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FPÖ-Chef Kickl vor Machtübernahme in Österreich: Es ist eine Schande


Politikbeben in Österreich
Es ist ein historisches Versagen

MeinungVon Patrick Diekmann

06.01.2025 - 17:44 UhrLesedauer: 3 Min.
Herbert Kickl: Der FPÖ-Chef könnte Österreichs nächster Kanzler werden.Vergrößern des Bildes
Herbert Kickl: Der FPÖ-Chef könnte Österreichs nächster Kanzler werden. (Quelle: Tobias Steinmaurer/dpa)
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In Österreich beauftragt Bundespräsident Van der Bellen FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung. Die Rechtspopulisten könnten erstmals den Bundeskanzler in einer Regierung stellen. Damit schadet sich Österreich vor allem selbst.

Nun scheint der Weg frei zu sein für FPÖ-Chef Herbert Kickl. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ, SPÖ und Neos hat Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt. Die rechtsnationalistische FPÖ könnte also erstmals stärkste Kraft in einer Regierung werden und den Bundeskanzler stellen. Das ist für viele österreichische Demokratinnen und Demokraten zu Recht ein wahr gewordener Albtraum.

Denn es ist nicht einmal sechs Jahre her, als der damalige FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache im Jahr 2019 über die Ibiza-Affäre stürzte. Sie wurde zum Sinnbild für Korruption, Geldgier, für die Bereitschaft der Rechtspopulisten, Russland mehr Einfluss in Österreich zu verschaffen. Doch das alles scheint spätestens seit der Nationalratswahl 2024 im September vergessen, bei der die FPÖ erstmals stärkste Kraft wurde.

Kickl war als Innenminister schon damals Teil von Straches Machtzirkel. Schon damals wetterte er gegen Migranten, gegen die österreichische Presse, auch gegen ihn wurde 2024 wegen Korruptionsverdacht ermittelt. Doch geschadet hat ihm das nicht, im Gegenteil: Er greift nun für die FPÖ nach noch mehr Macht. Damit straft er die politischen Analysten Lügen, die den Rechtsnationalisten eine Entzauberung attestieren, sollten diese erst einmal regieren.

Österreich steht nun vor einer stürmischen Zäsur, die für das Land zugleich peinlich und gefährlich ist. Denn Kickl steht nicht nur ideologisch der völkischen "Identitären" Bewegung nahe, er nutzt auch offen rechtsextreme Kampfbegriffe wie "Remigration", will Österreich zur "Festung" machen. Sollte diese Radikalität nun Einzug in die österreichische Regierungspolitik halten, könnte das Land in Europa bald ähnlich politisch isoliert sein wie Ungarn.

Politische Mitte trägt die Verantwortung

Die Verantwortung dafür trägt nicht Bundespräsident Van der Bellen. Er musste in dieser Situation Kickl mit der Regierungsbildung beauftragen. Denn von der konservativen ÖVP kamen in den vergangenen Tagen Signale, dass man in Gespräche mit der FPÖ gehen möchte. Van der Bellen hatte also keine andere Wahl, immerhin hatten die Österreicherinnen und Österreicher im September genau diese Parteien so stark ins Parlament gewählt. So funktioniert Demokratie.

Schuld an dem Chaos und den aktuellen Machtverhältnissen hat dagegen die politische Mitte. Das Wahlergebnis war schon ein Warnschuss. Aber ÖVP, SPÖ und Neos brauchten trotzdem knapp vier Monate, um in aufzehrenden Verhandlungen festzustellen, dass es offenbar nicht für eine gemeinsame Regierung reicht. Das ist gegenüber der Bevölkerung in Österreich verantwortungslos. Es herrscht zu Recht Frust in der Gesellschaft über den politischen Stillstand.

In erster Linie ist es vor allem für die Parteien der Mitte eine Schande, dass sie nun die politische Verantwortung in die Hände der FPÖ legen – ein historisches Versagen. Das betrifft in besonderem Maße die konservative ÖVP. Klar, Brandmauern wie in Deutschland im Umgang mit der AfD gibt es in Österreich nicht, und die ÖVP regierte auf Bundes- und Landesebene bereits mit der FPÖ.

Trotzdem wäre es staatstragend gewesen, den Rechtspopulisten nicht die Macht zu überlassen. Es erscheint kaum vorstellbar, dass es keine Einigung zwischen den Parteien der Mitte hätte geben können.

Gefährliche Vernetzung von Rechtspopulisten weltweit

Am Ende steht ein Versagen, das auch für die ÖVP nun existenzbedrohend werden könnte. Ihr Kanzler Karl Nehammer ist zurückgetreten, die Partei ist geschwächt, muss sich neu ordnen. In einer derartigen Lage als Juniorpartner in eine mögliche Koalition mit den Rechtspopulisten zu gehen, wäre ein Himmelfahrtskommando.

Sollte es zu einer Koalition kommen, wird Österreich nun deutlich nach rechts rücken. Darüber freuen sich in der westlichen Hemisphäre vor allem die politischen Akteure, die für mehr nationalen Protektionismus eintreten und die sich international immer besser vernetzen.

Das Umfeld des künftigen US-Präsidenten Donald Trump, der Rassemblement National in Frankreich, die AfD in Deutschland oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sind dafür nur einige Beispiele. Unterstützt wird ihre Vernetzung von rechtspopulistischen Strategen wie Steve Bannon, von Milliardären wie Elon Musk oder von rechtskonservativen Medien weltweit.

Diese Gefahr müssen die Parteien der demokratischen Mitte weltweit ernst nehmen, in Österreich hat genau das nicht funktioniert. Aber auch der Bevölkerung in Deutschland zeigt das politische Beben in Österreich, was passieren kann, wenn man eine Partei aus Protest wählt: Sie kann tatsächlich Regierungsverantwortung übernehmen. So wird dort nun höchstwahrscheinlich ein radikaler FPÖ-Politiker Bundeskanzler werden. Es droht ein böses Erwachen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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