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Migration: Von der Leyens EU-Deal soll Ankunft von Flüchtlingen verhindern


Von der Leyen im Libanon
Milliarden-Deal soll Ankunft von Geflüchteten in der EU verhindern

Von dpa
Aktualisiert am 02.05.2024Lesedauer: 4 Min.
Treffen in BeirutVergrößern des Bildes
Der libanesische Ministerpräsident Nadschib Mikati (M) mit dem zypriotischen Präsidenten Nikos Christodoulidis und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Sie haben einen neuen Flüchtlingsdeal bekanntgegeben. (Quelle: Hassan Ammar/AP/dpa-bilder)
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Die EU sieht sich mit einem neuen Flüchtlingsproblem konfrontiert. Zur Lösung kommt ein Milliarden-Deal mit dem Libanon zustande. Das Geld kann der Libanon gut gebrauchen.

Um den Zustrom von bislang im Libanon lebenden Flüchtlingen aus Syrien zu stoppen, hat die EU-Kommission dem Land Finanzhilfen in Höhe von rund einer Milliarde Euro versprochen. Das Geld stünde von diesem Jahr bis 2027 zur Verfügung, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Beirut nach einem Gespräch mit dem libanesischen Ministerpräsidenten Nadschib Mikati und Zyperns Präsident Nikos Christodoulidis an.

Man zähle auf eine gute Zusammenarbeit bei der Verhinderung illegaler Migration und der Bekämpfung von Schleuserkriminalität. Um das Land bei der Steuerung der Migration zu unterstützen, verpflichte sich die EU, legale Wege nach Europa offenzuhalten und Flüchtlinge aus dem Libanon in die EU umzusiedeln.

Mit dem Geld sollen auch die libanesischen Streitkräfte und andere Sicherheitskräfte unterstützt werden. "Dabei geht es vor allem um die Bereitstellung von Ausrüstung und Ausbildung für die Grenzverwaltung", sagte von der Leyen. Darüber hinaus sollen mit den Hilfen das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen im Libanon gestärkt werden.

Zahl der Ankünfte stieg zuletzt drastisch

Angaben von Staatschef Christodoulidis zufolge kamen in den vergangenen Monaten fast täglich Syrer aus dem etwa 160 Kilometer entfernten Libanon mit Booten in der EU-Inselrepublik im östlichen Mittelmeer an. Seit Jahresbeginn wurden bereits rund 4.000 Migranten gezählt – im ersten Quartal des Vorjahres waren es lediglich 78.

In absoluten Zahlen sind das deutlich weniger als beispielsweise in Italien, Spanien und Griechenland, wo Bootsflüchtlinge aus Ländern wie Tunesien, Libyen, Ägypten, Marokko oder der Türkei ankommen. Gemessen an seiner Einwohnerzahl gibt aber nirgendwo in der EU so viele Asylanträge wie auf Zypern. Auf der Insel sind die Flüchtlingslager überfüllt. "Wir sind nicht in der Lage, noch mehr syrische Flüchtlinge aufzunehmen", sagte Christodoulidis vor wenigen Wochen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

EU-Kommissionschefin von der Leyen hat deswegen Hilfe zugesagt. "Es sind wir, die Europäer, die entscheiden, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen. Und nicht das organisierte Verbrechen der Schmuggler und Menschenhändler", erklärte sie am vergangenen Sonntag in einer Rede und verwies auf die bereits existierenden Abkommen mit Ländern wie Tunesien und Ägypten. Auch diese Staaten sollen im Gegenzug für Finanzhilfen in Milliardenhöhe unerwünschte Migration in die EU stoppen.

Der für den Libanon vorgesehene Betrag ist für den Zeitraum bis Ende 2027 vorgesehen. Ein erster hoher dreistelliger Millionenbetrag könnte bereits im Sommer fließen.

