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Wagner-Aufstand gegen Putin gescheitert: Wie geht es für Prigoschin weiter?


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Gescheiterter Aufstand in Russland
Die Gefahr ist nicht gebannt


Aktualisiert am 26.06.2023Lesedauer: 6 Min.
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Abzug aus Rostow: Prigoschin und die Wagner-Söldner wurden von Schaulustigen bejubelt. (Quelle: t-online)

Am Wochenende ist der Streit zwischen dem Wagner-Chef und der russischen Militärführung eskaliert. Obwohl der Aufstand beendet ist, kann Putin nicht aufatmen. Der aktuelle Stand im Überblick.

Der seit Monaten schwelende Machtkampf zwischen Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin und der russischen Militärführung ist am Wochenende eskaliert: Die Söldner übernahmen am Samstag die Kontrolle über die Großstadt Rostow am Don. Dort befindet sich unter anderem das Militärhauptquartier für die Region Süd – eine Kommandozentrale für den Krieg gegen die Ukraine.

Prigoschin und seine Männer hielten ganz Russland in Atem. Es gab auch Sorgen vor einem Bürgerkrieg. Welche Folgen hat der Aufstand für den Kreml? Und ist die Gefahr für Putin gebannt? Ein Überblick:

Was ist passiert?

Anlass für den Aufstand war dem Söldnerchef zufolge, dass am Freitagabend ein Wagner-Lager im Hinterland mit Raketen, Hubschraubern und Artillerie angegriffen worden sei. Dabei seien viele Söldner getötet worden. Den Befehl dafür habe Verteidigungsminister Sergej Schoigu gegeben, behauptete er. Das Verteidigungsministerium bestritt dies vehement.

Weitere Kolonnen der Wagner-Kämpfer machten sich von Rostow am Don auf den Weg nach Moskau und lieferten sich in der Region Woronesch Kämpfe mit Sicherheitskräften. In der Hauptstadt wurden eilig Straßen aufgerissen, Sandsäcke gestapelt, Kontrollpunkte errichtet und der Anti-Terror-Notstand ausgerufen. Putin sprach in einer TV-Ansprache von einem "Stoß in den Rücken" und rief die Wagner-Truppe auf, sich zu ergeben. Daraufhin hielt Prigoschin dem Kremlchef vor, die Lage völlig falsch einzuschätzen. Über seine aufständische Truppe sagte er: "Wir sind Patrioten unserer Heimat."

Nach rund 24 Stunden scheiterte Prigoschins Revolte. Die aufständischen Truppen zogen sich auf Anordnung ihres Chefs wieder zurück – zuvor hatte der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko zwischen Prigoschin und dem Kreml vermittelt. Die Bedingungen für ein Ende des Aufstandes lesen Sie hier. Bis zu 15 russische Kämpfer sollen am Samstag ums Leben gekommen sein.

Welche Folgen hat der gescheiterte Aufstand für den Kreml?

Die Folgen des bewaffneten Aufstands der Wagner-Söldner sind noch nicht absehbar. Die Experten der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) sind sich außerdem unsicher, ob beide Seiten die Vereinbarungen einhalten werden. Nach Ansicht vieler Experten offenbart die Meuterei Schwächen in der Herrschaft des russischen Präsidenten.

Der Berliner Russlandforscher Stefan Meister sagte t-online, dass die Situation "durchaus gefährlich" für Putin sei. Dieser habe mit Prigoschin etwas laufen lassen, das er nicht mehr kontrolliere. Die Privatisierung militärischer Einheiten, wie bei Prigoschins Söldnerarmee, räche sich jetzt. "Der russische Staat hat in Teilen das Gewaltmonopol verloren", sagte der Experte von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am Samstag. Lesen Sie weitere Einschätzungen Meisters zur Lage in Russland.

Der unabhängige Politologe Konstantin Kalatschew sagte zur Nachrichtenagentur AFP, dass die Krise der Institutionen und des Vertrauens in Russland nun für jeden offensichtlich geworden sei. "Der gestrige Aufruf zur Einheit von den Vertretern der Eliten bestätigt dies nur", sagte Kalatschew. Er sprach auch von Sorgen der russischen Führungsriege angesichts von Russen in Rostow, die Wagner-Einheiten bejubelten. "Putins Position ist geschwächt", fuhr er fort.

