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San Diego: Polizei bekam Minuten vor dem Synagogen-Angriff Hinweis


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Ankündigung im Internet
Polizei bekam Minuten vor dem Synagogen-Angriff Hinweis


Aktualisiert am 28.04.2019Lesedauer: 4 Min.
Schwer bewaffnete Polizisten nach dem Angriff auf die Chabad-Synagoge vermutet wird: Das FBI habe alle Informationen sehr schnell aufgenommen", berichtet ein Twitter-Nutzer, der zufällig die Ankündigung des Angriffs im Internet gefunden haben soll.Vergrößern des Bildes
Schwer bewaffnete Polizisten nach dem Angriff auf die Chabad-Synagoge vermutet wird: Das FBI habe alle Informationen sehr schnell aufgenommen", berichtet ein Twitter-Nutzer, der zufällig die Ankündigung des Angriffs im Internet gefunden haben soll. (Quelle: John Gibbins/The San Diego Union-Tribune/dpa)

Einige Minuten vor den ersten Schüssen in einer Synagoge in San Diego mit einem Todesopfer hat ein junger Mann das FBI nach seinen Angaben gewarnt. Er hatte im Netz die Ankündigung des mutmaßlichen Täters entdeckt.

Der 19-Jährige, der in einer Synagoge in San Diego das Feuer eröffnet und eine Frau getötet hat, wollte offenbar wie der Christchurch-Attentäter seine Tat live übertragen. Rund eine halbe Stunde vor den ersten Schüssen in der Chabad-Synagoge in Poway in Kalifornien gab es um genau 11 Uhr Ortszeit (20 Uhr MESZ) ein alarmierendes Posting auf einem sogenannten Online-Forum.

Es war eine Ankündigung, ernst zu machen, versehen mit einem Link zu einer Art Vermächtnis voller Hass auf Juden. Verlinkt war auch Facebookprofil, in dem es ein Live-Video von dem Angriff geben werde. Auf gleiche Art hatte auch der Christchurch-Attentäter auf der gleichen Internetseite seine Tat angekündigt.

Doch diesmal wies nur Minuten später jemand auf den Plan hin und meldete seine Entdeckung beim FBI, wie er in einem Austausch mit t-online.de erklärte. In dem Posting war zwar der echte Name des mutmaßlichen Angreifers angegeben, "aber sie hatten nicht genug Zeit, irgendwas auszurichten", so der Zeuge.

Twitter-Nutzer zögert den Notruf zu wählen

Auf Twitter schilderte der Nutzer mit dem Namen Aric Victor um 11.07 Uhr Ortszeit seine Entdeckung mit einem Foto des Postings: "Das ist auf einer radikalen rechten Seite vor fünf Minuten gepostet worden, es soll eine Schießerei mit vielen Toten geben. Ich versuche, herauszufinden, wie ich das melde."

Das Posting auf Twitter war die erste Reaktion gewesen, schrieb der Nutzer. Er habe gezögert, den Notruf anzurufen, weil er sich selbst nicht sicher gewesen sei und Sorge gehabt habe, dort als Störung wahrgenommen zu werden.

Was ihn alarmierte: Es gab viele Parallelen zu dem Christchurch-Attentäter, der auch explizit als Inspiration genannt wurde. Zudem bekannte sich der Autor des Textes zu einem Brandanschlag auf eine Moschee unweit von San Diego. "Das habe ich gegoogelt, die gab es wirklich." Und der Urheber, der zu einem Profil mit seinem richtigen Namen verlinkt hatte, schrieb explizit auch, er wollen Juden in die Hölle schicken. Er nannte auch den Mann als Vorbild, der in einer Synagoge in Pittsburgh im Oktober 2018 elf Menschen erschossen hat.

Twitter Aric Victor rief schließlich um 11.15 Uhr beim FBI an, sagte er t-online.de. Dafür gab es von dort zunächst keine Bestätigung, die Schilderung wirkt jedoch glaubhaft.

