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Corona-Lockdown in Österreich: Ähnliches droht Deutschland


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Corona-Chaos in Österreich
Ein Weckruf für Deutschland


Aktualisiert am 19.11.2021Lesedauer: 6 Min.
Polizei bei einer Corona-Demo in Wien: Nach der Einführung der Impfpflicht bereitet sich das Land auf neue Proteste vor.Vergrößern des Bildes
Polizei bei einer Corona-Demo in Wien: Nach der Einführung der Impfpflicht bereitet sich das Land auf neue Proteste vor. (Quelle: imago-images-bilder)

Österreich im Ausnahmezustand: Die Corona-Lage verschärft sich weiter. Deshalb zieht die Regierung nun die Notbremse und verhängt einen Lockdown für alle Bürger. Das ist auch für Deutschland ein Weckruf.

Plötzlich sind sie eingesperrt: Seit Wochenbeginn gilt für Ungeimpfte in Österreich ein harter Lockdown mit Ausgangssperren – die Gesellschaft ist geteilt. Die Regierung hält den Schritt für notwendig, weil es niemals zuvor so viele Infektionen im Land gab. Und niemals zuvor waren die Krankenhäuser so überlastet. Trotz Impfungen steckt die Alpenrepublik wieder in einem Corona-Albtraum.

Das Problem: Die Maßnahmen gegen Ungeimpfte bremsten die Neuinfektionen vorerst kaum. Die österreichische Bundesregierung zieht deshalb nun die Notbremse. Ab kommender Woche ist Österreich wieder komplett im Lockdown, für höchstens 20 Tage. "Das schmerzt enorm", meinte Kanzler Alexander Schallenberg. Er wollte diesen Schritt eigentlich unbedingt verhindern, ohne Erfolg.

Aber auch dabei blieb es nicht. Österreich zieht außerdem eine drastische Konsequenz aus dem Scheitern der Impfkampagne: Eine allgemeine Impfpflicht kommt. Das ist eine große Überraschung – und aktuell auch ein Sonderweg in Europa.

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Die Impfpflicht wird zu massiven Verstimmungen in der Bevölkerung führen. In der Gesellschaft herrscht momentan vor allem ein Gefühl vor: Angst. Viele Menschen haben Angst vor dem Virus und einer noch größeren Überlastung des Gesundheitssystems. Einigen graut es vor der Impfpflicht. Unternehmen bangen um ihre Existenz. Und die Regierung fürchtet uneinsichtige Impfgegner.

So befindet sich Österreich in einer Höllenspirale aus gesellschaftlicher Verunsicherung und einer Pandemie, die außer Kontrolle geraten ist. Aus deutscher Perspektive sind diese Entwicklungen in doppelter Hinsicht ein Weckruf.

Dramatische Entwicklungen

Das gilt erstens für die Infektionslage: Die Entwicklungen in Deutschland und Österreich sind ähnlich, in der Alpenrepublik schlug die vierte Welle aber eher zu. Der Blick ins Nachbarland ist aus deutscher Sicht also auch ein Stück weit ein Blick in die nahe Zukunft. Der Lockdown für Ungeimpfte zeigte in Österreich keine Wirkung, beide Länder vermelden in dieser Woche immer wieder Höchststände bei den Neuinfektionen.

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Am Donnerstag erreichte in Österreich die Zahl der Neuinfektionen binnen 24 Stunden mit 15.145 wieder einen Rekord. Die Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 1.000 pro 100.000 Einwohner. Besonders dramatisch ist die Lage in Salzburg und Oberösterreich mit Inzidenzen über 1.500. Auch die Zahl der Covid-19-Patienten in den Kliniken und auf den Intensivstationen nimmt weiter zu – viele müssen bereits Patienten in andere Krankenhäuser verlegen. Das ist auch bereits in Deutschland der Fall.

Das große Impfproblem

Zweitens muss aber auch die gesellschaftliche Entwicklung ein Weckruf sein. Das zentrale Problem Österreichs bei der Bekämpfung der Pandemie bleibt die Impfkampagne, weil sie in Teilen der Bevölkerung bis heute schlichtweg nicht angenommen wird. Deshalb beschloss Österreich nun die Impfpflicht ab dem 1. Februar.

Trotz aller Überzeugungsarbeit und Kampagnen hätten sich zu wenige Menschen impfen lassen, begründete Kanzler Schallenberg. "Wir wollen keine fünfte Welle, wir wollen keine sechste und siebte Welle." Das Virus werde nicht weggehen, sondern bleiben.

Beim Scheitern der Impfkampagne zeigen sich drei Muster:

1. Auch die Katastrophe überzeugt Impfskeptiker nicht

Ähnlich wie in Deutschland gibt es in Österreich viele Impfskeptiker, die Impfquote bei vollständig Geimpften liegt nur bei knapp 68 Prozent. Selbst die gegenwärtige Katastrophe führt bei vielen Menschen nicht zu Einsicht, im Gegenteil: In Wien gingen noch am Sonntag Hunderte gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße.

"Ich möchte nicht, dass eine Impfpflicht kommt, auch nicht in Gesundheitsberufen", erklärte eine Frau dem österreichischen Fernsehsender ORF. "Ich kann über meinen Körper bestimmen, niemand anders." Nico, ein Passant, sagte zur Zeitung "Der Standard": "Das ist alles eine große Propaganda, wir haben sehr viele Beweise. Auf Telegram werden Berichte von echten Wissenschaftlern geteilt, die ansonsten blockiert werden."

Das hört sich für Menschen in Deutschland bekannt an, auch in Österreich kursieren diverse Verschwörungstheorien. Doch die größte Angst von Impfskeptikern wird nun Realität: Die Impfpflicht kommt.

Für Samstag haben Impfskeptiker zu großen Protesten aufgerufen. Unterstützt werden sie auch von deutschen Aktivisten, die eine Einführung einer Impfpflicht in Deutschland fürchten und deshalb auch in das Nachbarland reisen möchten, um dagegen zu protestieren. Aufrufe dazu fanden sich am Freitag in zahlreichen Telegram-Gruppen dieser Szene.

2. Die gesellschaftliche Spaltung vertieft sich

Die Pandemie sorgt zunehmend für eine gesellschaftliche Spaltung, die auch auf den Straßen sichtbar wird. Auf der einen Seite stehen die Befürworter einer Impfpflicht, auf der anderen findet sich eine radikale Minderheit von Impfgegnern. In der Mitte: die verunsicherte Mehrheit der Österreicher.

Schon der Lockdown für Ungeimpfte sorgte für Diskussionen. "Ich muss mich jetzt impfen lassen, sonst funktioniert gar nichts mehr", räumte eine 31-jährige Masseurin aus Oberösterreich ein, die ohne Termin in der Schlange vor einer Impfstation eines Wiener Kaufhauses wartete. Zugleich aber schwang bei vielen Skepsis mit. "Das ist eine Placebo-Maßnahme. Es muss den generellen Lockdown geben, auch um eine Impfpflicht zu verhindern", meinte ein 49-Jähriger. Nun kommt beides.

Auch Geimpfte in Österreich sahen den Lockdown für Ungeimpfte kritisch. "Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Die Ungeimpften werden jetzt in der Öffentlichkeit verteufelt", meinte ein Mann zum "Standard". Auch Geimpfte, zu denen er auch gehört, wären ein Risikofaktor. "Deshalb bin ich da gespalten."

Allgemein einig ist man sich in der Bevölkerung nur darüber, dass es eine schwierige Situation ist. Die Verunsicherung kommt vor allem dadurch, dass Experten und Politiker sich in ihren Maßnahmen lange nicht einig waren.

3. Politisches Durcheinander macht alles noch schlimmer

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Die österreichische Regierung hatte bis dato keinen klaren Corona-Kurs. Bis zum Herbst war die politische Führung mit sich selbst beschäftigt, der ehemalige Kanzler Sebastian Kurs trat aufgrund einer Affäre zurück.

Inhaltlich herrschte Uneinigkeit: Eine Verschärfung der Maßnahmen war stets begleitet von einer vielstimmigen Reaktion, die manche Bürger verunsichert hat. Beispielhaft zu beobachten war das am Vorstoß von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne), der die Schließung der Nachtgastronomie und nächtliche Ausgangsbeschränkungen für alle erstmals ins Gespräch brachte. Er erntete sofort koalitionsinterne Kritik von der konservativen ÖVP, auch bei der Opposition fand er wenig Gnade. Und nun kommt er doch, der Lockdown für alle.

Es ist vor allem die rechtspopulistische FPÖ, die gegen die Maßnahmen trommelt – und das Pendant zur AfD in Deutschland ist in der Alpenrepublik gesellschaftlich tiefer verankert. Der FPÖ-Vorsitzende Herbert Kickl hatte als Reaktion auf den Lockdown für Ungeimpfte am nächsten Samstag zur großen Demonstration in Wien aufgerufen. Dort wollte er das "Corona-Apartheidsystem" anprangern. Daraus dürfte jetzt nichts werden, denn Kickl muss aufgrund einer Corona-Infektion in Quarantäne.

Österreich zeigt, welche politischen Fehler schwere Folgen in der Pandemie haben: Stellen sich die Parteien nicht geschlossen hinter eine Impfkampagne, tut es die Gesellschaft auch nicht. Ähnlich wie in der Bundesrepublik setzte die Regierung außerdem falsche Anreize. So wurden auch in Österreich die kostenlosen Corona-Tests abgeschafft, um die Impfbereitschaft zu steigern – das funktionierte nicht.

Letztlich wurde politisch ebenso viel zu spät auf die Lage reagiert. Auch in Österreich warnten zahlreiche Experten bereits Anfang Juli vor einer drohenden Corona-Katastrophe in den Herbst- und Wintermonaten. Beachtung fanden sie nicht.

Der allgemeine Lockdown, den die meisten Experten seit längerer Zeit für notwendig erachten, kommt jetzt, weil zwei Regionen vorgeprescht sind: Oberösterreich und Salzburg hatten gedroht, notfalls im Alleingang einen Lockdown zu verhängen. Dann erst zog der Bund nach.

Das Vorpreschen der Länder ist beispielhaft für das Misstrauen gegenüber der Corona-Politik der Bundesregierung. Doch auch das Vertrauen der Bevölkerung, der in anderen Ländern wie Spanien oder Portugal wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Impfkampagne, wurde in Österreich verspielt.

Düstere Prognosen

Die Konsequenzen für Österreich könnten verheerend sein: Am Mittwoch prognostizierten Expertinnen und Experten aus dem Gesundheitsministerium einen Kollaps der Kliniken. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Intensivstationen in den westlichen Bundesländern Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und Tirol in zwei Wochen an ihre Auslastungsgrenzen stoßen, bewerteten die Prognostiker mit 80 bis 97,5 Prozent.

So läuft Österreich weiterhin der pandemischen Lage hinterher. Für Deutschland kann das ein Weckruf sein, wie die Bekämpfung der Delta-Variante nicht funktioniert. Die Frage ist, ob er hierzulande gehört wird.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, Reuters und afp
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