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Russischer Tech-Gigant: "Putin hat keine Ahnung, wie man eine Volkswirtschaft führt"


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Russischer Tech-Gigant strauchelt
"Putin hat keine Ahnung"


Aktualisiert am 11.02.2023Lesedauer: 6 Min.
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Kremlchef Wladimir Putin (rechts) und Yandex-Mitgründer Arkadi Wolosch im Jahr 2017 bei einem Besuch in der Moskauer Konzernzentrale: Der Kreml baut seit Jahren seinen Einfluss auf den Techkonzern aus. (Quelle: Mikhail Metzel)
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Yandex war in Russland lange ein hochmoderner IT-Konzern, ein echter Google-Konkurrent. Doch der Krieg bringt den Konzern heftig ins Wanken – und zeigt den Niedergang der russischen Wirtschaft.

Wer in Russland lebt, muss nicht googeln. In Russland wird geyandext. Millionen von Russinnen und Russen suchen mit Yandex die neuesten Café-Empfehlungen oder planen ihren nächsten Urlaub. Und Yandex bietet mehr: E-Mail-Konto, News, Staumelder, Taxifahrten, Essenslieferungen oder auch Yandex-Maps, das seinem US-Vorbild täuschend ähnelt. Wer in Russland lebt, kann einen ganzen Tag mit Yandex verbringen, ohne einmal Google anzuklicken.

Lange war Yandex damit der russische Digitalstolz, ein Pionier der Tech-Branche, ein agiler, innovativer Konzern, milliardenschwer, einflussreich, omnipräsent. Diesen Nimbus aber verliert das Unternehmen gerade. Yandex gerät in den Abwärtssog der westlichen Sanktionen, steht sinnbildlich für den Niedergang der russischen Wirtschaft. Und dieser Niedergang hatte lange vor den Sanktionen eingesetzt.

Yandex allein treffen die Sanktionen auf gleich mehreren Ebenen.

Schon seit dem 28. Februar 2022 ist die Yandex-Aktie vom Handel an der US-Tech-Börse Nasdaq ausgeschlossen. Zuvor war der Kurs bereits von einst stolzen 60 Dollar im November 2021 auf knapp 19 Dollar Ende Februar 2022 eingebrochen. Der Zustrom von Investorengeldern schwand stark infolge der Sanktionen. Womöglich noch schlimmer für Yandex: Mitgründer und Anteilseigner Arkadi Wolosch landete auf der EU-Sanktionsliste, sein Auslandsvermögen wurde eingefroren und stand dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung.

Hinzu kommt, dass die Strafen ganz praktische Folgen haben: Yandex fehlt der Zugang zu Hardware. Der Import westlicher Chips und Halbleiter ist nahezu zum Erliegen gekommen – fatal für einen Technologie-Konzern, der genau diese Hightech-Importe dringend für die Produktentwicklung braucht.

Außerdem hat Russland viele hoch qualifizierte IT-Spezialisten verloren. "Sie hat man geradezu aus dem Land getrieben", sagt Michael Rochlitz, Wirtschaftswissenschaftler an der Uni Bremen. Denn infolge der Mobilisierung für den Krieg in der Ukraine haben Zehntausende russische IT-Expertinnen und Experten das Weite gesucht. In Russland haben Studiengänge in technologischen Feldern eine lange Tradition, und auch Yandex selbst gründete einst eine eigene Akademie. Doch die Techexperten haben in der Regel keine Schwierigkeiten, bei internationalen Unternehmen eine gut bezahlte Stelle zu finden. Und dass sie bald zurückkehren, ist mehr als fraglich – zumal eine erneute Mobilisierungswelle droht. Die Geschichte eines IT-Experten, der Yandex verlassen hat und nun im Ausland lebt, lesen Sie hier.