Antisyrische Stimmung im Libanon

Ob das EU-Geld ausreicht, um die Lage im Libanon zu entspannen, ist allerdings fraglich. Das Land steckt derzeit in der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrise seiner Geschichte und zählt mit mehr als 1,5 Millionen syrischen Geflüchteten gleichzeitig zu denjenigen Staaten, die pro Kopf weltweit die meisten Geflüchteten aufgenommen haben. Das hat dazu geführt, dass mittlerweile eine antisyrische Stimmung herrscht und viele Flüchtlinge sich aus Angst vor Übergriffen nicht mehr auf die Straße trauen.

"Ich habe Angst, mein Haus zu verlassen. Wenn ich morgens aus dem Haus gehe, gehe ich in Angst. Ich habe immer die Befürchtung, dass meiner Familie während meiner Abwesenheit etwas zustoßen könnte", sagt etwa der Syrer namens Khaled, der seine Heimatstadt Aleppo 2012 wegen des Bürgerkriegs verlassen hat. Die Libanesen behandelten Syrer wie einen Feind.

Berichte über willkürliche Festnahmen und Folter

Menschenrechtlern zufolge wenden libanesische Beamte seit Jahren diskriminierende Praktiken gegen Syrer an, um sie zur Rückkehr nach Syrien zu zwingen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) berichtete, dass die libanesischen Behörden in den vergangenen Monaten Syrer, darunter Oppositionsaktivisten und Armeeüberläufer, willkürlich festgenommen, gefoltert und nach Syrien zurückgeschickt hätten.

Die libanesischen Regierenden vertreten die Meinung, das Bürgerkriegsland sei stabil und sicher genug, um eine Rückkehr zu gewährleisten. Die Vereinten Nationen und andere Menschenrechtsorganisationen sehen dies allerdings weiter anders. Sie weisen darauf hin, dass die wirtschaftliche Lage ein Überleben kaum möglich mache und politische Flüchtlinge um ihr Leben fürchten müssten. Hinzu kommt: Auch der syrische Machthaber Baschar al-Assad will die geflohenen Menschen nicht zurück in seinem Land.

Regierung nur eingeschränkt handlungsfähig

Schwierig ist die Lage im Libanon zudem auch politisch. Im Unterschied zu den autoritär regierten Staaten Tunesien und Ägypten gibt es in dem Land zurzeit nicht mal ein Staatsoberhaupt. Seit eineinhalb Jahren scheitert die Wahl eines Präsidenten hier immer wieder an Machtkämpfen innerhalb der politischen Elite. Aktuell wird das Land von Ministerpräsident Nadschib Mikati geschäftsführend geleitet. Die Regierung ist nur eingeschränkt handlungsfähig.

Auch deswegen will die EU nun auch die Streitkräfte des Landes stärken. Sie werden als ein stabilisierender Faktor in dem an Syrien und Israel grenzenden Land gesehen – auch angesichts der Aktivitäten der vom Iran unterstützten Hisbollah-Miliz. Diese schießt aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf Israel – nach eigenen Angaben aus "Solidarität" mit der Hamas im Gazastreifen. Israel wiederum bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah.

Nahost-Experte warnt vor großem Fehler

Angesichts dieser Gemengelage werden die Pläne der EU auch kritisch gesehen. "Die EU macht im Libanon einen großen Fehler", sagt etwa Riad Kahwaji, Direktor des Institute for Near East and Gulf Military Analysis. Das Land habe eine lange Geschichte interner Probleme, getrieben von konfessionellen Konflikten, die bis heute immer wieder zu einem Machtvakuum führen.

Der Libanon sei in keiner Weise bereit, ein Aufnahmeland für Flüchtlinge zu sein. Die gleichen Politiker, die jetzt Gelder von der EU in Empfang nähmen, würden auf Podien dazu aufrufen, die Syrer aus dem Land zu werfen. "Es ist irre, zu sehen, dass die Europäer an die Illusion glauben, dass die libanesischen Behörden in der Lage wären, den Flüchtlingsstrom einzudämmen."

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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