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Migration: EU einigt sich auf Asylreform – die Beschlüsse im Überblick


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Nach jahrelangen Diskussionen
So will die EU nun die irreguläre Migration steuern


Aktualisiert am 20.12.2023Lesedauer: 5 Min.
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Im Europäischen Parlament kam es zu einer wichtigen Verkündung. (Quelle: dpa)

Seit 2016 wollen die EU-Staaten ihre gemeinsame Migrationspolitik ändern. Nun gibt es eine Einigung. Ein Überblick.

Das Asylsystem in der EU wird grundlegend reformiert. Nach jahrelangen Diskussionen verständigten sich Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments final auf entsprechende Gesetzestexte, wie die spanische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission am Morgen mitteilten.

Damit kommt die Einigung in letzter Minute: Die EU hatte sich das Ziel gesetzt, bis Ende 2023 eine Einigung zu erzielen, damit die Reform rechtzeitig vor der Europawahl im Juni 2024 beschlossen werden kann. Die Einigung muss nun noch vom Plenum des Europaparlaments und den EU-Staaten bestätigt werden, normalerweise eine Formalität.

Vorgesehen sind zahlreiche Verschärfungen der bisherigen Regeln mit dem Ziel, die irreguläre Migration einzudämmen. Auf was genau wurde sich geeinigt? Und wie sind die Reaktionen? Ein Überblick:

Einheitliches Vorgehen an den Grenzen

Künftig soll es ein einheitliches Vorgehen an den EU-Außengrenzen geben. Dafür gibt es zum einen die Screening-Verordnung. Sie sieht vor, dass irregulär eingereiste Migranten verpflichtend an der Außengrenze registriert und überprüft werden. Erst nach Abschluss dürfen die Asylsuchenden offiziell in die EU einreisen. Das Einlegen von Rechtsmitteln ist nicht vorgesehen. Das Parlament hatte sich dafür eingesetzt, dass die Einhaltung der Menschenrechte beim Screening überwacht werden. Laut den aktuellen Plänen soll das allerdings nur punktuell stattfinden.

Darüber hinaus haben sich die Staaten auf sogenannte Grenzverfahren geeinigt. An den Außengrenzen wird überprüft, ob die eingereiste Person an einem solchen Schnellverfahren teilnehmen muss. Das soll vor allem für Menschen gelten, die aus Ländern stammen, aus denen weniger als 20 Prozent der Asylanträge in Europa positiv entschieden werden. Das gilt etwa für Bürger aus Staaten wie Pakistan oder Marokko.

Zudem dürfen die Staaten auch weitere Menschen in Schnellverfahren nehmen, wenn sie durch sogenannte sichere Drittstaaten eingereist sind. Durch diese Regelung könnten dann auch Menschen aus Syrien oder Afghanistan, die derzeit eine hohe Anerkennungsquote haben, in Schnellverfahren landen.

Deutschland scheiterte mit seiner Forderung, Familien mit Kindern von den Grenzverfahren auszunehmen. Das hatten insbesondere die Grünen gefordert. Allein reisende Minderjährige sollen allerdings nicht in Grenzverfahren kommen. Bis zur Entscheidung über den Asylantrag und für die Zeit des Screenings sollen die Menschen unter haftähnlichen Bedingungen in Auffanglagern untergebracht werden können.

Zudem soll es möglich sein, Asylbewerber direkt an der Außengrenze abzuschieben, auch in sogenannte sichere Drittstaaten. Das Einlegen von Rechtsmitteln gegen die Entscheidungen aus den Schnellverfahren wird eingeschränkt.

Die Pläne sehen vor, dass diese Verfahren für die EU-Staaten verpflichtend werden. In diesem Punkt hat sich der EU-Rat durchgesetzt; das Parlament hatte darauf gedrungen, dass die Mitgliedstaaten selbst entscheiden können, ob sie diese Verfahren durchführen können.

Sichere Drittstaaten-Konzept soll ausgeweitet werden

Die EU will das Konzept der sicheren Drittstaaten ausweiten. Dorthin sollen Menschen abgeschoben werden können, auch wenn sie einen aussichtsreichen Asylantrag in der EU stellen. Voraussetzung ist, dass es eine Verbindung zwischen dem Asylsuchenden und dem Drittstaat gibt.

Welche Länder als sicherer Drittstaat gelten, können die EU-Staaten selbst festlegen. Länder wie Italien und Österreich zählen dazu etwa Tunesien oder Albanien. Neu ist, dass nun auch Teilgebiete eines Staates als sicher deklariert werden können und dass die betreffenden Staaten die Genfer Flüchtlingskonvention nicht unterzeichnet haben müssen.