Und dann erlebte Yandex vergangene Woche auch noch einen schweren Imageschaden: Quellcodes, die der Konzern für die Bilderanzeige der Suchmaschine nutzt, wurden geleakt. Hacker zeigten, dass Yandex Suchergebnisse ganz im Sinne der Kreml-Propaganda manipuliert. Es wurde offensichtlich, wie nah Yandex dem Kreml und dessen Chef Wladimir Putin tatsächlich steht. Ausgerechnet.

Der Kreml wurde früh aufmerksam

Denn das Unternehmen startete in Russland einst als unabhängiger IT-Konzern in den 1990er Jahren mit der ersten kyrillischen Suchmaschine überhaupt. Es wuchs rasant, versprach Innovation, baute einen Campus in Moskau, vermittelte das Gefühl von Silicon Valley. Und gab sich stets bewusst apolitisch. Es ging ums Programmieren, Entwickeln, nicht um Politik. Und an Yandex kam bald niemand mehr vorbei. Das fiel auch im Kreml auf.

Früh versuchte die Regierung, Einfluss auf die Geschäfte und Struktur des Konzerns zu nehmen. Der Kreml wollte bei der Besetzung der Chefetage mitreden und verlangte immer öfter, dass kritische Medien bei Suchanfragen herausgefiltert werden. Auch soll Yandex inzwischen dazu gedrängt werden, Algorithmen preiszugeben, gewissermaßen das Konzern-Geheimrezept. Anfangs wehrte sich das Unternehmen erfolgreich gegen die Einflussnahme. Aber dann lenkte Yandex in einem entscheidenden Punkt ein.

Die russische Regierung verabschiedete 2017 ein Gesetz zur Medienkontrolle, wollte damit zu ihren Gunsten mitentscheiden, was die Menschen bei der Nachrichtensuche angezeigt bekommen und was nicht. Der Tech-Konzern gab nach, um nicht bestraft zu werden. Seitdem zeigt Yandex News nur noch Ergebnisse von Medien an, die bei der staatlichen Aufsichtsbehörde Roskomnadsor registriert sind – unabhängige Publikationen sind in der Ansicht, die Google News ähnelt, nicht mehr zu sehen oder nur mit VPN, einem speziellen Internetzugang.

Die Politologin Alena Epifanova spricht in diesem Zusammenhang von "Selbstzensur". Sie forscht bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) zu russischer Digitalpolitik und erinnert sich: "Das war ein Skandal. Yandex hat sich seitdem immer weiter von seinem Ursprungsanspruch entfernt, ein unabhängiges IT-Unternehmen zu sein." Mit dem russischen Krieg in der Ukraine verstärkte sich diese Zensur, die Suchmaschine Yandex sortiert kräftig aus. Yandex ist heute Teil der staatlich kontrollierten Kriegspropaganda.

Für den Konzern ist das ein Dilemma: Yandex muss nach russischen Gesetzen handeln, darf aber zugleich seine westlichen Investoren nicht verprellen. Denn Yandex war schon immer internationalen Märkten gegenüber aufgeschlossen, etwa denen der USA, der EU und Israels, wo das Unternehmen ebenfalls mit Produkten Erfolg hat. Und fast 90 Prozent der Yandex-Aktien befinden sich im Streubesitz, viele gehören westlichen Fonds.

Auch deshalb kam es 2022 zu einem folgenreichen Schritt in der Firmengeschichte. Mitgründer Arkadi Wolosch verließ seinen Chefposten, und mit ihm ging ein Stellvertreter. Kurz zuvor war schon eine CEO gegangen. Und dann spaltete sich Yandex auch noch auf: in einen russischen und einen internationalen Zweig.

An die russische Unternehmensspitze rückte Alexej Kudrin, langjähriger Finanzminister und Putin-Vertrauter. Er ist ein Mann mit direktem Draht in den Kreml. So baute Putin die Kontrolle über Yandex weiter aus.

