Parteiführung Who"s next? Britische Konservative auf dem Weg nach rechts
Nach der Wahlniederlage suchen die britischen Konservativen eine neue Parteiführung. Wer sich um die Nachfolge von Rishi Sunak bewirbt - und warum die Tories weiter nach rechts rücken dürften.
Wenn Großbritanniens Konservative nach der schweren Wahlniederlage jetzt eine neue Parteiführung auswählen, könnte die passende Anzeige lauten: Partei (erfahren, konservativ, mit miserablem Wahlergebnis) sucht... . Nach gerade mal zwei Jahren gibt Rishi Sunak den Parteivorsitz ab - und die Tories wollen bis Anfang November entscheiden, wer ihm nachfolgen soll. Jetzt endete die Bewerbungsfrist: Sechs Kandidatinnen und Kandidaten haben öffentlich ihre Bewerbungen angekündigt.
Gute Chancen werden der früheren Handelsministerin Kemi Badenoch zugerechnet, die ihre Kandidatur kurz vor Fristablauf in der britischen Tageszeitung "The Times" bekanntgab. Die 44-Jährige wird ähnlich wie Ex-Innenministerin Priti Patel und Ex-Staatssekretär Robert Jenrick eher dem rechten Rand ihrer Partei zugerechnet.
Es bewerben sich auch Ex-Innenminister James Cleverly sowie der ehemalige Staatssekretär Tom Tugendhat und der frühere Arbeitsminister Mel Stride. Sie werden dem moderaten Lager zugerechnet. Aus den sechs Anwärtern sollen vier ausgewählt werden, die beim Parteitag Ende September auftreten. Im Herbst sollen Parteimitglieder dann zwischen zwei Favoriten entscheiden.
Vor drei Wochen hatten die Konservativen bei der Parlamentswahl eine schwere Niederlage erlitten und gegen die Sozialdemokraten von Labour verloren. Jetzt steht die Partei vor einem Richtungsstreit.
Wie ein Politikwissenschaftler die Lage sieht
Politikwissenschaftler Mark Garnett von der Universität Lancaster erwartet, dass die Partei stärker nach rechts rückt. Dabei sei gar nicht unbedingt entscheidend, wer die Partei führen werde. "Meiner Meinung nach werden sich die Konservativen weiter nach rechts bewegen, unabhängig von Sunaks Nachfolge", sagt Garnett.
Der Forscher hält es für wahrscheinlich, dass sich die Partei bei einem Neustart noch stärker auf niedrige Steuern und sogenannte Kulturkriege fokussiert - also etwa Streitfragen um geschlechtliche Identität, ein Thema bei dem auch Kemi Badenoch scharfe Töne anschlägt. Der Fernsehsender Sky News beschrieb sie als konfrontative Kreuzritterin gegen "Wokeness" - ein Schlagwort, das manche zum Beispiel nutzen, wenn ihrer Meinung nach zu sehr darauf geachtet wird, dass man andere nicht diskriminiert.
Nach Einschätzung von Garnett geht Badenoch als Favoritin in den Auswahlprozess. Allerdings werde ihr nachgesagt, gegen Suella Braverman Stimmung gemacht zu haben, das könne womöglich gegen sie verwendet werden. Die Hardlinerin Braverman, die früher Innenministerin war, hatte sich kurzerhand aus dem Rennen zurückgezogen. Druck bekomme die Partei auch beim Thema Migration und von Nigel Farage mit seiner rechtspopulistischen Partei Reform UK, der den Brexit vorantrieb und Donald Trump unterstützt.
Finanzministerin erhebt schwere Vorwürfe
Die neue Finanzministerin Rachel Reeves macht der früheren Regierung derweil schwere Vorwürfe. Sie wirft den Tories vor, ihrer sozialdemokratischen Labour-Partei ein massives Milliardenloch bei den öffentlichen Ausgaben hinterlassen zu haben. Reeves geht von einem "schwarzen Loch" in den öffentlichen Finanzen in Höhe von 22 Milliarden Pfund (rund 26,13 Mrd. Euro) aus. Die vorherige Regierung habe erhebliche Finanzierungszusagen für dieses Haushaltsjahr gemacht, ohne jedoch zu wissen, woher das Geld eigentlich kommen solle, sagte die Ministerin im Parlament. Die Konservativen werfen der neuen Regierung dagegen vor, mit ihrer Darstellung den Weg für mögliche Steuererhöhungen ebnen zu wollen.
- Nachrichtenagentur dpa