Impeachment-Verfahren US-Senat spricht Trump frei
Washington (dpa) - Knapp sechs Wochen nach der Erstürmung des Kapitols durch wütende Anhänger Donald Trumps hat der US-Senat den Ex-Präsidenten im Amtsenthebungsverfahren von der Verantwortung freigesprochen.
Eine Mehrheit von 57 Senatoren stimmte zwar für eine Verurteilung des Republikaners, sie verfehlten damit aber die im Senat für eine Verurteilung nötige Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen. Nach nur fünf Verhandlungstagen befanden neben 50 Demokraten am Samstag (Ortszeit) lediglich sieben Republikaner Trump der "Anstiftung zum Aufruhr" für schuldig.
Die Demokraten hatten das Amtsenthebungsverfahren wegen Trumps Rolle bei der gewaltsamen Erstürmung des Kapitols am 6. Januar angestrengt. Sie wollten damit auch erreichen, dass der inzwischen aus dem Amt geschiedene Präsident für künftige politische Ämter auf Bundesebene gesperrt wird. Nun bleibt es Trump möglich, sich bei der Wahl 2024 erneut um die Präsidentschaft zu bewerben.
Geführt wurde das sogenannte Impeachment-Verfahren im Senat. Die Kongresskammer nahm dabei die Rolle eines Gerichts ein. Obwohl auch viele Republikaner Trump für seine Rolle bei den Ereignissen am 6. Januar kritisiert hatten, schien eine Verurteilung unwahrscheinlich. Dafür hätten sich den Demokraten 17 Republikaner anschließen müssen. Die sieben republikanischen Abweichler sorgten allerdings dafür, dass die Abstimmung als das Impeachment eines Präsidenten mit den meisten Stimmen für einen Schuldspruch in die Geschichte eingehen wird.
Präsident Joe Biden sprach vom "Ende eines traurigen Kapitels" der US-Geschichte. "Auch wenn die Endabstimmung nicht zu einer Verurteilung geführt hat, ist das Wesentliche der Anschuldigung unbestritten", erklärte er. Nunmehr müssten dieser Konflikt beendet und die Seele der Nation geheilt werden. "Dies ist die Aufgabe, die vor uns steht, die wir gemeinsam angehen müssen", mahnte Biden.
Trump selbst zeigte sich erfreut und nutzte seinen Freispruch für die Ankündigung, dass seine politische Bewegung erst am Anfang stehe. Das Verfahren gegen ihn bezeichnete er als "Hexenjagd". "Unsere historische, patriotische und schöne Bewegung, Amerika wieder großartig zu machen, hat jetzt erst angefangen", erklärte er.
Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, kritisierte die Republikaner scharf. "Der 6. Januar wird ein Tag der Schande in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika sein. Das Versäumnis, Donald Trump zu verurteilen, wird als Schande in die Geschichte des Senats der Vereinigten Staaten eingehen", sagte er. Die Anstiftung zum Angriff auf den Sitz des Kongresses sei die "verabscheuungswürdigste Tat, die ein Präsident jemals begangen hat". Die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, sprach von einer "feigen Gruppe von Republikanern".
Der republikanische Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, erklärte, Trump sei "praktisch und moralisch" für die Erstürmung des Kapitols verantwortlich. Trump habe seine Anhänger wochenlang mit Lügen zu seiner angeblich gewonnenen Wahl aufgehetzt, sagte er. McConnell stimmte jedoch für "nicht schuldig", weil er das Verfahren nach dem Ende von Trumps Amtszeit für verfassungswidrig hielt.
Der britische Premierminister Boris Johnson, der sich gut mit Trump verstanden hatte, sagte in einem veröffentlichten Interview des Senders CBS, der Prozess im Senat habe klar gezeigt, dass die "amerikanische Demokratie stark ist". Er freue sich nun auf die gute Zusammenarbeit mit Biden, sagte Johnson.
Vor der Abstimmung hatte der Chefankläger des Repräsentantenhauses, Jamie Raskin gesagt, die Beweislast für Trumps Verantwortung für den Sturm auf das Kapitol sei "überwältigend und unwiderlegbar". Die Ankläger hatten ihre Vorwürfe detailliert dargelegt und dazu auch dramatische Videoaufnahmen und eine akribische Nacherzählung des Angriffs auf das Kapitol genutzt. Sie beschuldigten Trump, mit seinen Wahlbetrugsbehauptungen über Monate hinweg den Boden für den Angriff bereitet und den Gewaltausbruch schließlich gezielt angezettelt zu haben. Zudem warfen sie ihm vor, keine Reue gezeigt zu haben.
Trumps Anwalt Michael van der Veen hingegen wies alle Vorwürfe zurück. Trumps Äußerungen zu seinen Anhängern seien normale politische Aussagen gewesen, die von dem Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt seien, sagte er. Es handele sich um ein ungerechtes, verfassungswidriges und politisch motiviertes Verfahren. Die Behauptungen, dass Trump die Demonstranten angestachelt habe, hatte der Anwalt als "absurde und monströse Lügen" bezeichnet.
Auch wegen der geringen Erfolgsaussicht auf eine Verurteilung Trumps schloss der Senat das Verfahren in Rekordzeit ab. Am Samstag stimmten die Senatoren für eine Befragung von Zeugen, was das Verfahren verzögert hätte. Nach einer kurzfristigen Verwirrung wurde die Anhörung von Zeugen aber wieder verworfen. Beide Parteien hatten ein Interesse daran, das Impeachment zu einem schnellen Abschluss zu bringen. Die Demokraten wollten verhindern, dass das Verfahren den Beginn von Bidens Amtszeit überschattet und den Senat blockiert. Viele Republikaner wiederum wollten in die Ära nach Trump starten.
Trump hat seine Niederlage bei der US-Wahl vom 3. November nie eingeräumt. Er hatte schon Monate vor der Abstimmung ohne Beweise von großangelegtem Wahlbetrug gesprochen. Er und seine Republikaner scheiterten mit ihren Behauptungen vor Dutzenden Gerichten.