Tat jährt sich im August Georgier-Mord: Ermittler warten auf russische Kooperation
Berlin (dpa) - Mehr als neun Monate nach dem mutmaßlichen Auftragsmord an einem Georgier in Berlin warten die deutschen Ermittler weiter auf russische Unterstützung bei der Aufklärung.
Zwei Rechtshilfeersuchen der Berliner Staatsanwaltschaft aus dem Dezember 2019 seien "von der Russischen Föderation bislang inhaltlich nicht beantwortet" worden, heißt es in einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der Mord hatte im vergangenen Jahr eine Krise in den deutsch-russischen Beziehungen ausgelöst. Am 23. August wurde der 40-jährige Georgier tschetschenischer Herkunft im Kleinen Tiergarten in Berlin-Moabit aus nächster Nähe von einem Fahrrad aus erschossen. Ein dringend tatverdächtiger Russe wurde noch am selben Tag gefasst und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er soll Medienberichten zufolge enge Kontakte zum russischen Inlandsgeheimdienst FSB gehabt haben.
Der Generalbundesanwalt zog Anfang Dezember die Ermittlungen an sich, weil er Anhaltspunkte dafür sah, dass staatliche russische Stellen die Tat in Auftrag gegeben haben. Es wird erwartet, dass er in den nächsten Wochen am Berliner Kammergericht Anklage erhebt. Ein normaler Mordprozess würde am Berliner Landgericht geführt.
Die Bundesregierung hatte Russland schon im Dezember fehlende Kooperation bei der Aufklärung des Mordes vorgeworfen und deshalb zwei russischen Diplomaten ausgewiesen. Moskau hatte mit der Ausweisung zweier deutscher Diplomaten reagiert.
Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Ukraine-Gipfel in Paris hatte sich der russische Präsident Wladimir Putin aber kooperationsbereit gezeigt: "Ich stimme mit der Kanzlerin darin überein, dass wir das gemeinsam aufklären sollten." Merkel sagte damals: "Ich gehe davon aus, dass die russische Seite ihre Informationen uns zur Verfügung stellt, jedenfalls fände ich das gut."
Die Hoffnung auf eine Kooperationsbereitschaft Russlands wurde aber enttäuscht. Es gab zwar eine russische Reaktion auf das Rechtshilfeersuchen, es wurden aber keine Informationen zum Fall selbst bereitgestellt. Nach Angaben des Justizministeriums wandte sich die russische Generalstaatsanwaltschaft am 31. Dezember 2019 und 10. Januar 2020 mit Nachfragen an das Bundesamt für Justiz. "Beide Schreiben ersuchen die deutschen Behörden wegen angeblich nicht hinreichend dargelegter Beweiserheblichkeit um Übermittlung ergänzender Informationen", schreibt Staatssekretär Christian Lange in seiner Antwort auf die Linken-Anfrage.
Nach dpa-Informationen beantwortete der Generalbundesanwalt die russische Nachfrage am 19. Februar über das Bundesamt für Justiz. Die im Rechtshilfeersuchen angeforderten Informationen erhielten die Ermittler laut Justizministerium trotzdem bis heute nicht. Die russische Generalstaatsanwaltschaft habe lediglich mitgeteilt, dass das zuständige Ermittlungskomitee der Russischen Föderation mit einer "Teilerledigung" des Ersuchens beauftragt worden sei. Aber nur "soweit die Erledigung der Gesetzgebung der Russischen Föderation nicht widerspricht".
Die russische Führung sieht in dem ermordeten Georgier, der in der russischen Teilrepublik Tschetschenien auf Seite der Separatisten gekämpft haben soll, einen Terroristen. Putin hat ihn als "Banditen" und "Mörder", als "blutrünstigen und brutalen Menschen" bezeichnet. Die Bundesregierung hat sich weitere Konsequenzen in dem Fall vorbehalten. Sollte es zu einer Anklageerhebung kommen, würde das bedeuten, dass sich der Verdacht eines Auftragsmords erhärtet hat.
Die Linken-Politikerin Dagdelen gibt der Bundesregierung eine Mitschuld an der mangelnden Kooperationsbereitschaft der russischen Seite. Die Ausweisung der russischen Diplomaten habe die gemeinsame Aufklärung des Falls erschwert. Jetzt mahnt Dagdelen Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten an. "Die gegenseitige Rechtshilfe muss besser funktionieren, um das Verbrechen endlich aufzuklären und so Spekulationen nicht weiter Vorschub zu leisten."