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Frankreich | Einwanderungsgesetz sorgt für Spannungen in der Regierung


"Rassistischster Text seit 40 Jahren"
Einwanderungsgesetz sorgt für politisches Beben in Frankreich

Von dpa, afp
Aktualisiert am 20.12.2023Lesedauer: 3 Min.
Emmanuel Macron (Archivbild): Der französische Präsident will die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes beim Verfassungsrat prüfen lassen.Vergrößern des Bildes
Emmanuel Macron (Archivbild): Der französische Präsident will die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes beim Verfassungsrat prüfen lassen. (Quelle: LUDOVIC MARIN)

Die Verabschiedung eines neuen Migrationsgesetzes hat zum Rücktritt eines Ministers geführt. Macron will nun die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes prüfen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will die Verfassungsmäßigkeit eines gerade erst beschlossenen und innerhalb seines Lagers umstrittenen Einwanderungsgesetzes prüfen lassen. "Der Präsident wird den Verfassungsrat anrufen und der Verfassungsrat wird sagen, wie es sich verhält", sagte Premierministerin Élisabeth Borne am Morgen dem Sender France Inter in Paris.

Das umstrittene Gesetz war am späten Dienstagabend vom Parlament beschlossen worden, allerdings in einer unter Druck der konservativen Oppositionspartei Les Républicains deutlich verschärften Fassung. An einigen Punkten habe die Regierung verfassungsrechtliche Zweifel, sagte Borne.

Le Pen spricht von "ideologischen Sieg"

Die linke Opposition prangerte "den schlimmsten rassistischen und ausländerfeindlichen Text seit 40 Jahren" an, während die rechtsnationale Fraktionschefin Marine Le Pen von einem "ideologischen Sieg" sprach. Etwa ein Viertel des Regierungslagers hatte dagegen gestimmt oder sich enthalten. Die Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes führte zu erheblichen politischen Spannungen – und bewog Gesundheitsminister Aurélien Rousseau zum Rücktritt. Das Gesetz muss noch von Macron unterzeichnet werden, um in Kraft zu treten.

Regierungssprecher Olivier Véran bestätigte am Mittag den Rücktritt Rousseaus. Der Gesundheitsminister habe nicht an der Kabinettssitzung teilgenommen, sagte er. Es gebe aber "keine Bewegung eines ministeriellen Aufstandes". Premierministerin Elisabeth Borne sprach von möglichen Widersprüchen zur Verfassung, wies aber auch ihrerseits zurück, dass es eine Krise im Regierungslager gebe.

Kompromiss schärfer als erster Entwurf

Für Präsident Macron sollte das Einwanderungsgesetz eine der wichtigsten Reformen seiner zweiten Amtszeit werden. Der vom Vermittlungsausschuss innerhalb weniger Stunden ausgearbeitete und nun verabschiedete Kompromiss ist aber deutlich schärfer gefasst als der erste Entwurf der Regierung. Unter anderem sieht er vor, dass Migranten, die in Branchen mit Personalmangel arbeiten, nur in Einzelfällen ein Bleiberecht bekommen sollen. Ursprünglich sollte dies für alle gelten.

Nicht-EU-Ausländer müssen künftig fünf Jahre lang in Frankreich sein, bevor sie bestimmte Sozialleistungen in Anspruch nehmen können. Dieser Punkt war bis zuletzt besonders umstritten. Nach Ansicht der Rechtspopulisten wird damit die "nationale Priorität" festgeschrieben. Wenn Migranten arbeiten, verkürzt sich die Zeit, Studierende und anerkannte Asylanten sind von der Frist ausgenommen.

Premierministerin: Kompromiss habe schwächen

Die rechte Opposition hatte überdies versucht, die medizinische Versorgung von Migranten durch eine reine Nothilfe zu ersetzen. Die Abschaffung der medizinischen Versorgung ist im Gesetzestext nun nicht enthalten, aber Borne stellte eine Änderung für Anfang 2024 in Aussicht.

Die Premierministerin gab zu, dass der nun verabschiedete Text Schwächen habe. "Es ist zum Beispiel vorgesehen, wenn jemand einen Kanadier oder einen Japaner heiratet, der nicht gut Französisch spricht, dass derjenige dann nicht nach Frankreich kommen kann. Ich denke, das kann nicht so bleiben", sagte Borne dem Sender France Inter. "Wir werden den Verfassungsrat anrufen."

Entscheidung des Verfassungsrats im Januar

Der Vermittlungsausschuss war eingesetzt worden, weil die Nationalversammlung den Text überraschend komplett zurückgewiesen hatte, nachdem der Senat den ersten Entwurf der Regierung deutlich verschärft hatte. Macron hatte ursprünglich ein "ausgewogenes" Gesetz auf den Weg bringen wollen, das einerseits die Integration fördern und andererseits das Abschieben von Migranten ohne Bleiberecht erleichtern sollte.

Der französische Verfassungsrat überprüft, ähnlich wie das deutsche Bundesverfassungsgericht, Gesetze und Vorhaben auf ihre Rechtmäßigkeit. Wenn der Rat ein Gesetz vor dem Inkrafttreten auf seine Verfassungsmäßigkeit prüft, ergeht die Entscheidung binnen einer Frist von dreißig Tagen, in dringenden Fällen binnen acht Tagen. Wenn Macron den Verfassungsrat noch vor Weihnachten anruft, dürfte im Januar klar sein, ob er das Gesetz in seiner jetzigen Form in Kraft setzen kann oder ob es nachgebessert werden muss.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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