Kiesewetter: "Er muss innenpolitische Stärke zeigen"

Beobachter merkten zudem an, dass es für den Staatschef demütigend sei, dass Lukaschenko den Waffenstillstand ausgehandelt habe. Schließlich wird Lukaschenko im Duo mit Putin eigentlich in der Rolle des Juniorpartners gesehen. Als große Schwäche wird dem Kremlchef aber vor allem ausgelegt, dass es überhaupt zu einem solchen Aufstand kommen konnte.

Roderich Kiesewetter, außenpolitischer Sprecher der Union, rechnet nun mit einem noch härteren Vorgehen des Kremlchefs. "Putin muss jetzt bei seinen Widersachern den Eindruck vermeiden, er sei angeschlagen. Er muss innenpolitische Stärke zeigen", sagte Kiesewetter dem Berliner "Tagesspiegel". Putin werde "den Krieg gegen die Ukraine intensivieren, noch brutaler machen als bislang schon".

Wie geht es mit Schoigu weiter?

Unklar ist auch, wie sich der Aufstand und die danach geschlossene Vereinbarung zwischen Prigoschin und Putin auf das russische Verteidigungsministerium auswirken wird. Wie das ISW berichtete, deuteten interne Kremlquellen darauf hin, dass der Kremlchef einen Führungstausch in Erwägung ziehe.

Demnach vermuteten einige russische Quellen, dass Alexej Djumin Sergej Schoigu als Verteidigungsminister ablösen könnte. Djumin ist der derzeitige Gouverneur des Gebiets Tula, ehemaliger Sicherheitsoffizier Putins und ehemaliger Chef der russischen Spezialeinheiten. Die Experten konnten diese Vermutungen nicht bestätigen. Aber sie schlussfolgern: "Jede Veränderung an der Spitze des Verteidigungsministeriums wäre ein bedeutender Sieg für Prigoschin." Hier lesen Sie mehr zur möglichen Zukunft Schoigus.

Ist die Gefahr für Putin gebannt?

Nein – denn der Unmut der Kritiker hält an oder ist durch den Aufstand sogar größer geworden. Und: Prigoschin hat der Welt vor Augen geführt, dass man in Russland eine Millionenstadt wie Rostow am Don ohne Widerstand besetzen kann. Experten sind uneins, wie Russlands Zukunft aussehen könnte.

Sicherheitsexperte Ivo Daalder, Ex-US-Botschafter bei der Nato, prognostizierte am Samstag auf Twitter: "Putin wird wahrscheinlich vorerst überleben. Aber die vergangenen 24 Stunden werfen ernsthafte Fragen über seine Machtbeherrschung auf." In Autokratien ziehe selbst der Geruch von Schwäche die Opposition an. "Putin sollte sich besser in Acht nehmen", schrieb Daalder.

Sabine Adler, Osteuropaexpertin beim Deutschlandradio, sagte am Sonntag bei "Anne Will": "Die Zukunft Russlands ist meiner Meinung nach eine höchst unsichere. (...) Ich glaube, es ist der Anfang vom Ende." (Hier lesen Sie mehr dazu.)

Militärexperte Gustav Gressel setzte dem auf Twitter entgegen: "Viele Äußerungen wie 'Das wird das Ende von Putin sein' und 'Das ist das Ende des Krieges' sind (...) Wunschdenken. Putin ist nicht unbesiegbar, aber um ihn in die Ecke zu drängen, brauchen wir eine ernsthafte, langfristige militärische, finanzielle und politische Anstrengung zur Unterstützung der Ukraine." In dieser Hinsicht sei der Westen noch zu langsam, zu unentschlossen, zu zögerlich und zu sehr mit seiner eigenen Innenpolitik beschäftigt.

Wie geht es für Prigoschin und die Wagner-Armee weiter?

