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Südtirol mit neuartiger Mitte-Rechts-Regierung


Modell für Europa?
Südtirol mit neuartiger Mitte-Rechts-Regierung

Von dpa
Aktualisiert am 31.01.2024Lesedauer: 4 Min.
Silvius-Magnano-Platz in BozenVergrößern des Bildes
Der Silvius-Magnago-Platz in Südtirols Hauptstadt Bozen, links der Sitz der Landesregierung, in der Mitte das Parlamentsgebäude. (Quelle: Christoph Sator/dpa/dpa-bilder)
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Südtirol ist in Deutschland vor allem als Urlaubsziel bekannt. Für die dortige Politik interessierte man sich bislang weniger. Jetzt aber geht die Dauer-Regierungspartei SVP ein Bündnis mit gleich drei Rechtsparteien ein - ein Modell für andere in Europa?

Es sind gerade besondere Tage in Südtirol. Zum einen, weil die mehrheitlich deutschsprachige Provinz im Norden Italiens einen neuen Helden feiern kann: Tennisprofi Jannik Sinner aus dem Bergdorf Sexten, der am Wochenende die Australian Open gewann und nun mit 22 Jahren am Beginn einer Weltkarriere steht. Und dann ist auch noch Zeitenwende in der Landespolitik: mit einer Regierung so groß und auch so weit rechts stehend wie noch nie. Nach dem Ende ihrer Jahrzehnte langen Dominanz hat sich die christdemokratische Südtiroler Volkspartei (SVP) mit gleich drei Parteien aus dem rechten Lager verbündet. Ein Vorzeichen für andere Regionen in Europa?

Die Stimmung in der Urlaubsregion mit ihren 530.000 Einwohnern ist jedenfalls angespannt. Seit sich nach der Wahlschlappe der bisherigen "Sammelpartei" im Herbst mit nur noch 34,5 Prozent die neue Koalition abzeichnete, kam es mehrfach zu Protestmärschen. Sogar ein Pappsarg mit den Initialen SVP wurde durch die Hauptstadt Bozen getragen. Aus Kunst und Wissenschaft gab es Offene Briefe mit Warnungen vor einer "unverhohlen neofaschistischen Politik". Manche werfen dem alten und neuen Regierungschef Arno Kompatscher einen "Pakt mit dem Teufel" vor.

Auch am Mittwoch, bevor die neuen Minister gewählt werden sollten, zogen wieder Demonstranten vor den Landtag. Im Parlament zog sich die Debatte dann so sehr in die Länge, dass die Abstimmung am Abend auf Donnerstag verschoben wurde.

Drei Partner von rechts

Grund der Aufregung ist, dass zur neuen Koalition auch Parteien gehören, die teils weit rechts stehen: die Fratelli d"Italia (Brüder Italiens) von Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni mit Ursprüngen im Postfaschismus, die rechtsnationale Lega von Vize-Regierungschef Matteo Salvini aus der gleichen Parteienfamilie wie die AfD sowie die Freiheitlichen, die der rechtspopulistischen FPÖ aus dem Nachbarland Österreich nahestehen. Kleinster Partner im neuen Fünfer-Bündnis ist die konservative Bürgerliste La Civica.

Die Zusammenarbeit ist auch deshalb heikel, weil die SVP aus historischen Gründen stets großen Wert auf die Abgrenzung nach rechts gelegt hatte: Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Südtirol und die Nachbarprovinz Trentino (damals: Welschtirol) von Österreich abgetrennt und Italien zuerkannt. Der faschistische Diktator Benito Mussolini ließ dann mit dem Ziel einer "Italianisierung" Leute aus dem Süden ansiedeln. Deutsch wurde an den Schulen verboten.

Jenseits der Brandmauer?

Nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte es Jahrzehnte, bis sich die Südtiroler nach einem ersten Autonomiestatut von 1948 das Statut in seiner heutigen Form erstritten. Die SVP war dabei prägende Kraft: Auch deshalb sollte man mit Vergleichen vorsichtig sein. Aus deutscher Perspektive stehen die drei rechten SVP-Partner aber wohl recht nahe an der politischen "Brandmauer" oder schon auf der anderen Seite. Manche meinen sogar, das neue Bündnis sei so ungefähr, als ob CSU-Ministerpräsident Markus Söder in Bayern nicht nur mit den Freien Wählern von Hubert Aiwanger auskommen müsste, sondern auch noch mit der AfD und einem Bayern-Ableger der FPÖ.

Regierungschef spricht von "Zweckgemeinschaft"

Kompatscher will davon nichts wissen. "Der Vergleich hinkt deutlich", sagt der 52-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. "Wir bleiben, wo wir sind. Wir rücken nicht nach rechts." Und ein Pakt mit dem Teufel sei das schon gar nicht. "Wir haben unsere Seele nicht verkauft. Und werden das auch nicht tun." Kompatscher spricht von einer "Zweckgemeinschaft", an der aufgrund von Wahlergebnis und Verfassung praktisch kein Weg vorbeigeführt habe. Zudem könne es von Vorteil sein, mit zwei Parteien zu regieren, die auch in Rom an der Macht sind. Die Opposition hingegen warf ihm am Mittwoch im Landtag vor, sich aus Rom erpressen lassen zu haben.

Tatsächlich ist im Autonomiestatut vorgeschrieben, dass an der Regierung immer auch eine Partei der italienischen Sprachgruppe beteiligt sein muss. So hatte die SVP auch zu Zeiten größter Dominanz immer auch einen Italo-Partner. Neu ist, dass es gleich drei sind - und auch, dass die SVP erstmals eine andere Partei aus dem deutschsprachigen Raum dazu nehmen musste. Die Mitte-Mitte-Rechts-Rechts-Rechts-Koalition (kurz: 2M3R) hat im Parlament nun 19 von 35 Mandaten. Damit im Kabinett alle Posten bekommen, wurde es von acht auf elf Ressortchefs vergrößert.

Kompatscher: Kein Modell für Regierungen rechts der Mitte

Kompatscher weist auch Vermutungen zurück, dass in Südtirol ein Modell für Regierungen weit rechts der Mitte ausprobiert werde, das dann auch in Deutschland oder anderswo zur Anwendung kommen könnte. "Absolut nicht. Ich wehre mich dagegen, dass man hineininterpretieren möchte, dass wir der Vorreiter für irgendwas in dieser Richtung sein sollen." In der Koalitionsvereinbarung stehe ein klares Ja zu Europa und ein klares Nein zu jeglicher faschistischer Ideologie. "Es gibt eine klare rote Linie" verspricht der SVP-Mann. "Wenn das in die falsche Richtung geht, wird die Reißleine gezogen." Die nächste Zeit wird er sehr unter Beobachtung stehen.

Der neue Tennisheld des Landes hält sich aus der Südtiroler Politik derweil heraus. Aus Australien ist Sinner wieder zurück, aber für die Heimat hat er noch keine Zeit. Stattdessen ließ er sich in Rom in einer Umarmung mit der rechten Ministerpräsidentin Giorgia Meloni fotografieren. An diesem Donnerstag, wenn sich das Fünfer-Bündnis in Bozen an die Arbeit macht, bereitet ihm dort auch noch Präsident Sergio Mattarella einen großen Empfang. Südtirol muss warten.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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