsächlich der Fall sein wird. Aber alles, was ich höre, klingt danach, als ob es einen Konsens geben könnte." Zur Haltung Ungarns sagte Scholz: "Es ist wichtig, dass wir hier einig handeln. Das einige Handeln besteht darin, dass alle verstehen, dass das nur funktioniert, wenn jeder sich als Teil einer Gemeinschaft begreift."

Von der Leyen: Embargo darf niemanden unfair belasten

Ungarn sieht die Verantwortung für den seit Wochen anhaltenden Streit über das geplante Embargo vor allem bei der EU-Kommission und ihrer Präsidentin Ursula von der Leyen. Diese habe "unverantwortlich" gehandelt, indem sie Energie-Sanktionen vorgeschlagen habe, die zuvor nicht vernünftig mit den EU-Staaten verhandelt worden seien.

Den derzeitigen Vorschlag nannte Orbán grundsätzlich einen "guten Ansatz". Die ungarische Position sei jedoch sehr einfach: Zunächst brauche es Lösungen mit Blick auf die ungarische Versorgungssicherheit mit Energie, dann könne es Sanktionen geben. Bislang gebe es diese Lösungen aber nicht.

Kommissionspräsidentin von der Leyen ist skeptisch, dass bei dem Treffen in Brüssel eine Einigung gefunden werde. Es gebe verschiedene Ansätze, aber noch keine gemeinsame Position, sagte von der Leyen am Montag vor Beginn des Gipfels in Brüssel. Es sei wichtig, dass ein Embargo niemanden in der EU unfair belaste, so von der Leyen. "Und genau diese Frage haben wir noch nicht gelöst." Skeptisch äußerte sich auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Wegen der neuen Forderungen Ungarns sei er "zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr vorsichtig", sagte Macron.

Blockade könnte ganzes Sanktionspaket verzögern

Zudem rief von der Leyen die EU-Länder zu Geschlossenheit auf. "Wir haben einen Schlüssel zum Erfolg, und dieser ist Solidarität mit der Ukraine und die Einigkeit der Europäischen Union", sagte sie.

Das Öl-Embargo ist nur eine von mehreren Maßnahmen gegen Moskau, die in Brüssel beschlossen werden könnten. Sollte hier keine Einigung erreicht werden, könnte das gesamte Sanktionspaket verschoben werden. Dies wäre ein Rückschlag für die EU, die dem russischen Präsidenten Wladimir Putin die Finanzierung des Angriffskriegs gegen die Ukraine erschweren will.

Das geplante Sanktionspaket umfasst neben dem Öl-Embargo Sanktionen gegen weitere kremlnahe Persönlichkeiten, darunter das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill, und die ehemalige Turnerin Alina Kabajewa, der enge Verbindungen zu Putin nachgesagt werden. Auch der Ausschluss von drei russischen Banken aus dem internationalen Finanzsystem Swift, darunter mit der "Sberbank" das größte Kreditinstitut des Landes, liegt auf dem Tisch.

Als denkbar galt, dass beim Gipfel eine politische Grundsatzvereinbarung getroffen wird, Details dann aber erst später ausgehandelt werden. Die Beratungen der Staats- und Regierungschefs bei dem außerordentlichen Gipfel dauern bis Dienstag.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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