Nach Urteil gegen Alexej Nawalny Verletzte und mehr als Tausend Festnahmen bei Protesten
Ein Gericht hat Alexej Nawalny zu mehreren Jahren Haft im Straflager verurteilt. In Moskau und St. Petersburg strömen Tausende auf die Straße. Die Polizei geht massiv gegen die Demonstranten vor.
Bei Protesten in Russland gegen die Verurteilung des Kremlgegners Alexej Nawalny hat es Menschenrechtlern zufolge viele Verletzte gegeben. Das Portal ovd-info berichtete in der Nacht zum Mittwoch von Festgenommenen, die durch Polizei-Gewalt etwa an den Händen, Armen oder am Kopf Verletzungen erlitten hätten. Die Sicherheitskräfte hätten sich in einigen Fällen geweigert, medizinische Hilfe zu organisieren. Die Agentur Interfax meldete, allein in Moskau hätten 13 Menschen Ärzte aufgesucht. In St. Petersburg im Norden des Landes seien acht Demonstranten mehr als drei Stunden lang in Gefangenentransporter festgehalten worden.
Mehr als 1.400 Menschen festgenommen
Kurz nach der Verurteilung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny zu Haft in einem Straflager sind die russischen Sicherheitskräfte massiv gegen Demonstranten in mehreren Städten vorgegangen. Mehr als 1.400 Menschen wurden bei den Protesten gegen Staatschef Wladimir Putin in Gewahrsam genommen.
Allein in Moskau nahm die Polizisten nach Angaben von OVD-Info mehr als 1.100 Protestierende fest, in St. Petersburg gab es demnach 207 Festnahmen. Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten, wie in Moskau Polizisten mit Gummiknüppeln auf Demonstranten einprügelten. Von russischen Medien veröffentlichte Videos zeigten, wie Demonstranten von der Polizei durch die Straßen und auch in die U-Bahn hinein verfolgt wurden. In Videos war auch sehen, dass Protestierende von Polizisten aus Taxis gezerrt wurden. Am Kreml waren zahlreiche Polizisten mit Helmen postiert.
- Experte über Nawalny-Urteil: "Ein Akt politischer Aggression"
Ein Moskauer Gericht entschied am Dienstag, dass der nach einem Giftanschlag in Deutschland behandelte Nawalny eine bereits verhängte Bewährungsstrafe nun in einer Strafkolonie ableisten muss. Von der dreieinhalbjährigen Bewährungsstrafe wurde ihm ein früherer Hausarrest abgezogen.
Laut Nawalnys Anwältin Olga Michailowa läuft dies auf "ungefähr" zwei Jahre und acht Monate Haft hinaus. Sie kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.
"Putin ist ein Dieb!"
Die Sicherheitskräfte riegelten kurz vor der Urteilsverkündung am Abend den Roten Platz ab. An einer viel befahrenen Straße davor wurden Absperrgitter aufgestellt. Die Polizei forderte die Menschen auf, nach Hause zu gehen. Auf Bildern waren Hundertschaften von Einsatzkräften zu sehen. Nawalnys Team hatte die Unterstützer über soziale Medien aufgerufen, im Stadtzentrum zu protestieren.
Tausende Menschen beteiligten sich nach Schätzungen von Beobachtern an den Protestzügen. Dabei skandierte die Menge "Putin ist ein Dieb!", weil ihnen Präsident Wladimir Putin demokratische Freiheiten raube, wie Live-Bilder zeigten. Sie forderten zudem die Freilassung Nawalnys. Autos hupten aus Solidarität mit den Demonstranten. Auch in St. Petersburg im Norden des Landes stellten die Sicherheitsbehörden Absperrgitter im Zentrum auf.
Bundesregierung fordert Nawalnys Freilassung
Das Urteil rief international Empörung hervor. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte Nawalnys sofortige Freilassung und das "Ende der Gewalt gegen friedliche Demonstranten". Das Nawalny-Urteil sei "fernab jeder Rechtsstaatlichkeit", schrieb Merkels Sprecher Steffen Seibert im Onlinedienst Twitter.
Auch US-Außenminister Antony Blinken erklärte, Nawalny müsse "umgehend und bedingungslos" freikommen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verurteilte die Haftstrafe für den Oppositionellen "auf das Schärfste".
Russland weist Forderungen zurück
Die russische Regierung wies die internationale Kritik an dem Urteil als "Einmischung" zurück. Die Forderungen "westlicher Kollegen" nach Freilassung Nawalnys seien "von der Realität abgekoppelt", zitierten russische Nachrichtenagenturen eine Sprecherin des Außenministeriums.
Nawalny hatte sich in der Gerichtsanhörung vehement gegen seine Verurteilung gewehrt und die Russen zum Widerstand gegen Putin aufgerufen. Er machte den Staatschef erneut für den auf ihn verübten Anschlag verantwortlich. Der Präsident werde "als Vergifter von Unterhosen in die Geschichte eingehen", mokierte sich Nawalny. Nach seinen Angaben war das bei dem Anschlag genutzte Nervengift in seiner Unterhose versteckt worden.
Der auf Nachforschungen zu Korruption spezialisierte Oppositionelle war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Nun wurde dem 44-Jährigen unter anderem vorgeworfen, er habe sich während seines Aufenthalts in Deutschland nicht zweimal monatlich bei den Behörden gemeldet.
Nawalny weist Vorwürfe zurück
Der Kreml-Kritiker wies vor Gericht die Vorwürfe zurück, während seines Deutschland-Aufenthaltes gegen Bewährungsauflagen verstoßen zu haben. Er habe den russischen Behörden seine deutsche Adresse mitgeteilt, sagte er. Nach Deutschland war Nawalny nach dem in Sibirien verübten Giftanschlag gebracht worden, durch den er beinahe getötet worden wäre.
Nawalny wurde dann direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland am 17. Januar am Flughafen in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Es war eine von bereits mehreren kürzeren Haftstrafen gegen Nawalny, lange Zeitstrecken wie die nun drohenden fast drei Jahre war er aber noch nie in Haft.
- Nachrichtenagenturen afp und dpa