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Die Super-Suchmaschine veränderte sich nicht nur personell, verheerender noch war, dass mit Wolosch nun auch der wichtigste Zweig des Konzerns gen Israel entschwand: das sogenannte cloud computing, die Entwicklung selbstfahrender Autos, die Arbeit mit Supercomputern und künstlicher Intelligenz. Sprich: die zukunftsträchtigen Sparten. Was blieb, ähnelte eher einer digitalen Resterampe: Altgediente, seit Jahren etablierte Serviceprodukte wie Taxi, Navigation, Mails.

Das Unternehmen habe verzweifelt versucht zu retten, was zu retten ist, sagt Experte Rochlitz, den Schaden hatte der in Russland verbliebene Ableger – und die gesamte russische Wirtschaft. Denn hier sieht Forscher Rochlitz ein generelles Problem: ein fehlendes Bewusstsein dafür, wie sich Russland für die Zukunft wirtschaftlich fit machen kann.

"Russlands Wirtschaft ist traditionell stark abhängig von Öl und Gas und Exporten dieser Rohstoffe. Doch auf diese Rohstoffe kann Russland nicht ewig zählen", sagt Rochlitz. Abnehmerländer orientierten sich bereits seit Jahren um, setzten etwa auf erneuerbare Energien. "Die EU etwa will bis 2035 aus Verbrennermotoren aussteigen und bald nur noch E-Autos produzieren. Saudi-Arabien, die Länder am Golf, versuchen daher von den traditionellen Ressourcen wegzukommen", sagt Rochlitz, "aber in Russland wird darüber gar nicht diskutiert, was nach Öl und Gas kommt."

"Russland wird für die IT-Branche immer uninteressanter"

Und nun zeige das Beispiel Yandex, dass Russland die Chance, wirtschaftlich mit IT-Innovationen groß zu werden, vertan habe. Russland hätte ein Zeitfenster von etwa zehn Jahren gehabt, um das Land mit den jetzigen Einkünften aus Rohstoffen weniger abhängig zu machen, sagt Rochlitz. Stattdessen führe das Land "einen völlig destruktiven Krieg", der sogar noch diese Einkünfte zusammenbrechen lasse und auch alle anderen Möglichkeiten zerstöre, die man gehabt hätte. "Putin hat keine Ahnung, wie man eine moderne Volkswirtschaft führt. Er und die russische Führung wissen nicht, wie man dieses Land auf die Zukunft vorbereitet", sagt der Wissenschaftler.

Eine Meinung, die Forscherin Epifanova teilt: "Russland wird für die IT-Branche immer uninteressanter." In Russland sagen Analysten: Schau auf Yandex und du weißt, wie es Russland geht. Nicht gut, das steht fest.

Aber hatte Yandex eine Wahl? Nicht, um als Konzern zu überleben, meint Epifanova. Sie sieht zwar noch Chancen für Yandex: "Es bleibt ein in Russland wichtiges Konkurrenzprodukt von Google. Weil es auf den russischen Markt und auf die russischsprachigen Nutzer weltweit zugeschnitten ist."

Doch zeitgleich baue sich ein anderer player im Land auf, sagt sie: VK, ein Konzern, der in den Neunzigerjahren als E-Mail-Anbieter startete, immer mehr IT-Dienste übernahm und mit der Übernahme des russischen Facebook "VKontakte" mächtiger wurde. Im Sommer 2022 hat VK Yandex sogar Yandex News abgekauft. Für Yandex war damit das Dilemma perfekt: Es war so zwar seine unliebsame Propaganda-Newsseite los, doch verlor es auch einen extrem reichweitenstarken Unternehmensteil. Während VK wächst, rutscht Yandex ab.

Dem Kreml kommt das wohl gelegen: VK ist nicht derart offen und international orientiert wie Yandex mit seinen vielen westlichen Anteilseignern. VK gilt als kremlfreundlich. Und VK ist fast hauptsächlich in Besitz des russisch-usbekischen Milliardärs Alischer Usmanow. Er ist nicht nur berüchtigt für seine russlandweite unternehmerische und politische Einflussnahme. Er gilt auch als einer der Lieblingsoligarchen von Wladimir Putin.

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