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Nawalny: Putin geht als Vergifter von Unterhosen in Geschichte ein


Prozess in Moskau
Nawalny: Putin geht als Vergifter in Geschichte ein

Von dpa, afp, lw, dru

Aktualisiert am 02.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Alexej Nawalny vor Gericht: Der 44-Jährige zeigte vor Gericht recht offen, was er von dem Prozess hält.Vergrößern des Bildes
Alexej Nawalny vor Gericht: Der 44-Jährige zeigte vor Gericht recht offen, was er von dem Prozess hält. (Quelle: Moscow City Court Press Service/TASS/imago-images-bilder)
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Heute entscheidet ein Gericht über eine Haftstrafe für Kremlkritiker Alexej Nawalny. Der 44-Jährige spottet in der Anhörung über den viel kritisierten Prozess und findet klare Worte zu Putin.

Kreml-Kritiker Alexej Nawalny steht an diesem Dienstag in Moskau vor Gericht. Die Strafvollzugsbehörde fordert dreieinhalb Jahre Haft – Nawalny aber weist die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück, er habe während seines Patienten-Aufenthaltes in Deutschland gegen Bewährungsauflagen verstoßen.

In der Befragung reagierte Nawalny teils mit beißendem Spott: Auf die wiederholte Frage, warum er sich in seiner Zeit in Deutschland nicht gemeldet habe, antwortete er Prozessbeobachtern zufolge mit einer einfachen Rückfrage: "Koma?" Und: "Was hätte ich denn sonst noch tun sollen? Hätte ich Ihnen ein Video von meiner Physiotherapie schicken sollen?"

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Als der Richter das Verfahren am Mittag für zwei Stunden unterbrach, bat Nawalny darum, dass ihm jemand Mittagessen hole – von der US-amerikanischen Fastfood-Kette McDonalds. Offenbar schickten Unterstützer tatsächlich einen Kurier los – wie ein Twitter-Video zeigt, wurde der Lieferant bei Gericht aber nicht eingelassen.

Nawalny: Habe Putin tödlich beleidigt – weil ich überlebte

Nawalny äußerte sich in einer Befragung auch zu Putin – zum Teil, ohne dessen Namen zu nennen. Jemand wolle, dass er keinen Schritt in Russland frei machen könne, sagte Nawalny laut Prozessbeobachtern. Der Grund seien Hass und Angst eines Menschen, der "im Bunker" lebe. "Ich habe ihn tödlich beleidigt, indem ich überlebt habe."

Putin könne vorgeben, ein großer Politiker zu sein, so Nawalny weiter. Durch sein Vorgehen aber werde Russlands Präsident nun in die Geschichte eingehen "als Vergifter von Unterhosen". Nawalny macht Putin für einen Giftanschlag auf ihn verantwortlich, den er im August nur knapp überlebt hatte. Der chemische Kampfstoff Nowitschok soll dabei nach bisherigen Erkenntnissen auf Nawalnys Unterwäsche aufgetragen worden sein.

Dreieinhalb Jahre Haft gefordert

Der Strafvollzug wirft dem 44-Jährigen Oppositionspolitiker vor, sich während seiner Zeit in Deutschland, wo er sich von einem Mordanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok erholte, nicht bei den russischen Behörden gemeldet zu haben. Dies war Nawalny in einem früheren umstrittenen Strafverfahren zur Auflage gemacht worden.

Der Kremlkritiker war 2014 unter dem Vorwurf der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Diese Bewährung will die FSIN nun zurückziehen und die Gefängnisstrafe gelten lassen. Da Nawalny einen Teil bereits im Hausarrest abgesessen hat, drohen ihm nach Angaben seines Anwalts noch etwa zweieinhalb Jahre Haft.


Die Strafvollzugsbehörde forderte am Dienstag eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren für Nawalny. Der 44-Jährige habe insgesamt sieben Mal die Meldepflicht bei den russischen Behörden verletzt, hieß es vor Gericht. Zudem forderte der Strafvollzug eine Geldstrafe von 500.000 Rubel (5.400 Euro) gegen Nawalny, wie russische Agenturen am Dienstag aus dem Gerichtssaal meldeten.

Zum Prozess erschien auch Nawalnys Ehefrau Julia Nawalnaja, die eine schwarze Gesichtsmaske trug. Nawalny stand in einem Glaskasten im Gerichtssaal und sprach mit seiner Frau, wie der Internetkanal Doschd berichtete. "Sie haben dich im Fernsehen in meiner Zelle gezeigt und erzählt, dass du ständig die öffentliche Ordnung störst. Böses Mädchen! Ich bin stolz auf dich", sagte er demnach. Nawalnaja war bei den Protesten zuletzt zweimal festgenommen worden.

Hunderte Festnahmen in Moskau

Bereits vor Prozessbeginn sammelten sich Demonstranten und Nawalny-Anhänger in Moskau und anderen Städten, um gegen den international als politische Inszenierung in der Kritik stehenden Prozess zu protestieren. Nawalnys Team und andere Gruppen hatten zu der Kundgebung vor dem Gerichtsgebäude aufgerufen.

Der Kreml reagierte mit einem beispiellosen Polizeiaufgebot: Vor dem Moskauer Stadtgericht bezogen am Dienstag Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON Stellung. Die Einheit, die zur russischen Nationalgarde gehört und direkt dem Innenministerium untersteht, ist für ihr rigoroses Vorgehen und ihre Brutalität berüchtigt.

Ganze Straßenzüge wurden abgesperrt, Demonstranten zu Hunderten abgeführt. Die Festgenommenen fluteten die sozialen Medien mit Bildern aus Polizeiwagen und von Polizeistationen. Die Menschenrechtsgruppe OVD-Info gab die Zahl der Festnahmen am frühen Nachmittag (Ortszeit) mit über 230 an.

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Viele Menschen würden wahllos aufgegriffen, berichtete eine dpa-Reporterin. Diese Demonstrantin etwa hält schlicht ein Plakat mit der Aufschrift "Freiheit für Nawalny" in den Händen – und wird dafür von der Polizei abgeführt:

Auch mehrere Journalisten wurden festgenommen, wie Bilder und Videoaufnahmen zeigten. Ein Reporter der Plattform "Avtozak" schrieb auf Telegram, er hätte sich gegenüber der Polizei mit einem Presseausweis ausgewiesen – und sei dennoch mitgenommen worden. Das Foto zeigt ihn mit Mitgefangenen in einem Polizeitransporter.

Kreml kritisiert Einmischung in innere Angelegenheiten

Die Kritik am Vorgehen gegen Nawalny und seine Unterstützer hat der Kreml am Dienstag erneut scharf zurückgewiesen. Russland werde "Belehrungen" der EU nicht hinnehmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Die EU, Deutschland und die USA hatten mehrfach die Freilassung Nawalnys gefordert. Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, kritisierte bei Facebook die Anwesenheit mehrerer Diplomaten beim umstrittenen Prozess in Moskau als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands.

Am Sonntag sowie am Wochenende davor hatte es landesweit Proteste gegen Putin und für die Freilassung Nawalnys gegeben. Über 10.000 Menschen wurden insgesamt bei den Demonstrationen festgenommen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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