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Ukraine-Krieg | Bundeswehr: Scholz ist in der neuen Realität angekommen


Deutschlands neuer Kurs
Endlich aufgewacht!

MeinungEin Kommentar von Fabian Reinbold

27.02.2022Lesedauer: 3 Min.
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Ukraine-Krieg: Kanzler Scholz macht Präsident Putin Vorwürfe und findet deutliche Worte zum Krieg in der Ukraine. (Quelle: reuters)

Olaf Scholz vollzieht die abrupte Wende: Die Bundeswehr wird wegen des Ukraine-Kriegs gewaltig aufgerüstet. Das ist überfällig, doch etwas anderes ist noch wichtiger.

Man muss mit großen Worten vorsichtig sein, doch hier sind sie angebracht: Dieser Sonntag markiert tatsächlich eine Zeitenwende.

Olaf Scholz und seine Regierung haben eine radikale Kehrtwende in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik angekündigt. Sie brechen mit dem deutschen Kurs der vergangenen 30 Jahre. Die neue Politik wird viele Dutzend Milliarden Euro verschlingen und ist mit allerlei Unwägbarkeiten verbunden.

Und doch ist sie richtig und zwangsläufig.

Mehr noch: Vieles, was Scholz am Sonntag als überfällige Politik darstellte, hätte Deutschland längst angehen müssen. Das alte Sich-Heraushalten-Wollen war zuletzt für jedermann sichtbar aus der Zeit gefallen. Denn immer wieder wirkte es, als begleite die Bundesregierung den Aufmarsch der Truppen Wladimir Putins und die Eskalation der Ukraine-Krise wie im Halbschlaf. Jetzt, vier Tage nach der Invasion, sind der Kanzler und seine Regierung endlich aufgewacht – und in der neuen Realität angekommen.

Auf den ersten Blick übermütig

Scholz hat die logischen Schlüsse aus Putins Angriffskrieg auf die Ukraine gezogen. Deutschland muss dem überfallenen Land Waffen liefern, auch wenn uns das angesichts unserer Vergangenheit schwerfällt. Deutschland muss Putins Regime wirtschaftlich isolieren, auch wenn wir Angst haben vor dessen Reaktion. Und vor allem muss Deutschland sich endlich um seine eigene Sicherheit kümmern und eine Bundeswehr aufbauen, die zur Abschreckung der Gegner genauso taugt wie zur Unterstützung der Partner. Momentan leistet die deutsche Armee weder das eine noch das andere.

Auf den ersten Blick mag Scholz' Programm übermütig wirken: 100 zusätzliche Milliarden Euro will er allein in ein Sondervermögen für die Bundeswehr pumpen, das ist mehr als doppelt so viel wie das aktuelle Jahresbudget für Verteidigung. Jährlich sollen dann sogar mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung fließen, Deutschland will das Nato-Ziel also sogar übererfüllen.

Dabei hat es bislang nicht nur an Geld gemangelt, sondern an einer klaren Strategie, was die Bundeswehr überhaupt tun soll und was nicht. Dieses inhaltliche Defizit muss die Ampel jetzt genauso schnell füllen wie das finanzielle.

Strategische Kurzsicht

Nur: Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, hatte Deutschland seinen Nato-Partnern schon 2014 versprochen, als Reaktion auf Putins ersten Angriff auf die Ukraine und die Annexion der Krim. Dann brach die große Koalition das Versprechen und verspielte viel Vertrauen bei den Partnern.

Wann, wenn nicht jetzt, soll Deutschland endlich liefern?

Überfällig ist auch, zwei Terminals für Flüssiggas (LNG) zu bauen. Es zeugt von strategischer Kurzsicht, dass Deutschland anders als fast alle europäischen Nachbarn noch immer kein LNG-Terminal hat, um Gas aus anderen Quellen als Putins Russland zu beziehen. Vor dieser Abhängigkeit haben quasi alle Verbündeten Deutschland seit Jahren unablässig gewarnt.

Lange wollte die Regierung, nein: wollten wir alle das nicht hören. Selbst Scholz tat am Anfang der Krise noch so, als sei die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 ein privatwirtschaftliches Projekt, das man doch bitte nicht in den Ukraine-Konflikt hineinziehen solle. Am Sonntag sprach nun auch er davon, dass die Abhängigkeit von Putins Gas eine Sicherheitsgefahr für Deutschland sei. Endlich!

Der neue Ton

Scholz legte ebenso wie seine Außenministerin Annalena Baerbock, Finanzminister Christian Lindner und auch Vizekanzler Robert Habeck einen neuen Ton der Entschlossenheit an den Tag, den er in der Ukraine-Krise beizeiten vermissen ließ. Der Kanzler nannte Putin einen Kriegstreiber. Dieser wolle nicht nur "ein unabhängiges Land von der Weltkarte tilgen, er zertrümmert die europäische Sicherheitsordnung".

Was für ein Kontrast zu den Vorwochen, in denen die deutsche Kommunikation, insbesondere in Scholz' SPD, noch durch durch die Phrasen von "Entspannung", "Dialog" oder "Wandel durch Handel" geprägt war, während Putin längst den Überfall plante. Oder vom allzu bequemen Glauben, in Wahrheit wolle niemand einen Krieg und man müsse doch einfach nur miteinander reden. Jetzt sagte Scholz: Man brauche Diplomatie, ohne naiv zu sein. "Kein Reden um den Redens willen."

Endlich ist die Bundesregierung auch rhetorisch in der Realität angekommen. Besser spät als nie.

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