Nahost Realpolitiker der Hamas: Auslands-Chef Ismail Hanija
Er war eine Schlüsselfigur beim Versuch, zwischen Israel und der Hamas eine Waffenruhe zu erreichen. Mit Ismail Hanija verliert die Terrororganisation ihre sichtbarste Figur nach außen.
Mit der Tötung von Ismail Hanija verliert die Hamas ihren wohl wichtigsten - und sichtbarsten - Anführer außerhalb des Gazastreifens. Hanija war über Jahrzehnte Teil der islamistischen Terrororganisation. Im laufenden Krieg mit Israel im Gazastreifen war er eine Schlüsselfigur für internationale Vermittler bei dem Versuch, eine Waffenruhe und den Austausch von Geiseln gegen Gefangene auszuhandeln. Die Zukunft dieser Verhandlungen ist durch seinen Tod nun völlig ungewiss.
Hanija wurde 1963 im Flüchtlingslager Schatti ("Strand") in Gaza geboren und wuchs dort in ärmlichen Verhältnissen auf. Seine Eltern wurden aus Askalan vertrieben, das später zum südlichen israelischen Ort Aschkelon wurde. Zur Hamas stieß er Ende der 1980er Jahre als junger Mann während des ersten Palästinenseraufstands Intifada gegen die israelische Besatzung. In den Jahren darauf saß er mehrere Haftstrafen in israelischen Gefängnissen ab, 1993 kehre er nach Gaza zurück.
Bald machte er sich einen Namen als enger Vertrauter des spirituellen Hamas-Führers Ahmed Jassin, der 2004 bei einem gezielten Luftangriff Israels getötet wurde. Nach dem Sieg der Hamas über die rivalisierende palästinensische Fatah-Bewegung bei den Wahlen 2006 diente er kurze Zeit aus Ministerpräsident der Palästinensischen Autonomiebehörde. 2017 führte er eine Hamas-Delegation zum Treffen mit Irans oberstem Führer, Ajatollah Ali Chamenei.
Hanija war zur politischen Führungsfigur geworden und wurde bald darauf auf die Liste der weltweit agierenden Terroristen der USA gesetzt. Er lebte in Katar, laut Berichten in luxuriösem Stil mit Teilen seiner Familie. Im April wurden in Gaza bei einem israelischen Luftangriff aber auch drei seiner Söhne und vier seiner Enkelkinder getötet. Israel machte ihn mitverantwortlich für den brutalen Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober, die zum Gaza-Krieg führte, und hatte angekündigt, die gesamte Führungsriege der Hamas auszuschalten.
Innerhalb der Hamas-Führung wurde Hanija als eher realpolitische Stimme gesehen - und als Name für die Hamas-Diplomatie im Nahen Osten. Eine Art Pragmatiker im Vergleich zu Jihia al-Sinwar, dem Hamas-Anführer im Gazastreifen, und dessen Stellvertreter Mohammed Deif. Hanija hatte eine entscheidende Rolle dabei, über die Mittler Katar, Ägypten und USA mit Israel zu verhandeln. Ob und wie diese Verhandlungen weitergehen, ist völlig offen. Für Hanija wird sich ein Nachfolger finden müssen. Für die Hamas wäre es aber nicht das erste Mal.
- Nachrichtenagentur dpa