Die Lage im Überblick Chef der ukrainischen Luftwaffe gefeuert - F-16 verloren
Erst wenige Wochen hat die Ukraine westliche Jets, und schon ist es einer weniger. Die offizielle Version eines Absturzes nach Pilotenfehler wird bezweifelt. Es gibt einen anderen Verdacht.
Die ukrainische Luftwaffe bekommt nach dem Verlust eines Kampfjets vom Typ F-16 eine neue Führung. Präsident Wolodymyr Selenskyj entließ den bisherigen Luftwaffenkommandeur Mykola Oleschtschuk. Zwar wurde offiziell kein Grund genannt, allerdings lag der Zusammenhang mit dem Verlust der wertvollen westlichen Maschine. Der laut Medien in den USA an dem Flugzeugtyp ausgebildete ukrainische Pilot starb. Kommissarisch wurde Anatolij Krywonoschko zum Kommandeur bestimmt, wie der Generalstab mitteilte.
"Ich würde wahrscheinlich sagen, dass dies eine Rotation ist, aber es ist bedauerlich", sagte der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umjerow in einem Interview mit dem Sender CNN auf die Frage, ob die Entlassung mit dem Verlust des Kampfjets zu tun habe. Es handle sich dabei um zwei "unterschiedliche Angelegenheiten". Umjerow betonte, dass die Untersuchung zur Ursache noch laufe. "Ich möchte keine Vermutungen anstellen."
Erst am Donnerstag hatte der Generalstab bestätigt, dass eine der wenigen Maschinen F-16 im Einsatz gegen einen massiven russischen Luftangriff am Montag verloren gegangen sei. Die Rede war von einem Absturz. Allerdings schlossen ukrainische Abgeordnete und Aktivisten einen versehentlichen Abschuss durch die eigene Flugabwehr nicht aus.
Bei einem russischen Luftangriff auf die Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine kamen am Freitag mindestens sieben Menschen ums Leben. Kurz darauf wurde von der anderen Seite der Grenze aus der russischen Stadt Belgorod berichtet, dass dort fünf Menschen durch ukrainischen Beschuss getötet worden seien.
Auch die Nacht auf Samstag begann für den frontnahen Nordosten der Ukraine mit Luftalarm. Nach Angaben der Luftwaffe flogen russische Kampfdrohnen über der Ukraine. Das Land wehrt seit zweieinhalb Jahren eine großangelegte russische Invasion ab.
Wurde die ukrainische F-16 von eigener Flugabwehr getroffen?
"Ich habe mich entschlossen, den Kommandeur der Luftwaffe der Ukraine zu entlassen", sagte Selenskyj am Freitag in seiner abendlichen Videoansprache. Er danke allen Angehörigen der Luftwaffe, die wirklich Resultate für die Ukraine erzielten. "Das gilt auch für die Kommandoebene. Wir müssen stärker werden. Und unsere Leute bewahren."
Kurz vor seiner Entlassung kritisierte Oleschtschuk noch eine Abgeordnete, die die offizielle Version des Absturzes in Zweifel zog. Sie leiste russischer Propaganda Vorschub, schrieb er und drohte, sie vor Gericht zu bringen. Der Verlust der Maschine werde aufgeklärt, auch in Zusammenarbeit mit dem Herstellerland USA. Die Verteidigungspolitikerin Marjana Besuhla hatte im sozialen Netzwerk X geschrieben, die Maschine sei wegen fehlender Koordination von einem ukrainischen Patriot-Flugabwehrsystem getroffen worden.
Tote in Charkiw wie in Belgorod
In der grenznahen russischen Großstadt Belgorod wurden nach offiziellen Angaben mindestens fünf Menschen durch Beschuss von der ukrainischen Seite getötet. Außerdem gebe es mindestens 46 Verletzte, unter ihnen 7 Kinder, teilte Gebietsgouverneur Wjatscheslaw Gladkow mit. Weil die russische Armee das Grenzgebiet Belgorod als Ausgangspunkt ihrer Angriffe auf Charkiw nutzt, wird die Region häufig von ukrainischer Seite beschossen.
In Charkiw kamen durch einen russischen Luftangriff sieben Menschen ums Leben, unter ihnen ein 14-jähriges Mädchen. Nach Angaben von Militärgouverneur Oleh Synjehubow wurden mindestens 97 Verletzte gezählt, darunter 22 Minderjährige. Gelenkte Fliegerbomben trafen nach offiziellen Angaben unter anderem ein zwölfstöckiges Wohnhaus, das teils zerstört wurde.
"Ein Schlag, den es nicht gegeben hätte, wenn unsere Verteidigungskräfte die Möglichkeit hätten, russische Militärflugzeuge dort zu zerstören, wo sie stationiert sind", sagte Selenskyj in einer Nachricht bei Telegram. Er forderte angesichts der Zerstörungen einmal mehr die Freigabe weitreichender westlicher Waffen gegen Ziele in Russland.
USA wollen bei Flugabwehr helfen
Wegen dieser Frage führen Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak und Verteidigungsminister Umjerow Gespräche in Washington mit den USA. Umjerow sagte nach einem Treffen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin im Pentagon, dass die USA die Argumente der Ukrainer analysierten und er hoffe, gehört worden zu sein. Austin sagte nach dem Treffen aber vor allem, dass die Flugabwehr der Ukraine gestärkt werden solle. Dafür wollten sich die Vereinigten Staaten beim nächsten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein kommende Woche starkmachen.
Der Fernsehsender CNN hatte vorab berichtet, die ukrainische Seite wolle der US-Regierung auch eine Liste von potenziellen Zielen in Russland vorlegen. Mit Treffern auf russische Befehlsstellen, Flugplätze, Munitionslager und Kasernen könnte die Ukraine viele Attacken schon im Ansatz abwehren. Bislang beschränken die USA den Einsatz ihrer Waffen gegen Russland auf die Abwehr der russischen Offensive gegen Charkiw.
Wo bilden die EU-Staaten ukrainische Soldaten aus?
Die EU-Staaten haben sich ein neues Ziel für die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte gesetzt. Nach Angaben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell sollen bis Jahresende weitere 15.000 Soldaten in der Europäischen Union trainiert werden. Zusammen mit den bereits ausgebildeten Soldaten werde man dann auf eine Gesamtzahl von 75.000 kommen, sagte der Spanier nach einem Verteidigungsministertreffen in Brüssel.
Weiter keine einheitliche Position gibt es nach Angaben von Borrell zur Frage, ob ukrainische Soldaten künftig auch in der Ukraine selbst ausgebildet werden sollten. Mehrere EU-Staaten hatten sich zuvor offen dafür gezeigt. "Wir müssen militärische und politische Überlegungen berücksichtigen, aber wir schließen diese Möglichkeit nicht aus", sagte der schwedische Verteidigungsminister Pål Jonson. Ein Training in der Ukraine ist eine Sicherheitsfrage für die Ausbilder aus EU-Staaten. Einige Staaten wiederum wie Polen halten eine Ausbildung auf ihrem Gebiet für zu aufwendig.
- Nachrichtenagentur dpa