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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kanzler bei "Maybrit Illner" Scholz fordert Schröder zu Rückzug auf
Hart steht Altkanzler Gerhard Schröder wegen seiner Arbeit für russische Konzerne in der Kritik – und unter Druck, Konsequenzen zu ziehen. Der heutige Bundeskanzler spricht bei einem TV-Auftritt nun Klartext.
Besondere Ereignisse verlangen von Politikern nicht nur besondere Entscheidungen, sondern auch besondere Auftritte. Als einziger Gast in Maybrit Illners ZDF-Show stellte sich Bundeskanzler Olaf Scholz am Donnerstagabend den Fragen der Moderatorin zum Krieg in der Ukraine und dessen Konsequenzen für Deutschland.
Dabei demonstrierte der Regierungschef Entschlossenheit und verteidigte die Waffenlieferungen an die Ukraine. Gleichzeitig betonte er die Bedeutung der Bemühungen um diplomatische Lösungsversuche. "Es geht auch bei allem, was wir machen, darum, zu verhindern, dass es zu einer direkten Konfrontation zwischen der Nato und Russland kommt", erklärte Scholz.
Seinem sozialdemokratischen Weggefährten, dem Gaslobbyisten und Altkanzler Gerhard Schröder, empfahl der Bundeskanzler, seine Ämter in der russischen Wirtschaft niederzulegen.
Scholz, der kürzlich in seiner Regierungserklärung vor dem Bundestag von einer "Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents" gesprochen hatte, erläuterte bei seinem TV-Auftritt, warum der Angriff Russlands auf die Ukraine der deutschen Politik eine Neuausrichtung abverlangt habe.
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Scholz begründet Waffenlieferungen an Ukraine
So finde etwa die traditionelle deutsche Richtlinie, Waffen nicht in Krisengebiete zu liefern, im Fall der Ukraine keine Anwendung mehr, weil dieser Krieg nicht mehr zu verhindern sei. "Es gibt ihn, und da darf man diejenigen, die unschuldig angegriffen worden sind, nicht alleine lassen", begründete der Kanzler.
Auch zur Motivation der kriegerischen Auseinandersetzung und den Kräfteverhältnissen zwischen den beteiligten Staaten fand Scholz klare Worte: "Hier hat eine der Supermächte der Welt, eine nuklear hochgerüstete Supermacht, entschieden, einen Krieg gegen das Nachbarvolk zu führen."
Auf die Fragen der Moderatorin nach der Korrumpierbarkeit einzelner Sozialdemokraten und Fehleinschätzungen der SPD im Verhältnis zu Russland antwortete Scholz dagegen eher ausweichend. Die Sozialdemokraten hätten sich mit ihrer Politik keineswegs geirrt, "sondern mit sehr erfolgreichen Verteidigungsministern dafür gesorgt, dass Deutschland über lange Jahre eine gut gerüstete Armee hatte", sagte der SPD-Politiker mit Blick auf weit zurückliegende Vergangenheiten.
Scholz hofft auf Schröders Einsicht
Er glaube auch nicht, dass die Aktivitäten des ehemaligen SPD-Vorsitzenden und Altkanzlers Gerhard Schröder bei russischen Energiekonzernen seiner Partei schadeten, da jeder wisse, dass die SPD damit nicht einverstanden sei. "Ich finde nicht richtig, dass Gerhard Schröder diese Ämter wahrnimmt, und ich glaube, dass es richtig wäre, er würde sie niederlegen", so Scholz.
"Ich hoffe, dass all die vielen Freunde, die er unverändert hat und die ihn ansprechen, ihn überzeugen können, dass er seine Entscheidungen aus der Vergangenheit überdenkt", ergänzte der SPD-Politiker und erinnerte an seine gute Zusammenarbeit mit Gerhard Schröder zu dessen aktiver Zeit in der deutschen Politik.
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Beim Thema Energie gehe es generell darum, sich unabhängiger von russischen Importen zu machen, erläuterte der Regierungschef außerdem. Scholz verwies in diesem Zusammenhang auf den Bau von Flüssiggasterminals an der norddeutschen Küste, um Gas von anderen Quellen zu beziehen, sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien.
Sanktionen haben jetzt schon "massive Auswirkungen"
Außerdem habe man sich gut vorbereitet, um gemeinsam mit den internationalen Partnern auf die russische Invasion in der Ukraine eine harte Antwort in Form von Sanktionen geben zu können. Diese hätten "schon jetzt, obwohl die meisten Maßnahmen noch gar nicht endgültig umgesetzt sind, massive Auswirkungen", sagte der Bundeskanzler. "Die Börsenkurse in Russland sind eingebrochen, die Währung ist in größten Schwierigkeiten, es wird das wirtschaftliche Wachstum an ganz vielen Stellen beeinträchtigt sein", konstatierte Scholz.
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Von Russland erwarte man, damit umgehen zu können, "dass in seiner Nachbarschaft eine große Gemeinschaft demokratischer Staaten und offener Gesellschaften existiert", führte der deutsche Regierungschef weiter aus. Allerdings erteilte er allen Illusionen eine Absage, dass es in dem Krieg, der von Tag zu Tag dramatischer werde und mehr Opfer verlange, einen schnellen Konsens geben könne.
Bundeskanzler Scholz: Lösung lässt sich nicht erzwingen
"Die Ausgangspositionen sind sehr unterschiedlich, und es kann ja nicht darauf hinauslaufen, dass man einfach alles akzeptiert, was gefordert wird", machte Scholz klar. Gefragt seien jetzt Beharrlichkeit und die Entschlossenheit, Verhandlungsstrukturen zu schaffen, die zu einer Lösung führen könnten. Erzwingen lasse diese sich nicht.
In Bezug auf die eigene Wehrhaftigkeit und Bündnistreue erneuerte der Bundeskanzler sein Versprechen, jeden Quadratmeter des Nato-Gebietes verteidigen zu wollen.
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Scholz erinnerte aber auch daran, dass die Nato "kein Kriegsbündnis" sei. "Wir wollen keine anderen Länder bedrohen und werden das auch nicht tun. Damit das ganz klar ist, es geht um Verteidigung, und die Verteidigungsfähigkeit ist notwendig, damit es niemals zu einem Krieg kommt", stellte er klar.
- "Maybritt Illner" vom 3. März 2022