Ausschreitungen in Indien Frauen gelingt erstmals Zutritt zu heiligem Hindu-Tempel
Ein Gericht hat Frauen erlaubt, einen Hindu-Tempel in Indien zu betreten – doch religiöse Fanatiker verhinderten es bislang. Dieses Mal hatten sie damit keinen Erfolg.
Erstmals haben sich zwei Frauen Zutritt zu einem heiligen Hindu-Tempel im Süden Indiens verschafft. Unter Polizeischutz betraten die beiden am Mittwoch kurz vor Sonnenaufgang heimlich den Sabarimala-Tempel im Bundesstaat Kerala, wo Hindu-Traditionalisten trotz eines anders lautenden Gerichtsurteils Frauen im gebärfähigen Alter weiter den Zutritt verwehren. Sie verließen das Heiligtum wenig später unentdeckt. Ihre Aktion sorgte in mehreren Städten für heftige Proteste.
Durch den Personalzugang
Auf Videoaufnahmen war zu sehen, wie die beiden Frauen, Kanaka Durga und Bindu, in schwarzen Gewändern mit gesenkten Köpfen in den Tempel eilen. Sie seien nicht über die "18 heiligen Stufen" zu dem Tempel gelangt, sondern über den Personalzugang, berichteten sie anschließend. Die beiden 42-Jährigen gehörten zu einer Gruppe Frauen, die bereits am 24. Dezember versucht hatte, in den Tempel zu gelangen – damals vergeblich.
Kurz nach Bekanntwerden der Aktion ordnete der oberste Priester die Schließung des Tempels an, um ein "Reinigungsritual" vorzunehmen. Nach einer Stunde wurde er wieder geöffnet.
Der Sabarimala-Tempel ist einer der heiligsten Tempel der Hindus. Das Oberste Gericht des Landes hatte im vergangenen September nach einem jahrelangen Rechtsstreit das Zutrittsverbot für Frauen zwischen zehn und 50 Jahren zu dem Tempel aufgehoben. Frauenaktivistinnen versuchten seither immer wieder vergeblich, zu dem auf einem Berg gelegenen Schrein für den Gott Ayyappa zu gelangen. Sie wurden jedoch stets von Hindu-Traditionalisten abgehalten. Dabei kam es bereits im Oktober zu gewaltsamen Zusammenstößen mit der Polizei, mehr als 2000 Menschen wurden festgenommen.
Mehrere Polizisten verletzt
Auch am Mittwoch gab es heftige Proteste gegen die Aktion der Frauen. Vor dem Parlament in Keralas Hauptstadt Thiruvananthapuram lieferten sich gegnerische Gruppierungen gewalttätige Auseinandersetzungen. Die Polizei setzte Tränengas, Wasserwerfer und Blendgranaten gegen die Demonstranten ein. Auch aus anderen Städten des Bundesstaats wurden Proteste gemeldet. Dabei wurden örtlichen Medienberichten zufolge mehrere Polizisten verletzt.
Erzkonservative Hindus kritisierten die Unterstützung der Behörden für die Frauen, die weiter unter Polizeischutz standen. Die linksgerichtete Regierung von Kerala verteidigte dagegen das Vorgehen. Die Polizei sei verpflichtet, jedem zu helfen, der seine Religion in dem Schrein ausüben wolle, teilte sie mit.
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Am Dienstag hatten hunderttausende Frauen eine kilometerlange Menschenkette durch Kerala gebildet, um der Forderung nach Zutritt zum Tempel Nachdruck zu verleihen. Die Nachricht von den beiden Frauen, denen der Zutritt zum Tempel gelang, wurde von der Solidaritätsbewegung begeistert aufgenommen. Sie weine "vor Freude", schrieb die feministische Autorin Meena Kandasamy im Kurzbotschaftendienst Twitter.
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Gegen die Entscheidung des Obersten Gerichts legten zahlreiche konservative Hindu-Bewegungen sowie die hinduistisch-nationalistische Bharatiya Janata Partei (BJP) von Regierungschef Narendra Modi Widerspruch ein. Sie fechten das Urteil mit der Begründung an, es ignoriere die traditionelle Überzeugung, wonach Ayyappa im Zölibat lebte. Für sie gelten menstruierende Frauen als unrein. Für den 22. Januar ist eine Gerichtsanhörung der Urteilsgegner vorgesehen.
- Nachrichtenagentur AFP