Über der Ukraine Malaysisches Passagierflugzeug wohl abgeschossen
Ein malaysisches Passagierflugzeug ist über der ostukrainischen Unruheregion Donezk wohl abgeschossen worden. Wie die Nachrichtenagenturen Interfax-Ukraine und Itar-Tass aus Russland berichteten, war die Boeing-Maschine mit 295 Menschen an Bord unterwegs von Amsterdam nach Kuala Lumpur. Sie sei von einer Flugabwehrrakete des Systems Buk getroffen worden.
Alle 280 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder seien tot. Unter den Opfern waren auch Dutzender US-Amerikaner und Niederländer. Die Maschine sei in 10.000 Metern Höhe von den Radarschirmen verschwunden und nahe der Ortschaft Schachtarsk abgestürzt. Die Trümmer des Flugzeuges liegen mitten im Kampfgebiet. In der Region Donezk kämpfen ukrainische Regierungstruppen seit Wochen gegen prorussische Separatisten. Sollte sich der Abschuss bestätigen, wäre es der schwerste Vorfall seit Beginn des Ukraine-Konflikts.
Auf öffentlich zugänglichen Flugradaranlagen war die Boeing 777 nicht mehr zu sehen - die Verbindung verlor sich in der Nähe zu Russland. Die Fluggesellschaft Malaysia Airlines bestätigte, den Kontakt mit dem Flug MH 017 in der Ukraine verloren zu haben. Itar-Tass berief sich auf "Luftverkehrskreise", Interfax-Ukraine zitierte einen Informanten "innerhalb der ukrainischen Sicherheitskräfte".
Separatisten an der Absturzstelle
Ukrainische Rettungskräfte haben unterdessen das Wrack des Flugzeugs in der Nähe der Ortschaft Grabowo erreicht. "Die Arbeiten werden davon erschwert, dass die Trümmer in großem Umkreis verstreut sind", sagte der Sprecher des Notfalldienstes, Sergej Botschkowski. Zudem würden sich zahlreiche bewaffnete Separatisten an der Absturzstelle aufhalten.
Die Boeing 777-200 habe beim Überflug der Ukraine keine Auffälligkeiten gezeigt, sagte Generaldirektor Dmitri Babejtschuk von der ukrainischen Flugaufsicht. "Es gab keine Mitteilungen der Piloten. Später ist das Flugzeug vom Radar verschwunden", sagte er.
Ein Reuters-Korrespondent berichtete in der 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt liegenden Ortschaft Grabowo von Flugzeugwrackteilen und Leichen am Boden. Das Zivilschutzministerium berichtete auf seiner Internetseite, im Umkreis von 15 Kilometern lägen Leichenteile verstreut. Das brennende Wrack des Flugzeugs sieht so aus, als ob es schon vor dem Aufprall auf die Erde zerborsten wäre. Auch Wrackteile sind über eine große Fläche verteilt, ebenso Gepäckstücke und persönliche Gegenstände der Insassen.
Mehrere Militärflugzeuge abgeschossen
"Wir betonen, dass die ukrainischen Streitkräfte keine Schüsse abgegeben haben, die dazu geeignet wären, Ziele in der Luft zu treffen", hieß es aus dem Büro des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko. Poroschenko bezeichnete den Absturz der Maschine als "terroristischen Akt". Er halte die Tragödie "weder für einen Zwischenfall, noch für eine Katastrophe", sagte Präsidentensprecher Swjatoslaw Zegolko. Poroschenko wirft den prorussischen Separatisten vor, die Maschine abgeschossen zu haben.
Anton Geraschtschenko, Berater des ukrainischen Innenministeriums, sagte, dass die Maschine von einer Buk-Abwehrrakete getroffen wurde. Das in den 80er-Jahren von sowjetischen Militärs entwickelte Lenkwaffen-System kann Ziele in Höhen bis zu 25.000 Metern treffen. Ein AP-Journalist hatte am Donnerstag ein solches System in der Nähe der ostukrainischen Stadt Snischne gesehen.
Nach offiziell unbestätigten Twitter-Berichten hatten die Separatisten behauptet, ein Buk-Flugabwehrsystem im Verlauf der Kämpfe erbeutet zu haben. Die pro-russischen Kräfte beteuerten hingegen nun, sie hätten keine Technik, um Maschinen in dieser Höhe abzuschießen. In der Ostukraine hatten pro-russische Kräfte zuletzt wiederholt Militärflugzeuge abgeschossen, die deutlich niedriger fliegen als Passagiermaschinen.
Untersuchungskommission eingerichtet
Poroschenko richtete umgehend eine Untersuchungskommission ein, zu der auch internationale Experten, darunter aus den Niederlanden und Malaysia, eingeladen wurden. "Wir schließen nicht aus, dass auch diese Maschine abgeschossen wurde", hieß es unter Hinweis auf zwei ukrainische Flugzeuge, die in den vorangegangenen Tagen abgeschossen worden seien.
Die Boeing 777 ist seit 1997 im Besitz von Malaysia Airlines. Sollte der Abschuss bestätigt werden, wäre es erst der vierte Fall dieser Art in der zivilen Luftfahrt. Der letzte Vorfall hatte sich 1988 ereignet. Damals wurde eine Maschine der Iran Ari von einer amerikanischen Boden-Luft-Rakete abgeschossen. Alle 290 Menschen an Bord kamen um.
Neuer Verlust für Malaysia Airlines
Für Malaysia Airlines wiederum wäre es schon der zweite Verlust einer Passagiermaschine in diesem Jahr. Am 8. März war der Flug MH370 nach dem Start in Kuala Lumpur in Richtung Peking von den Radarschirmen verschwunden. An Bord der Boeing 777 waren 239 Menschen. Über ihr Schicksal und darüber, was an Bord der Maschine passierte, herrscht völlige Ungewissheit. Trotz intensiver Suche wurde bislang keine Spur der Unglücksmaschine entdeckt.
"Die Lufthansa hat sich entschieden, von sofort an den ukrainischen Luftraum weiträumig zu umfliegen", sagte eine Sprecherin der Fluglinie. Eine Sperrung des Luftraums der Ukraine habe es nicht gegeben und gebe es auch derzeit nicht. Von der Entscheidung, die Flugrouten zu ändern, seien im Laufe des Tages noch vier Flüge betroffen.