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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Anführer der Hamas-Terroristen Das Gesicht des Terrors
Als die Hamas am Samstag Israel überfiel, meldeten sich zwei Anführer der Terrororganisation zu Wort. Wer sind die Männer, die Hunderte Menschenleben auf dem Gewissen haben?
Inhaltsverzeichnis
Mit einem Großaufgebot griff die radikale Palästinenserorganisation Hamas am Wochenende Israel an. Mit Bulldozern, Motorrädern und sogar Drachenfliegern überwanden die Terroristen die Grenze des Gazastreifens zu Israel und forderten die stärkste Armee des Nahen Ostens heraus – mit verheerenden Folgen für beide Seiten. Hunderte Menschen starben, Zivilisten wurden verschleppt.
Die Hamas soll den Angriff nicht allein geplant haben, Unterstützung soll sie unter anderem vom Iran und aus Russland erhalten haben. Die Strukturen der Terrororganisation sind komplex, es gibt nicht den einen Verantwortlichen. Doch zwei Köpfe spielen in diesen Tagen eine besonders große Rolle: Ismail Haniyya und Mohammed Deif. Wer sind die Männer, die Leid und Tod über Israel bringen?
Ismail Haniyya
Ismail Haniyya wurde 1962 im Gazastreifen geboren und gilt als politischer Anführer der Hamas. Seit 2017 leitet er das Politbüro der Terrororganisation, das vom sogenannten Shura-Rat gewählt wird. "Die Terrororganisation Hamas ist insofern eine demokratische Bewegung, als die formale Autorität und die Führungspositionen durch interne Wahlen bestimmt werden", erklärte Islam-Experte Erik Skare im Gespräch mit dem "Tagesspiegel". 2021 bestätigte der Shura-Rat Haniyya in seinem Amt. Damals gab es keinen Konkurrenten.
Am Samstag, als die Hamas-Terroristen Israel überfielen, propagierte Anführer Haniyya in einer Fernsehansprache, die Palästinenser stünden "vor einem großen Sieg". Den arabischen Staaten sagte er, ihre Verhandlungen um die Normalisierung der Beziehungen zu Israel trügen nicht zur Lösung des Konflikts um Palästina bei. Haniyya drohte, dass der gewaltsame Kampf bis in die Westbank und nach Jerusalem ausgedehnt werde. Er lächelte zwischenzeitlich bei dieser Ansprache, zeigte keine Spur von Reue.
Haniyya blickt auf eine jahrzehntelange Mitgliedschaft bei der Hamas zurück. Er schloss sich der Terrororganisation bereits kurz nach ihrer Gründung Ende der 1980er Jahre an. Immer wieder saß er im Gefängnis.
Haniyya soll in Katar und in der Türkei leben
Doch schnell stieg er in der Hamas auf: Bis 2004 war er Berater des Hamas-Gründers Ahmed Jassin, der dann durch einen israelischen Luftangriff getötet wurde. Als die Terrororganisation 2006 die palästinensischen Parlamentswahlen gewann, übernahm Haniyya das Amt des Ministerpräsidenten der Palästinensischen Autonomiegebiete. Es war das erste Mal, dass die Hamas dort die Führung innehatte.
In der Folge übernahm die Hamas 2007 nach blutigen Kämpfen die Kontrolle im Gazastreifen. Haniyya wurde zum dortigen Hamas-Chef. Zehn Jahre später wurde er von Yahya Sinwar abgelöst, Haniyya selbst übernahm den Posten als Vorsitzender des Politbüros. Ein oder zwei Jahre später soll er Berichten zufolge den Gazastreifen verlassen haben. Nun soll er in der Türkei und in Katar leben und von dort aus die Geschäfte führten. Ob er zurückkehren will, ist nicht bekannt. Die USA haben Haniyya als internationalen Terroristen eingestuft.
Mohammed Deif
Neben Ismail Haniyya spielt Mohammed Deif als zweiter wichtiger Kopf eine zentrale Rolle bei der Hamas. Er war es auch, der in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober den Großangriff auf Israel verkündete. Deif ist der Chef der Kassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas. In seiner im Fernsehen verbreiteten Audionachricht erklärte Deif, seine Organisation wolle dem "Verbrechen Israels" ein Ende setzen – mit der "Operation Al-Aksa-Flut". Gleichzeitig stürmten die Hamas-Kämpfer Israel und töteten Hunderte Zivilisten.
Deifs Botschaften sind rar, er gilt seit Jahrzehnten als "Phantom", im Fernsehen war er selbst nicht zu sehen. In Israel ist Deif der meistgesuchte Terrorist. Er betrachtet die Oslo-Abkommen, die Ende der 1990er Jahre kurzzeitig eine ausgehandelte Friedenslösung versprachen, als Verrat an ihrem Widerstand und dem ursprünglichen Ziel der Terrororganisation Hamas, Israel durch einen palästinensischen Staat zu ersetzen (lesen Sie hier mehr zur Ideologie der Hamas).
