"Nacht der langen Messer" Russland schnürt Nawalny-Organisation die Luft ab
Die russische Regierung hat Dutzende Internetseiten gesperrt, auf denen Kritik am Kreml geübt wurde. Besonders betroffen sind offenbar Seiten um den inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny.
Die russische Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor hat 49 Websites gesperrt, die mit dem inhaftierten Oppositionellen Alexej Nawalny in Verbindung stehen. "Aufgrund einer Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft wurden 49 Internetauftritte auf einmal blockiert", schrieb Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow am Montag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Darunter seien auch Nawalnys Website und die seiner wichtigsten Organisationen, die im Juni von der russischen Justiz als "extremistisch" eingestuft worden waren.
Nicht mehr ohne Weiteres zugänglich waren zudem die Portale der Oppositionellen Ljubow Sobol und der unabhängigen Allianz der Ärzte, die etwa Missstände in der Corona-Pandemie in Russland aufgedeckt hatte. Die Blockierung kann etwa über eine geschützte Netzwerkverbindung (VPN) umgangen werden.
"Die Nacht der langen Messer"
Die Maßnahmen zielten darauf ab, die Aktivitäten von Nawalnys Anhängern vor den Parlamentswahlen im September weiter zu behindern, erklärte Wolkow, der selbst im litauischen Exil lebt. Er deutete an, dass die Opposition versuchen werde, die Sperrungen zu umgehen. "Die Nacht der langen Messer", schrieb Wolkow unter seinen Post – in Anspielung auf die von Adolf Hitler beauftragte Mordserie an politischen und militärischen Rivalen im Jahr 1934.
Der Aktivist erwartete, wie er sagte, das vor den Wahlen bald noch die Seite zur sogenannten smarten Abstimmung gesperrt werde. Dort will die Opposition Wählern Empfehlungen geben, für welchen Kandidaten sie am besten ihre Stimme abgeben sollten, um den Bewerber der Kremlpartei Geeintes Russland am Einzug in die neue Staatsduma zu hindern.
Nawalnys Unterstützernetzwerk als extremistisch eingestuft
Vor den Parlamentswahlen im September erhöht die russische Regierung offensichtlich den Druck auf die Opposition. Ein Moskauer Gericht hatte Nawalnys regionales Unterstützernetzwerk und seine Antikorruptions-Stiftung im Juni als "extremistisch" eingestuft und mit sofortiger Wirkung verboten. Kurz zuvor war in Russland ein Gesetz in Kraft getreten, das Mitglieder von als "extremistisch" eingestuften Organisationen von Wahlen ausschließt.
Zudem wurden Tausende Internetseiten gesperrt, darunter viele von Oppositionellen, aber auch von unabhängigen und kritischen Medien. Die Behörden begründen die Sperren mit Verstößen gegen russische Gesetze, nach denen etwa Seiten mit extremistischen Inhalten nicht zugänglich sein dürfen. Andersdenkende beklagen dagegen, dass Kritik am russischen Machtapparat zunehmend kriminalisiert und die Meinungsfreiheit insgesamt immer stärker bedroht werde.
Zahlreiche Enthüllungen über korrupte Staatsführung
Nawalny hatte im vergangenen August einen Anschlag in Russland mit einem Nervengift überlebt, für den er den Kreml verantwortlich macht. Nach seiner Behandlung in Deutschland wurde er bei seiner Rückkehr im Januar in Russland festgenommen und später wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen zu mehr als zwei Jahren Lagerhaft verurteilt. Das Urteil stieß international auf scharfe Kritik.
Nawalny gilt als wichtigster Widersacher von Präsident Wladimir Putin. Auf den Seiten seiner Organisation waren von einem Millionenpublikum beachtete Enthüllungen unter anderem mit schweren Korruptionsvorwürfen gegen Regierungsmitglieder, Kremlbeamte und andere Staatsfunktionäre veröffentlicht worden. Zuletzt erschien dort der Film "Wolodin. Der in Putin verliebte Milliardär" über Parlamentspräsident Wjatscheslaw Wolodin. Bei Youtube hatte der Streifen am Montag mehr als drei Millionen Aufrufe.
- Nachrichtenagenturen AFP, dpa