"Wandel ist unumgänglich" Zersplittertes Parlament nach Wahl in Bulgarien
Nach der Wahl in Bulgarien gibt es mehr Fragen als Antworten: Kann Wahlsieger und Ministerpräsident Borissow wieder eine Regierung bilden? Oder schmieden die vielen anderen Parteien eine Koalition?
Die Partei von Ministerpräsident Boiko Borissow bleibt nach den Wahlen in Bulgarien stärkste politische Kraft, steht aber vor komplizierten Verhandlungen für ein neues Regierungsbündnis. Borissows Partei GERB erhielt den Prognosen von Gallup International und weiteren Meinungsforschungsinstituten zufolge rund 25 Prozent der Stimmen. Zudem zeichnete sich ein zersplittertes Parlament mit wohl sieben Parteien ab – es ist daher fraglich, ob Borissow nach der Wahl unter Corona-Bedingungen erneut eine Koalition schmieden kann.
Um den zweiten Platz gibt es ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen: Sowohl der Protestpartei "Es gibt so ein Volk" (ITN) des TV-Moderators und Kabarettisten Slawi Trifonow als auch den oppositionellen Sozialisten werden 15 bis 17 Prozent eingeräumt. Zwei weitere Protestparteien, die Türkenpartei DPS sowie die nationalistische WMRO, ziehen den Prognosen zufolge ebenfalls ins Parlament ein.
"Ihr wolltet die Macht und der Wandel ist unumgänglich"
Angesichts der Kräfteverteilung zeichnet sich eine schwierige Regierungsbildung ab. Die Parteien, die die Vier-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament voraussichtlich überwunden haben, haben sehr unterschiedliche Prioritäten. Den einen ist die von Borissow angestrebte Einführung des Euro zum 1. Januar 2024 besonders wichtig, die Sozialisten setzen derweil vor allem auf eine engere Zusammenarbeit mit Russland. ITN hat mit Forderungen nach einem Systemwechsel um Wählerstimmen geworben.
ITN verkündete im Fernsehsender 7/8, dass sie keine Koalition mit den "Parteien des Status quo" – also Borissows GERB, den Sozialisten sowie der Partei der türkischen Minderheit DPS – eingehen werde. "Ihr wolltet die Macht und der Wandel ist unumgänglich", sagte Trifonow seinen Wählern bei Facebook.
"Ernsthafter Wandel"
"Das bulgarische politische System wird (...) einem ernsthaften Wandel unterzogen", erklärte der Mitvorsitzender der konservativ-liberal-grünen Koalition Demokratisches Bulgarien (DB), Hristo Iwanow, dem Staatsradio. Das Bündnis war Teil der Sommerproteste mit Korruptionsvorwürfen gegen Borissows Koalitionsregierung. Jetzt kann DB mit rund zehn Prozent der Stimmen rechnen. Iwanow schloss aber Neuwahlen nicht aus.
Von Neuwahlen sprach auch der Chef der nationalistischen WMRO, Krassimir Karakatschanow, dessen Partei den Einzug ins Parlament den Prognosen zufolge gerade noch geschafft hat. WMRO ist seit 2017 Borissows Juniorpartner. Borissow regiert mit Unterbrechung seit 2009.
Die Wahlbeteiligung lag laut Gallup International bei rund 48 Prozent. Amtliche Angaben dazu lagen nicht vor. Mit offiziellen Zwischenergebnissen war am Sonntagabend kaum noch zu rechnen. Die Endergebnisse werden in bis zu vier Tagen nach der Wahl erwartet.
- Nachrichtenagentur dpa