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Flüchtlingskrise: Italien will "außergewöhnliche Maßnahmen" ergreifen


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Notstand auf Mittelmeerinsel
Italien reagiert "außergewöhnlich" auf Flüchtlingsansturm


Aktualisiert am 22.09.2023Lesedauer: 4 Min.
Lampedusa ist am Limit: Die italienische Insel ist maßlos überfordert und rief den Notstand aus. (Quelle: Glomex)
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Tausende Menschen steuern derzeit Lampedusa an – mehr als die Insel Einwohner zählt. Italien reagiert mit "außergewöhnlichen Maßnahmen". Aber was steckt dahinter?

Chaos und Verzweiflung machen sich auf Lampedusa breit. Auf der kleinen Mittelmeerinsel zwischen Sizilien und Nordafrika kommen in diesen Tagen Tausende Menschen an, die – meist über Tunesien – wegen Krisen, Kriegen und Armut aus Nordafrika und dem Nahen Osten geflüchtet sind.

Die Überfahrt ist lebensgefährlich – und auch in Italien können sich die Menschen noch nicht in Sicherheit wiegen. Vergangene Woche starb etwa ein Neugeborenes, als die Küstenwache Neuankömmlinge an Land bringen wollte (hier lesen Sie mehr dazu).

Die Behörden vor Ort sind stark überlastet. Der Stadtrat hat den Notstand ausgerufen. Lampedusa zählt zusammen mit der Nachbarinsel Linosa eigentlich nur knapp 6.500 Einwohner. Vergangene Woche waren zwischenzeitlich 6.800 Geflüchtete im Erstaufnahmelager der Insel untergebracht – obwohl dort nur für maximal 600 Menschen Platz ist. Dem Roten Kreuz zufolge wurden nun bereits mehrere Hundert Menschen nach Sizilien oder aufs Festland gebracht. Dennoch ist die Lage höchst angespannt – und setzt Italien und die EU zunehmend unter Druck.

"Außergewöhnliche Maßnahmen"

Die italienische ultrarechte Regierungschefin Georgia Meloni sieht deshalb dringenden Handlungsbedarf. Sie kündigte "außergewöhnliche Maßnahmen" an, um die irreguläre Migration auf Lampedusa einzudämmen. An diesem Montag berät das Kabinett über ein solches Maßnahmenpaket. Einige Punkte, die dabei auf den Tisch kommen werden, sind bereits bekannt.

So hatte Meloni schon am Freitagabend Beschlüsse zur Verschärfung der Abschiebehaft sowie die Einrichtung von Abschiebehaftanstalten durch das Militär angekündigt. Konkret bedeutet das die Anhebung des Höchstmaßes der Haftdauer bei Abschiebungen auf 18 Monate, dem laut EU-Recht zulässigen Maximum.

Mit der Verschärfung der Abschiebehaft will Meloni sicherstellen, dass irregulär Eingereiste so lange festgehalten werden können, wie es für die Prüfung des jeweiligen Asylantrags erforderlich ist. So soll eine mögliche Abschiebung einfacher geschehen können.

Meloni fordert härteres Vorgehen gegen Migranten

Darüber hinaus soll das Verteidigungsministerium den Auftrag erhalten, Strukturen zu schaffen, um irregulär eingereiste Migranten festzusetzen. Die Einrichtungen sollen nach Melonis Worten "in abgelegenen, möglichst dünn besiedelten Gebieten" errichtet werden, die leicht eingegrenzt und überwacht werden können.

Insgesamt fordert Meloni ein härteres Vorgehen gegen Migranten. Die Menschen müssten schon in Nordafrika an der Überfahrt nach Europa gehindert werden. Die Umverteilung der Menschen auf die Mitgliedstaaten löse das Problem nicht. Sie sagte, es sei Aufgabe der gesamten EU, die Situation zu bewältigen.

Auch deshalb machte sich Meloni am Sonntag zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein Bild der Lage auf Lampedusa. Die wiederum sicherte Italien europäische Unterstützung zu. Das Mittelmeer solle stärker überwacht werden, und sie unterstütze es, Optionen zur Ausweitung von Marineeinsätzen im Mittelmeer auszuloten oder an neuen Einsätzen zu arbeiten. "Wir werden entscheiden, wer in die Europäische Union kommt – und unter welchen Umständen. Und nicht die Schleuser", so von der Leyen. Dabei helfen soll ein Zehn-Punkte-Plan der Kommission. Lesen Sie hier mehr zu dem Treffen.