Sehr professionell sei man dort gewesen und mit der Seite gut vertraut gewesen. "Sie haben alle Informationen, die ich hatte, sehr schnell aufgenommen, aber leider fing der Angriff nur wenige Minuten später an." Um 11.30 Uhr eröffnete der 19-Jährige das Feuer in der Synagoge, in der rund 100 Menschen waren.

Noch bevor die ersten Schüsse fielen, war das Posting des mutmaßlichen Angreifers in dem Online-Forumbereits gelöscht. Das Facebook-Profil wurde rund drei Stunden gesperrt. Ein Video der Tat gab es dort nicht. Unter den beiden einzigen Postings, zwei Bildern, die nach Ausflügen aussahen, waren Kommentare von Nutzern zu lesen, die enttäuscht das Fehlen des Live-Videos beklagten. Ausdrücke von Abscheu über die Tat oder Mitgefühl mit den Opfern fehlten dagegen zunächst völlig.

Nutzer entdeckt Posting durch Zufall

Aric Victor wird inzwischen für seine Aufmerksamkeit von vielen Nutzern gelobt und erhält Dankesnachrichten. Allerdings erhält er auch Warnungen, er könne selbst Zielscheibe von Attacken werden. Aric Victor sei nicht sein richtiger Name, schrieb er t-online.de. Sein Alter gibt er mit Mitte 20 an, und er verordne sich "Mitte-links".

Seiten wie dieses Online-Forum möge er nicht, "die Menschen dort sind offensichtlich übel", schrieb er. Er sei dort auch nur gewesen, weil ein Bekannter viel über Verschwörungstheorie zum angeblichen "Deep State" (tiefen Staat) rede und sich dabei auf die Seite beziehe. "Ich war schlicht da, um mir anzuschauen, was er da so liest – und kam zum richtigen Moment, dieses Posting zu sehen".

Mit Verweis auf die sehr weit ausgelegte Meinungsfreiheit findet sich auf der Seite vielfach auch Nazi-Propaganda. Teile der Nutzer nutzen die Seite, um auf oft geschmacklose Weise mit Tabubrüchen zu spielen. Die angebliche "Neue Rechte" ist dort aber stark vertreten. Auch hatten sich einige Amokläufer in diesem Milieu bewegt.


Der Schütze von San Diego bedankte sich auch bei den anderen Nutzern offenbar in der Erwartung von großem Zuspruch. "Die Grenzen zwischen zynischen Gags und ernsthafter Ankündigung sind in den Diskussionen dort fließend", erklärt der Autor Roland Sieber, der diese Szene intensiv verfolgt und Journalisten regelmäßig Recherchehinweise gibt. "Ein potenzieller Täter dürfte nicht mehr in der Lage sein, zu reflektieren, wer nur trollt und wer ihn tatsächlich zur Tat anfeuern will." Auf Internetplatformen wie Discord und Steam beobachtet er Foren, in denen sich die Nutzer gegenseitig befeuern, sich nach rechts politisieren und radikalisieren.

Auch Deutsche nutzen solche Foren für Hass

Sieber hat auch zumindest zwei Nutzer aus Sachsen und Baden-Württemberg ausgemacht, die sich öffentlich einsehbar auf dem mutmaßlichen Profil des Christchurch-Attentäters lobend äußerten. "Diese Szene ist viel zu wenig auf dem Radar", so Sieber, "es scheint weder Widerspruch aus dem sozialen Umfeld zu geben noch die Befürchtung, in den Fokus polizeilicher Ermittlungen zu geraten".


Im Online-Forum wurden die Schüsse in der Synagoge mit Todesopfer und Verletzten in dem ersten Stunden kritisch gesehen. Allerdings ist der Grund absurd: Das sei eine Aktion unter falscher Flagge, schrieben Nutzer. Es gehe darum, die Seite als Ort des Widerstands gegen den Staat zu schließen. Nach dem Massenmord von Christchurch hatten australische Telekommunikationsunternehmen den Zugang auf diese und weitere Seiten zeitweilig gesperrt.

Verwendete Quellen
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