Parlamentswahl Sozialdemokraten jubeln in Norwegen
Oslo (dpa) - Überglückliche Sozialdemokraten, die frenetisch den Namen ihres Spitzenkandidaten rufen und den kommenden Regierungschef stellen werden: Szenen wie in Norwegen dürfte sich auch die SPD bei der Bundestagswahl in knapp zwei Wochen wünschen.
Nach dem Sieg bei der norwegischen Parlamentswahl macht sich die sozialdemokratische Arbeiterpartei auf, eine von ihr angeführte Regierungskoalition auf den Weg zu bringen. Parteichef Jonas Gahr Støre ließ am Dienstag keinen Zweifel daran, dass er die Sozialdemokratie wieder auf dem Vormarsch sieht.
Hillary Clinton hat gratuliert
Bereits in den Stunden nach dem Wahlsieg gingen etliche Glückwünsche bei dem 61-Jährigen ein, der aller Voraussicht nach neuer Ministerpräsident der wohlhabenden Nation im Norden Europas wird. "Ich habe Grüße von einer Person erhalten, die mir viel bedeutet: Hillary Clinton", erzählte Støre am Vormittag vor seinem Haus in Oslo Reportern.
Neben der Ex-US-Außenministerin und Parteifreunden aus Skandinavien habe sich auch der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bei ihm gemeldet. Viele betrachteten die Lage in Norwegen als "Inspiration".
Støre sah im Erfolg seiner Partei somit auch ein Zeichen über die norwegischen Grenzen hinaus. "Ich meine, dass das zeigt, dass die Sozialdemokratie zurückkommt - in einer etwas neuen Form, aber als führende politische Kraft." Man habe gesehen, dass Sozialdemokraten beim Klima- und Umweltschutz sowie bei der damit verbundenen Umstellung der Industrie punkten könnten.
Ob dies - auch angesichts der relativ guten Umfragewerte der SPD in Deutschland - der Beginn einer neuen sozialdemokratischen Welle in Europa sei? "Das weiß ich nicht", sagte Støre. "Aber es ist auf jeden Fall ein Bruch mit der Vorstellung, dass sozialdemokratische Parteien auseinandergefallen sind."
Die Arbeiterpartei war bei der Norwegen-Wahl am Montag klar stärkste Kraft geworden. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um das zweitschlechteste Wahlergebnis der Partei der vergangenen knapp 100 Jahre handelte. Sie kam nach vorläufiger Auszählung aller Stimmen auf 26,3 Prozent, nur 2001 waren es weniger gewesen.
Starke Bündnispartner
Doch Støre kann diesmal auf etwas setzen, das seiner Partei in den vergangenen acht Jahren gefehlt hatte: starke Bündnispartner. Seine bevorzugten Koalitionspartner, das Zentrum und die Sozialistische Linke, kommen nach jeweiligen Zugewinnen auf 13,6 und 7,5 Prozent.
Dieses Mitte-links-Bündnis - Støres "Plan A", wie er es bezeichnete - kommt zusammen auf 89 der 169 Sitze im Parlament in Oslo. Damit stehen alle Zeichen auf Regierungswechsel. Die seit 2013 regierende Konservative Erna Solberg gratulierte Støre noch am Wahlabend zum Sieg. Ihre Partei Høyre rutschte den vorläufigen Zahlen zufolge von 25,0 auf 20,4 Prozent ab, womit sie neun Mandate verlieren dürfte.
Støres erhofftes Dreigestirn dagegen sammelte auf unterschiedliche Weise Stimmen: Seine eigene Partei - traditionell die stärkste Kraft in Norwegen - setzte auf die Gunst der Arbeiter und beteuerte im vom Klima- und Umweltschutz geprägten Wahlkampf, sowohl den CO2-Ausstoß des Landes stärker verringern als auch neue Jobs schaffen zu wollen.
Die einst als Bauernpartei firmierende Zentrumspartei punktete unter ländlichen Wählern in der Fläche des langgezogenen Landes, die Sozialistische Linke in den großen Städten und mit der Forderung deutlich stärkerer Klimamaßnahmen - das sprach vor allem Jüngere an.
Erste große Aufgabe für Støre wird nun sein, bis etwa Mitte Oktober eine Regierungskoalition zusammenzuzurren - bis dahin bleibt vorerst noch Solberg im Amt. Einfach wird das wegen der unterschiedlichen Ausrichtung der Bündnispartner nicht. Solberg gab Støre am Dienstag den Rat mit auf den Weg, sich im alles verschlingenden Amt des Ministerpräsidenten treu zu bleiben. "Mein bester Ratschlag ist, dass er in seiner Arbeitsweise er selbst sein muss", sagte sie.
Neue Ära der Sozialdemokratie in Skandinavien
Nachdem vor zwei Jahren erst die finnischen und dann die dänischen Sozialdemokraten die Regierungsmacht zurückerobert hatten, werden nun alle nordischen Länder federführend von sozialdemokratischen Politikerinnen und Politikern regiert.
Schwedens Regierungschef Stefan Löfven musste jedoch in diesem Sommer erfahren, wie schwierig ein Regieren ohne verlässliche Mehrheiten sein kann - Støre dürfte genau das vermeiden wollen, in dem er anders als der Schwede auf eine Regierungskoalition mit solider Parlamentsmehrheit setzt. Der Plan einer Mehrheitsregierung mit der Zentrumspartei und der Sozialistischen Linken stehe, beteuerte Støre am Dienstagabend.