2023 bereits mehr als 127.000 Menschen in Italien angekommen

Derweil werden sehr viele Menschen von der kleinen Insel nach Sizilien oder in Unterkünfte auf dem Festland gebracht. An der tunesischen Küste gingen Sicherheitskräfte am Samstag mit einem Großaufgebot gegen Migranten und Schlepper vor, um sie gar nicht erst nach Lampedusa starten zu lassen. Zahlreiche Menschen wurden festgenommen. Die EU hatte mit Tunesien im Gegenzug für Finanzhilfen im Sommer vereinbart, dass die dortigen Sicherheitsbehörden stärker gegen Schlepper und das Ablegen von Booten vorgehen sollten.

Dass die Situation sich zunehmend zuspitzt, zeigt sich auch an den Zahlen: Über das Mittelmeer erreichten dieses Jahr laut Innenministerium bereits mehr als 127.200 Menschen das Land (Stand 15. September). Im Vorjahreszeitraum waren es rund 66.200. Nur rund die Hälfte stellt laut Innenministerium in Rom aber einen Asylantrag in Italien.

Eigentlich sind die EU-Außengrenzstaaten verpflichtet, die Ankommenden zu registrieren und die Asylverfahren dort beginnen zu lassen. Um sie zu entlasten, war ein freiwilliger Mechanismus eingeführt worden, weil sich osteuropäische Länder wie Polen weigern, Migranten und Flüchtlinge aus den südlichen EU-Staaten aufzunehmen.

Deutschland stoppte zwischenzeitlich Programm

Doch die Vereinbarung ist brüchig. Zwischenzeitlich hatte zuletzt auch Deutschland sein Programm zur zusätzlichen Aufnahme von Migranten aus Italien gestoppt, weil die Regierung in Rom ihre Verpflichtungen zur Rücknahme von Schutzsuchenden nach den sogenannten Dublin-Regeln nicht einhalte. Von mehr als 12.400 Übernahmeersuchen an Italien durch die Bundesregierung in diesem Jahr bis Ende August seien bislang nur zehn von Italien akzeptiert worden, hieß es vergangene Woche in Berlin.

Der Solidaritätsmechanismus

war im Juni vergangenen Jahres zwischen einigen EU-Ländern, darunter Deutschland, vereinbart worden. Ursprünglich hatte Deutschland zugesagt, 3.500 Asylbewerber aus besonders belasteten Staaten an Europas Südgrenzen zu übernehmen. Bislang wurden über den sogenannten freiwilligen europäischen Solidaritätsmechanismus 1.700 Schutzsuchende überstellt, damit sie in Deutschland ihr Asylverfahren durchlaufen. Davon stammen rund 1.000 aus Italien und 670 aus Zypern.

Am Freitag jedoch die Kehrtwende: Die Bundesregierung will die freiwillige Aufnahme angesichts der Massenankünfte doch fortsetzen. Ob das die Lage auf Lampedusa kurzfristig entspannen kann, ist aber fraglich. Zu groß scheint aktuell die Zahl derer zu sein, die auf der Insel Schutz suchen.

Für die Inseleinwohner wird die Lage derweil immer belastender. Viele helfen den ankommenden Menschen, geben ihnen Wasser und Essen. Dennoch klagen viele über ein Problem, das so nun bereits seit mehreren Jahrzehnten herrsche, wie ein Bewohner dem Nachrichtensender Euronews sagte: "Eine 20 Quadratkilometer große Insel hat entschieden, dass sie nicht mehr der Ort sein kann, an dem ein solches Phänomen abgeladen wird."

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters
  • tagesschau.de: "Lampedusa am Limit"
  • dw.com: "Lampedusa: 'Eine Krise für die Insel, nicht für Italien'"
  • de.euronews.com: "Lampedusa: Bevölkerung macht Druck auf von der Leyen"
  • welt.de: "Bundesregierung will wieder freiwillig Migranten aus Italien aufnehmen"
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