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China: Durch den Corona-Impfstoff zur Supermacht


Chinas Geopolitik
Durch den Corona-Impfstoff zur Supermacht


29.11.2020Lesedauer: 5 Min.
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Ein Mann wird in der südchinesischen Provinz Hainan auf Corona getestet: China hat aktuell die Pandemie weitestgehend im Griff.Vergrößern des Bildes
Ein Mann wird in der südchinesischen Provinz Hainan auf Corona getestet: China hat aktuell die Pandemie weitestgehend im Griff. (Quelle: Mark Schiefelbein/ap)

Das Rennen der Weltmächte um den Corona-Impfstoff läuft. Es geht dabei nicht nur um das Ende von Pandemie und Lockdowns, sondern auch um Macht. Besonders China will von der Krise profitieren.

Für Milliarden Menschen auf der Welt ist ein wirksamer Corona-Impfstoff das Licht am Ende des Tunnels. Er verspricht Immunität gegen das Virus, das Ende der Pandemie und der verhassten Lockdowns. Auch wenn die Corona-Krise die Welt nachhaltig verändert, scheint teilweise eine Rückkehr in die alte Normalität möglich.

Doch im Impfstoffrennen der europäischen, amerikanischen, russischen und chinesischen Pharmaunternehmen geht es um mehr als die Gesundheit der Weltbevölkerung oder das Ende der Pandemie: Es geht um Macht. Staaten, die zuerst eine flächendeckende Immunität erreichen können, können ihre Wirtschaft früher von Corona-Maßnahmen befreien. Vor allem China nutzt die Pandemie außerdem, um sich als globale Führungsmacht zu positionieren und seinen Einfluss auszubauen.

Damit will Peking die momentan empfundene Schwäche der USA nutzen. Das Ziel ist klar: Die Volksrepublik China möchte bis zum Jahr 2049 die Vereinigten Staaten als Supermacht überholen – 100 Jahre nach Staatsgründung. Dabei könnte China ausgerechnet die Pandemie helfen, die von heimischem Boden ausging.

Pandemie vergleichsweise unter Kontrolle

Als sich im Januar 2020 das Coronavirus in Wuhan ausbreitete, stockte der Weltbevölkerung der Atem. Eine Pandemie ausgerechnet in dem Land mit der Milliardenbevölkerung und zahlreichen Millionenstädten. Zur Eindämmung nutzte die chinesische Regierung viele Möglichkeiten eines diktatorischen Systems: Städte wurden abgeriegelt, die Bevölkerung in Hotspots wurde in ihren Häusern eingesperrt und die Armee wurde eingesetzt. Bereits Ende März erklärte das Politbüro die Pandemie für beendet.

Unrealistisch, sagen Experten weltweit. Seit dem Frühling vermeldete China stets nur sehr wenige Neuninfektionen. Es handele sich dabei um "importierte Corona-Fälle", war stets die Erklärung der Regierung. Das Signal an die Welt: Die Volksrepublik hat den Kampf gegen das Virus gewonnen.

Außerdem meldete China bislang nur 4.742 Menschen, die mit dem Coronavirus verstorben sind. Es deutet viel darauf hin, dass Peking auch diese Zahlen manipuliert, so wurden beispielsweise Menschen mit Symptomen in Wuhan von Krankenhäusern abgewiesen, damit weitere Fälle nicht in den Statistiken auftauchen. Andererseits gibt es keine Berichte über ein großes Corona-Massensterben in China, obwohl das Land nach den strikten und autoritären Maßnahmen zur Normalität zurückgekehrt ist und die Wirtschaft wieder hochgefahren hat. Aktuell deutet also viel drauf hin, dass die Pandemie unter Kontrolle ist.

China richtet Blick auf das Ausland

Einzig die Legende von "importierten Corona-Fällen" aus dem Ausland, die auch durch die Staatsmedien transportiert wird, sorgt viele Chinesinnen und Chinesen. Die Regierung holte sich damit aber auch die Legitimation der Bevölkerung, sich mit sehr viel Geld im Ausland gegen das Virus zu engagieren.

Dieses Engagement hat viele Hintergedanken. China möchte die Pandemie nutzen, um sich global als Führungsmacht zu etablieren. Peking präsentiert sich deshalb seit Frühling als selbstloser Helfer in der Pandemie. Chinesische Ärzte und Virologen oder medizinische Geräte wurden beispielsweise nach Westafrika, Italien und Spanien geschickt. Damit will die Volksrepublik beweisen, dass sie internationale Verantwortung übernehmen kann, damit ihre Führungsrolle von vielen Staaten anerkannt wird.

Das nächste Kapitel in diesem globalen Machtkampf ist nun das Rennen um den ersten wirksamen Corona-Impfstoff, der weltweit in Massenproduktion gehen kann. China gab dazu im Mai ein vollmundiges Versprechen: "Ein Impfstoff aus China, wenn er dann zugänglich ist, wird ein öffentliches Gut sein", sagte Staats- und Parteichef Xi Jinping bei einer Konferenz der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Doch nachdem sich einige Entwicklungsländer Hoffnungen auf einen kostenlosen Impfstoff machten, ruderte Peking zurück. Einen fairen Preis solle es geben.