Solidaritätsmechanismus unter den EU-Staaten

Im Normalfall soll das EU-Land, in das die Asylsuchenden zuerst eingereist sind, für die Menschen zuständig bleiben. Sollten viele Menschen in kurzer Zeit ankommen, soll ein neuer sogenannter Solidaritätsmechanismus dafür sorgen, dass die ankommenden Menschen in der EU gerechter auf die Mitgliedstaaten verteilt werden. Hauptankunftsstaaten wie Italien und Griechenland sollen so entlastet werden.

Einen verbindlichen Verteilmechanismus aber gibt es nicht. Staaten, die keine oder nur wenige Geflüchtete aufnehmen wollen, müssen andere Unterstützung leisten, etwa in Form von Geldzahlungen. Gegen eine solche Regelung hatten sich zuvor vor allem Polen und Ungarn gewehrt.

Gemischte Reaktionen bei den Grünen

Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet von der Reform der EU-Asylpolitik eine Erleichterung für Deutschland. "Damit begrenzen wir die irreguläre Migration und entlasten die Staaten, die besonders stark betroffen sind – auch Deutschland", schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Einigung sei ein "ganz wichtiger Beschluss". Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) teilte mit, die Einigung sei "von größter Bedeutung". Wenn das Europa der offenen Grenzen bewahrt werden solle, "müssen wir die Außengrenzen schützen und funktionierende Verfahren erreichen", betonte Faeser.

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Auch Außenministerin Annalena Baerbock begrüßte die Einigung: Das "war dringend notwendig und längst überfällig", sagte die Grünen-Politikerin. Deutschland werde in der Umsetzung des neuen Asylsystems darauf achten, "dass es fair, geordnet und solidarisch zugeht".

Aus ihrer Partei gab es allerdings Widerspruch. Der EU-Abgeordnete Erik Marquardt schrieb auf X: "Die Tragweite der Reform oder die Folgen sind leider weder in der Öffentlichkeit noch in den EU-Mitgliedstaaten wirklich präsent." Zuvor hatte er bemängelt, dass "fast alle aus Praxis und Wissenschaft davon ausgehen, dass die Reform nicht helfen oder schaden wird." Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour zog ein gemischtes Fazit. Den Einstieg in eine Verteilung von Migranten in Europa bewertet Nouripour positiv. Aber: "Die Ergebnisse enthalten an vielen Stellen schmerzhafte Punkte", meinte Nouripour. "Beispielsweise die Verpflichtung der Außengrenzstaaten zu Verfahren an den Grenzen sehen wir weiterhin kritisch."

Zuspruch gab es hingegen aus der Union und von den Liberalen. Die EU-Abgeordneten Lena Düpont (CDU) und Jan-Christoph Oetjen (FDP) begrüßten die Einigung. "Damit stellen wir die bisherigen Notlösungen endlich auf vernünftige Beine und liefern Humanität und Ordnung im Einklang!", teilte Düpont mit. Oetjen schrieb auf X: "Müde, aber glücklich!"

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Sozialverbände und Flüchtlingshelfer kritisierten die Einigung scharf. Pro Asyl zeigte sich "entsetzt": "Dieser von den europäischen Gesetzgebern beschlossene Abbau von Menschenrechten im Flüchtlingsschutz versperrt für viele den Zugang zu Schutz", sagte die rechtspolitische Sprecherin Wiebke Judith. Europa "errichtet ein System der Haftlager für Menschen, die fliehen und nichts verbrochen haben – selbst für Kinder und ihre Familien".

Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt, monierte: "Vom Flüchtlingsschutz in Europa bleibt kaum etwas übrig." Und weiter: "Menschen, die vor Krieg, Folter und Hunger fliehen und zu den Schutzbedürftigsten der Welt zählen, können jetzt monatelang in Lagern inhaftiert werden."

An der Reform wird bereits seit 2015/2016 intensiv gearbeitet. Damals waren Länder wie Griechenland mit der immensen Zahl an Geflüchteten aus Ländern wie Syrien überfordert, Hunderttausende konnten unregistriert in andere EU-Staaten weiterziehen. Dies hätte eigentlich nicht passieren dürfen, denn nach der sogenannten Dublin-Verordnung sollen Asylbewerber da registriert werden, wo sie die EU zuerst betreten haben.

Daraufhin schlug die EU-Kommission erstmals bereits 2016 neue Regeln vor. Die Verhandlungen gestalteten sich allerdings bis zuletzt als sehr zäh. Während Ländern wie Ungarn die Vorschläge nicht scharf genug waren, äußerten Hilfsorganisationen und Teile von Linken und Grünen Bedenken, dass die Menschenrechte bei den Asylverfahren nicht genügend geachtet würden.

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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