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Israel und der Ukraine-Krieg: Kann er Putin zur Vernunft bringen?


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Krisendiplomatie
Kann er Putins Feldzug stoppen?


07.03.2022Lesedauer: 4 Min.
Da war die Welt noch in Ordnung: Israels Ministerpräsident Naftali Bennett (l.) trifft Wladimir Putin im Oktober 2021 im russischen Sotschi.Vergrößern des Bildes
Da war die Welt noch in Ordnung: Israels Ministerpräsident Naftali Bennett (l.) trifft Wladimir Putin im Oktober 2021 im russischen Sotschi. (Quelle: Evgeny Biyatov/imago-images-bilder)

Kein Land unterhält wohl gleichzeitig bessere Beziehungen zu Russland, der Ukraine und dem Westen. Deshalb will Israel nun vermitteln – doch die Regierung verfolgt auch ihre eigenen Interessen.

Naftali Bennett hat ein arbeitsreiches Wochenende hinter sich. Dafür ging der strenggläubige Jude sogar am Sabbat auf eine lange Reise: Der Gesprächsmarathon begann für den israelischen Ministerpräsidenten am Samstagabend mit einem überraschenden Besuch in Moskau bei Wladimir Putin. Drei Stunden dauerten die Gespräche der beiden Politiker. Seit Putins Kriegserklärung war Bennett der erste demokratische Politiker, der im Kreml empfangen wurde.

Anschließend ging es direkt weiter nach Berlin zu Bundeskanzler Olaf Scholz. Bis Sonntagabend folgten drei Telefonate mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und weitere Anrufe bei Putin, Scholz und Emmanuel Macron. "Vielleicht ist noch Zeit, zu handeln", sagte Bennett am Sonntag nach seiner Rückkehr in seine Heimat.

Es gibt wohl kaum ein Land, das sowohl zu Russland, der Ukraine, aber auch zu den westlichen Staaten wie den USA oder Deutschland bessere Beziehungen unterhält als Israel. Ist das Land in diesem Konflikt also der ideale Vermittler, nach dem lange gesucht worden ist?

"Es geht darum, dass überhaupt Kontakte auf hoher politischer Ebene zwischen Russland, Ukraine und der Nato wieder hergestellt werden. Israel kann helfen, solche Gespräche ins Laufen zu bringen", sagt Stephan Stetter von der Münchner Universität der Bundeswehr t-online. Die Chancen, Putin umzustimmen, dürften wohl trotzdem gering sein – zumal Israel und Bennett auch eigene Interessen in den Gesprächen verfolgen.

Hohe Flüchtlingszahlen

Die israelische Regierung wandelt seit Putins Kriegserklärung auf schmalem Grat. Zunächst verurteilte Bennett den Einmarsch: Die Ukrainer seien zu Unrecht in den Konflikt geraten, Israelis sollten das Land umgehend verlassen. Jeder Jude solle zudem wissen, dass "die Tür des Staates Israel immer offensteht". Juden können in Israel laut dem Rückkehrgesetz auch die Staatsbürgerschaft des Landes annehmen. Putin oder direkte Kritik an seinem Handeln erwähnte Bennett mit keiner Silbe.

Denn auch wenn für Israel die USA der international wichtigste Partner sind, besitzt das Land auch tiefe Verbindungen sowohl nach Russland als auch in die Ukraine. Mehr als eine Million Menschen in Israel sollen aus den beiden osteuropäischen Ländern stammen. Zugleich leben auch heute noch viele Juden in beiden Ländern – auch der ukrainische Präsident gehört dazu.

Laut dem israelischen Innenministerium sind bis zum Wochenende rund 2.000 Menschen aus der Ukraine nach Israel geflüchtet. Abgesehen von den direkten Nachbarstaaten habe Israel im Verhältnis zu seiner Größe bisher weltweit die meisten Menschen von dort aufgenommen, teilte die Innenministerin Ajelet Schaked mit.

Die engen Verbindungen zwischen den drei Ländern sind auch der Grund für die militärische Zurückhaltung Israels: Waffenlieferungen an die Ukraine sind kein Thema. Stattdessen hat die Regierung bisher 100 Tonnen humanitäre Hilfsgüter versendet. Zudem soll in dieser Woche ein Feldkrankenhaus verschickt werden. An den westlichen Sanktionen, die die EU und die USA ausgesprochen haben, beteiligt sich Israel nicht.

Gleichzeitig bleibt die Regierung weiter mit dem Westen im Gespräch: Vergangene Woche empfing Bennett zum Beispiel Bundeskanzler Olaf Scholz. Auch bei den Vereinten Nationen stimmte das Land gemeinsam mit seinen westlichen Partnern für eine Resolution, die die russische Aggression "aufs Schärfste" verurteilt.

Der Zickzackkurs von Bennett kommt nicht überall gut an: Auch in Tel Aviv demonstrierten am Wochenende Hunderte Menschen gegen den Krieg des russischen Präsidenten. Die Empörung war zudem groß, als in der vergangenen Woche russische Raketenangriffe in der Nähe der ukrainischen Holocaust-Gedenkstätte von Babyn Jar vermeldet wurden. In der Schlucht wurden 1941 mehr als 33.000 Juden von deutschen Soldaten ermordet. "Wir rufen dazu auf, die Heiligkeit der Stätte zu bewahren und zu respektieren", twitterte daraufhin Außenminister Jair Lapid. Auch hier erwähnte er den Urheber des Angriffs mit keiner Silbe.

Auf Russland in Syrien angewiesen?

Hinter der Zurückhaltung stecken auch weitere israelische Interessen. Einer der Gründe liegt in Syrien, das im Norden an Israel grenzt: Dort unterstützt Putin militärisch den Machthaber Baschar al-Assad. Gleichzeitig fliegt Israel regelmäßig Luftangriffe auf Stellungen des syrischen Regimes, aber auch auf Einrichtungen der Hisbollah und iranischer Truppen, die ebenfalls Assad unterstützen. Solche Angriffe sind de facto ohne die Zustimmung Russlands nicht möglich. "Zugespitzt könnte man sagen, dass Russland ein Nachbarstaat Israels ist", glaubt Stetter.

Der Nahost-Experte sieht allerdings noch einen weiteren Grund für die aktivere Rolle Israels: Bennett, der erst seit dem vergangenen Jahr im Amt ist, versuche außenpolitisch an Profil zu gewinnen. Gerade im konservativen Lager herrsche noch bei vielen die Meinung vor, dass Bennetts Vorgänger Benjamin Netanjahu der einzige brauchbare Geostratege des Landes sei. Mit seinem Gesprächsmarathon versuche der Ministerpräsident nun, diese Meinung zu widerlegen: "Bennett versucht, Netanjahu vergessen zu machen."

Allerdings machen sich viele Beobachter keine großen Hoffnungen, dass die israelische Regierung kurzfristig große Fortschritte erzielen kann. Das räumte auch Bennett am Sonntag ein. Über konkretere Inhalte der Gespräche machte er ohnehin keine Angaben, aber man sei weiter bereit zu helfen. Ein persönliches Gespräch des russischen und ukrainischen Außenministers wird allerdings nicht in Israel, sondern am Donnerstag im türkischen Antalya stattfinden.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Interview mit Stephan Stetter am 7.3.2022
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