Prigoschin wurde zuletzt am Samstag gesehen, als er Rostow am Don verließ. Der Vereinbarung mit Putin zufolge soll er nun nach Belarus ins Exil. Im Gegenzug soll das Strafverfahren gegen ihn eingestellt worden sein. Darüber herrscht jedoch Unklarheit: Die russische Nachrichtenagentur Tass berichtete am Montag, die Ermittlungen gingen weiter. Unabhängig davon ist zweifelhaft, ob Prigoschin sich in Sicherheit wägen kann. Hier lesen Sie mehr dazu.

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Auch die Kämpfer der Wagner-Truppe sollen angesichts ihrer Verdienste an der Front in der Ukraine nicht strafrechtlich verfolgt werden, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Samstag. Es sei vereinbart worden, dass die aufständischen Söldner "zu ihren Stützpunkten zurückkehren". Kämpfer, die nicht an dem Aufstand teilgenommen haben, hätten auch die Möglichkeit, in die russische Armee aufgenommen zu werden, so Peskow.

Russlands Militärführung könnte den ISW-Experten zufolge eine Integration der Wagner-Kämpfer in die offiziellen russischen Streitkräfte anstreben. Doch es ist unklar, ob sich die Kämpfer überhaupt eingliedern lassen. Die Politologin Tatjana Stanowaja schrieb in ihrem Telegram-Kanal: "Jetzt läuft eine Demontage von Wagner. (...) Das Ende von Prigoschin ist auch das Ende von Wagner."

Ob die Söldner weiterhin im Krieg gegen die Ukraine eingesetzt werden, ist demnach ebenfalls fraglich. Ein Ausweg könnte Afrika sein: In mehreren Staaten auf dem Kontinent hat Wagner Söldner im Einsatz. Unklar ist derzeit auch, ob die Kämpfer ihrem Anführer nach Belarus folgen dürfen. Lesen Sie hier mehr dazu, wie die Zukunft der Privatarmee aussehen könnte.

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Wie reagiert das Ausland?

International war die Eskalation in Russland mit Besorgnis aufgenommen worden. Am Sonntag forderte Litauen wegen des angekündigten Exils Prigoschins im Nachbarland Belarus eine Stärkung der Nato-Ostflanke.

US-Außenminister Antony Blinken sagte im US-Fernsehen, der Aufstand habe "echte Risse" in der Autorität des russischen Staats zutage befördert. "Der Mythos von Einigkeit von Putins Russland ist vorbei", zitierte eine Zeitung den italienischen Außenminister Antonio Tajani. Auch der französische Präsident sprach von "Spaltungen" in der russischen Führung.

Aus China kamen unterstützende Worte. Das Außenministerium in Peking erklärte, dass China Russland beim "Schutz der nationalen Stabilität" unterstütze.

"Erheblich besorgniserregend"

Die Ukraine reagierte am Wochenende erfreut über das Chaos in Russland. Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak erklärte, Prigoschin habe Putin mit seiner abgebrochenen Rebellion "gedemütigt und gezeigt, dass es nicht länger ein Gewaltmonopol" in Russland gebe.

Der Außenpolitiker Jürgen Trittin von den Grünen nannte es "erheblich besorgniserregend", dass die Atommacht Russland "von einer Söldnertruppe erpresst worden" sei. Auf eine solche Eskalation sei "niemand vorbereitet, auch nicht die USA". Ein "drohender Bürgerkrieg oder ein Zerfall Russlands" seien eine besorgniserregende Dimension, sagte Trittin dem "Tagesspiegel". Die Eskalation habe Putin "massiv geschadet".

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • zdf.de: "Wie geht es weiter mit Prigoschin?"
  • unsterstandingwar.org: "RUSSIAN OFFENSIVE CAMPAIGN ASSESSMENT, JUNE 24, 2023" (englisch)
  • unsterstandingwar.org: "RUSSIAN OFFENSIVE CAMPAIGN ASSESSMENT, JUNE 25, 2023" (englisch)
  • twitter.com: Beiträge von @GresselGustav und @IvoHDaalder
  • spiegel.de: "Ein Blutvergießen ist abgewendet – und nun?" (kostenpflichtig)
  • tass.ru: "Источник подтвердил продолжение расследования дела в отношении Пригожина" (russisch)
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