Es geht um Macht und Anerkennung

Auch die Versorgung von anderen Ländern mit einem Impfstoff ist nicht selbstlos. Jacob Mardell vom Mercator Institute für China-Studien in Berlin, sagt tagesschau.de: "China propagiert seine Impfstoffe als öffentliches Gut, versucht sich damit als globale Führungsmacht zu positionieren und gleichzeitig eine Koalition von Entwicklungsländern aufzubauen, die China dankbar sind und diese Führungsrolle anerkennen."

Dafür bietet die chinesische Regierung vielen Ländern nicht nur den Impfstoff an, sondern auch gleichzeitig eine Möglichkeit, die Lieferungen zu finanzieren. So hat China Ländern in Lateinamerika und in der Karibik Kredite in Höhe von einer Milliarde Dollar versprochen, wenn sie den chinesischen Impfstoff kaufen. Dem philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte versprach man offenbar schnelle Impflieferungen, wenn er sich künftig mit Kritik an Chinas Politik zurückhalte.

Damit geraten viele Länder in eine Abhängigkeit zur chinesischen Führung. Oft haben sie kaum eine Wahl, denn die Impfung eines großen Teils der Bevölkerung stellt vor allem finanzschwächere Länder vor massive logistische Probleme. Sie nehmen den größeren chinesischen Einfluss in Kauf – auch weil die USA und die Europäische Union sich als Ordnungsmächte zurückziehen und eher mit inneren Problemen kämpfen. China nutzt das daraus entstehende Machtvakuum.

Keine Daten über Wirksamkeit des chinesischen Impfstoffes

Dabei ist noch nicht einmal klar, ob China überhaupt einen Impfstoff haben wird, der wirksam ist. Der Impfstoffentwickler China National Biotec Group (CNBG) habe am Mittwoch als erster Hersteller einen Antrag auf offizielle Zulassung seines Präparates bei den Behörden eingereicht, berichtete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua Finance.

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Das Pharmaunternehmen Sinopharm hat nach eigenen Angaben von vergangener Woche bereits fast eine Million Menschen über ein sogenanntes Notfallprogramm mit seinen Impfstoff-Kandidaten gegen das Coronavirus geimpft. Das Mittel wird also momentan an der Bevölkerung getestet. Dabei habe es keine Berichte von schwerwiegenden Nebenwirkungen gegeben, nur wenige hätten leichte Symptome entwickelt. Aber im Gegensatz zu westlichen Herstellern haben weder CNBG noch Sinopharm genauere Daten zur Wirksamkeit ihrer Mittel veröffentlicht, was einen Vergleich schwierig macht.

Anderen Staaten verspricht China bessere Deals, wenn sie den Impfstoff ebenfalls testen. Diese Impfstoff-Diplomatie zeigt erste Erfolge für die chinesische Regierung: In Brasilien wird eine Anlage zur Impfstoffherstellung gebaut, Ägypten und Marokko sollen nachziehen. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben den Impfstoff sogar für ein Notfallprogramm zugelassen.

Ein großes Risiko für China

Für China ist es trotzdem ein Spiel mit sehr hohem Einsatz. Wenn die Strategie aufgeht, kann die Volksrepublik ihren globalen Einfluss ausbauen. Eric Olander, Mitbegründer des Internetportals China-Africa-Project, sagte tagesschau.de. "Länder nutzen die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente, um ihr globales Image aufzupolieren und in diesem Fall nutzt China halt die Impfstoffe dafür." Es sei eine Strategie mit hohem Risiko – und hohem Nutzen.

Die Kapazitäten zur Massenherstellung hätte China in jedem Fall, und europäische Experten vermuten, dass der chinesische Impfstoff nicht so kühl gelagert werden muss wie die Konkurrenten aus Europa und den USA. Das wäre ein Vorteil für viele Krankenhäuser und Impfzentren – auch in Deutschland.

Auch Pekings Ruf steht auf dem Spiel

Letztlich muss der chinesische Impfstoff aber auch eine ähnlich hohe Wirksamkeit erreichen wie das Mittel der europäischen und US-Unternehmen. Der russische Präsident Wladimir Putin benutzt eine ähnliche Strategie wie Peking. Auch Russland testete seinen Impfstoff früh an der Bevölkerung. Zuletzt machten aber mehrere Ärzte Schlagzeilen, die sich trotz Impfung erneut infizierten. Ein massiver Rückschlag für Putin im Impfstoffrennen.

Dieses Risikos ist sich Xi bewusst, auch deshalb bat er Kanzlerin Angela Merkel am Telefon eine engere Zusammenarbeit bei der Impfstoffentwicklung an. Außerdem nimmt China – im Gegensatz zu den USA – an der internationalen Impfstoff-Initiative Covax der WHO teil, die eine wirksame Impfung global verteilen soll. Aber die Initiative hat bislang nicht genügend Geld einsammeln können.

Sollte der Versuch einer internationalen Lösung scheitern, würde das China mehr Verantwortung und damit auch mehr Raum für seine machtpolitischen Vorstöße geben. Doch im Ringen um den Status einer Supermacht kämpft China auch um ein besseres Image. Die chinesische Regierung muss, um ihrem Führungsanspruch gerecht zu werden, den Ruf der Marke "Made in China" international aufpolieren. Bislang steht er in vielen Ländern noch für Plagiate und Billigprodukte mit schlechter Qualität. Wenn der chinesische Impfstoff nicht wirksam sein sollte, geht die Impfstoff-Diplomatie der Volksrepublik nach hinten los. Das wäre ein Rückschlag auf Chinas Weg zur Supermacht.

Verwendete Quellen
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