Deif überlebte mehrere Attentate
Bereits mehrmals hat die israelische Armee versucht, den Militärchef zu töten – ohne Erfolg. Im Gaza-Krieg 2014 etwa griff das israelische Militär sein Haus an, doch Deif entkam. Seine Frau und sein Sohn starben. 2006 soll Deif bei einem israelischen Luftangriff ein Auge, einen Arm und zwei Beine verloren haben. Die Hamas hat diese Informationen nie bestätigt – und es gibt kaum Bilder des Militärchefs. Auch der israelische Geheimdienst soll nicht über ein aktuelles Foto verfügen. Folgende alte Aufnahme kursiert in den sozialen Medien:
Nahost-Experte Oraib Rantawi sagte dem "Tagesspiegel", der schwere Angriff habe Deifs Einfluss jedoch keinen Abbruch getan. Im Gegenteil: Es verleihe ihm bei vielen Menschen quasi einen Heldenstatus.
Deifs Nachname bedeutet aus dem arabischen übersetzt "Gast". Berichten zufolge soll der Name auf die Taktik palästinensischer Terroristen anspielen, jede Nacht woanders zu schlafen, um sich vor dem israelischen Geheimdienst zu verstecken.
Deif schloss sich Ende der 1980er Jahre der Hamas an
Mohammed Deif wurde 1965 in Gaza geboren. Ende der 1980er Jahre schloss er sich der Terrororganisation Hamas an. An der Islamischen Universität in Gaza machte er laut Berichten seinen Bachelor in Naturwissenschaften. Sein damaliges Vorbild soll Yahya Ayyash gewesen sein – ein Bombenbauer mit dem Spitznamen "Ingenieur". Der Terrorist wurde für den Tod von mindestens 50 Menschen verantwortlich gemacht. 1996 tötete der israelische Geheimdienst Ayyash.
Zu diesem Zeitpunkt war Deif bereits fester Bestandteil der Kassam-Brigaden. Zwischenzeitlich hatte er wegen seiner Hamas-Militärmitgliedschaft länger als ein Jahr in einem israelischen Gefängnis gesessen. "Von Beginn seines Lebens bei der Hamas an konzentrierte er sich auf den militärischen Bereich", sagte ein damaliger Zellengenosse laut "Financial Times" über Deif. "Er war sehr nett (...), immer ein Patriot, der kleine Cartoons machte, um uns zum Lachen zu bringen", so der Ex-Häftling, der ebenfalls der Hamas angehören soll. Deif soll außerdem eine islamische Theatergruppe gegründet haben.
"Wenn wir ihn angeschaut hätten, hätten wir ihn nicht erkannt"
Doch sein Fokus war stets die Hamas: Er stieg in den Kassam-Brigaden auf. Laut einem israelischen Beamten soll er an der Entwicklung der ersten rudimentären Rakete der Terrororganisation beteiligt gewesen sein. Die Hamas verfügt inzwischen über Zehntausende Raketen dieser Art. Allein am Wochenende sollen Tausende von ihnen auf Israel abgefeuert worden sein. Zudem soll Deif als Architekt eines jahrzehntelangen Programms zum Bau eines Tunnelnetzes unter Gaza tätig gewesen sein.
2002 wurde Deif zum Chef der Kassam-Brigaden ernannt. Zuvor hatte Israel den vorherigen Anführer Saleh Shehada ermordet. Nachdem Deif bei dem besagten Angriff 2006 schwer verletzt worden sein soll, übernahm Ahmad Jabari zwischenzeitlich die Leitung des terroristischen Militärs. Jabari wurde im November 2012 getötet. Seitdem steht Deif dort an der Spitze.
Das US-Außenministerium führt ihn laut der Denkfabrik European Council on Foreign Relations, wie auch Haniyya, als "Specially Designated Global Terrorist" (SDGT), also internationalen Terroristen – doch kaum jemand weiß, wo er ist. In Gaza sagt man Berichten zufolge über den Militärchef: "Wenn wir ihn angeschaut hätten, hätten wir ihn nicht erkannt."
- ecfr.eu: "MOHAMMED DEIF" (englisch)
- ft.com: "Who is ‘The Guest’: The Palestinian mastermind behind deadly Israel incursion" (englisch)
- english.aawsat.com: "Mohammed Deif, the Voice of War" (englisch)
- tagesspiegel.de: "Wer sind die Köpfe hinter dem Angriff auf Israel?"
- morgenpost.de: "Mohammed Deif: Wer ist der Terror-Chef der Hamas?"
- rnd.de: "Gazastreifen: Hamas bestätigt ihren Chef Hanija im Amt"
- dailymotion.com: "US puts Hamas top leader Ismail Haniya on 'terror list'" (englisch)
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters