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Presse zum Skandal in Österreich: "Die ganze ÖVP ist toxisch geworden"


Presse zum Skandal in Österreich
"Von Kurz' Saubermann-Image ist nichts mehr übrig"

Von dpa, t-online
Aktualisiert am 09.10.2021Lesedauer: 3 Min.
Sebastian Kurz: Der österreichische Kanzler bestreitet die Vorwürfe.Vergrößern des Bildes
Sebastian Kurz: Der österreichische Kanzler bestreitet die Vorwürfe. (Quelle: Martin Juen/SEPA Media/imago-images-bilder)
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Noch wenige Tage bis zum wohl alles entscheidenden Misstrauensvotum gegen Kanzler Kurz. Der will vorher auf keinen Fall weichen. So kommentiert die Presse die jüngsten Entwicklungen.

In Österreich haben Korruptionsermittlungen gegen Kanzler Kurz und seinen engsten Kreis eine Regierungskrise ausgelöst. Die Grünen als Koalitionspartner halten den Regierungschef inzwischen für nicht mehr amtsfähig.

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Am Dienstag muss sich Kurz, der die Vorwürfe bestreitet, in einer Sondersitzung des Nationalrats einem Misstrauensantrag stellen. Seine Abwahl gilt inzwischen als fast sicher. Um Neuwahlen zu vermeiden, haben alle anderen Parlamentsparteien inzwischen Sondierungen für alternative Regierungskonstellationen gestartet. So kommentiert die Presse den Showdown bis zum Dienstag.

Die österreichische Tageszeitung "Der Standard" kommentiert, dass der Treueschwur der ÖVP harte Konsequenzen für die gesamte Partei nach sich zieht:

"Mit den Hausdurchsuchungen wurden zunächst nur Kurz und sein innerer Zirkel untragbar. Mit dem Treueschwur der Partei ist nun die ganze ÖVP toxisch geworden. Denn niemand kann es sich erlauben, mit einem Partner zu regieren, gegen dessen Führung wegen Korruption ermittelt wird. (...)

Auch wenn die ÖVP womöglich damit rechnet, ein zweites Mal mit Kurz in der Opferrolle in Neuwahlen zu gehen: Die Voraussetzungen für die Zeit danach sind schlecht. Den 'neuen Stil' des Regierens, den Kurz versprochen hat, glaubt niemand mehr; vom Saubermann-Image ist nach der Lektüre der Chats nichts mehr übrig. Dem Parteichef drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis, sollten ihm die vorgeworfenen Taten nachgewiesen werden."

Die "Wiener Zeitung" zieht Vergleiche zum jüngsten Absturz der deutschen CDU in den Wahlen. Was passiert, wenn die Leitfigur einer Partei wegfällt?

"Das politische Ausnahmetalent Kurz hat es – Merkel nicht ganz unähnlich – geschafft, eine inhaltlich nicht besonders konturenstarke Partei zur stärksten des Landes zu machen. Was aber passiert, wenn die Leitfigur wegfällt und die Leere bleibt, musste bei der jüngsten Wahl die CDU erfahren.

Eine ÖVP, die aus welchem Grund auch immer auf Kurz verzichten müsste, würde wohl ebenfalls in der Wählergunst stark abstinken. Eine Partei, deren inhaltliche Fundamente nicht gerade stark sichtbar sind, weil sie zur Machtagentur umgebaut wurde, steht wie ein Luftballon ohne Hülle da, wenn jene Person wegfällt, auf die sie zugeschnitten ist. (...)

Wenn bürgerliche Politik aus der Entwicklung in Deutschland etwas lernen kann und will, dann wohl, dass der weitgehende Verzicht auf eine klar konturierte bürgerliche Politik irgendwann an seine Grenzen stößt."

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Die deutsche Tageszeitung "taz" schreibt, dass sich die Beteiligten durch detaillierte Beschreibungen in Chatprotokollen selbst ausgeliefert haben:

"Gigantomanisches Selbstbild, Selbstverliebtheit des Anführers, Führerkult der Günstlinge und die kriminelle Energie der gesamten Bande haben ein Ausmaß angenommen, das nicht einmal die härtesten Kritiker von Kurz angenommen hätten. Die Chatprotokolle, die bis gestern Nachmittag durchsickerten, lassen einen mit offenem Mund zurück.

Der nun hoch wahrscheinliche völlige Zusammenbruch des Systems Kurz ist einer skurrilen Form der "Digitalisierungsoffensive" geschuldet: Die Beteiligten haben sich in aufreizender Vertrotteltheit und euphorischer Aufgeblasenheit so detailliert via Whatsapp und SMS abgesprochen, dass sie sich selbst ans Messer geliefert haben. Die Gigantomanie mag dazu sicher noch beigetragen haben, denn die geht gerne mit der Illusion der Unverwundbarkeit und damit auch mit mangelnder Vorsicht einher."

Die Wochenzeitung "Die Zeit" blickt auf die Rolle der Grünen in dieser Regierungskrise ihr langes Festhalten an Sebastian Kurz hat auch eine positive Lesart:

"Für die Grünen kommt die Regierungskrise zur Unzeit. Sie haben erst diesen Herbst, wenige Tage vor den Hausdurchsuchungen, einige ihrer großen Versprechen zum Klimaschutz umsetzen können: das Klimaticket zum Beispiel, eine Jahreskarte für den gesamten öffentlichen Verkehr und eine ökosoziale Steuerreform, CO2-Bepreisung inklusive. (...)

Natürlich wird den Grünen der Vorwurf gemacht werden, zu lange an Sebastian Kurz festgehalten zu haben. Sie haben dessen harte Asylpolitik toleriert und seine Angriffe auf die Justiz zwar zurückgewiesen, aber am Ende immer wieder mit ihm weitergemacht.

Doch es gibt noch eine andere Lesart der 21 Monate, in denen die Grünen nun regiert haben: Sie haben es als konstruktive Partei zumindest so lange wie möglich versucht, mit einem so grundverschiedenen Koalitionspartner zusammenzuarbeiten. Es war, allen Gegensätzen zum Trotz, ein seltenes Beispiel von Kooperation in Zeiten politischer Polarisierung."

Verwendete Quellen
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