Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin Grüne halten sich Unterstützung von der Leyens offen
Um Nachfolgerin von Jean-Claude Juncker zu werden, braucht von der Leyen breite Rückendeckung des EU-Parlaments. In Brüssel rührt sie die Werbetrommel. Die Grüne sehen ihre Kandidatur für den Posten weiter kritisch.
Die Grünen im Europaparlament sehen eine Zustimmung für Ursula von der Leyen als Nachfolgerin von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker weiter kritisch. "Wir sehen wirklich keine guten Gründe, warum wir für sie stimmen sollten. Das hat sich nicht geändert", sagte Fraktionschefin Ska Keller nach einem gut einstündigen Gespräch mit der CDU-Politikerin am Montag in Brüssel. Allerdings habe es nur einen ersten Austausch gegeben, inhaltliche Zusagen habe von der Leyen nicht gemacht. "Wir warten auf ganz konkrete Politik-Angebote", sagte Keller.
Dafür könnte die jetzige Bundesverteidigungsministerin bei einer Fraktionssitzung der Grünen Gelegenheit haben, zu der die Partei sie am Montag einlud. Das Treffen soll nach Angaben Kellers live im Internet übertragen werden. Allerdings müsse noch ein Termin gefunden werden.
Viel Zeit bleibt nicht. Nach dem vorläufigen Zeitplan soll das Europaparlament bereits am Dienstag kommender Woche (16. Juli) darüber abstimmen, ob von der Leyen im Herbst Präsidentin der EU-Kommission wird. Sie würde dann nicht nur Chefin von über 30.000 Beamten, sondern könnte auch politische Linien und Prioritäten für Europa vorschlagen. Die EU-Kommission macht so zum Beispiel die Gesetzesvorschläge, die vom Parlament und dem Rat der EU-Staaten beraten werden.
Europas Herausforderungen anpacken
Außer den Grünen traf von der Leyen am Montag den zukünftigen EU-Ratschef und derzeitigen Ministerpräsidenten von Belgien, Charles Michel. Ein Sprecher Michels teilte im Anschluss mit, die beiden Spitzenpolitiker hätten diskutiert, wie sich die wichtigsten Ziele der EU am besten erreichen ließen. Als Beispiele nannte er den Aufbau eines "klimaneutralen, fairen und sozialen Europas", die "Schaffung neuer Arbeitsplätze" und die "Förderung europäischer Interessen auf globaler Ebene".
Europa sei mit großen Herausforderungen wie dem Brexit, dem Klimawandel und dem noch ungeklärten kommenden EU-Haushalt konfrontiert, hieß es weiter. "Ursula von der Leyen und Charles Michel sind sich einig, dass die europäischen Institutionen zusammenarbeiten werden müssen, um diese Themen anzugehen."
Auf ihrer Werbetour für eine möglichst breite Unterstützung durch das EU-Parlament will von der Leyen an diesem Dienstag auch Gespräche mit der rechten EKR-Fraktion führen, am Mittwoch sind dann Treffen mit Liberalen und Sozialdemokraten geplant.
Braucht sie die Stimmen der Grünen?
Auf Journalistenfragen antwortete die CDU-Politikerin am Montag nicht. Stattdessen schrieb sie auf Twitter, sie sei seit Sonntag wieder in Brüssel und habe ihr Team getroffen. "Vor uns liegt eine Woche harter Arbeit und viele intensive, politische Gespräche über die nächsten fünf Jahre für unser Europa."
Von der Leyen braucht bei der Abstimmung im Parlament die Stimmen von mehr als der Hälfte der Abgeordneten. Nach derzeitigem Stand wären das 374. Christdemokraten, Sozialisten und Liberale kommen zusammen auf 444 Sitze. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die Fraktionen geschlossen für von der Leyen stimmen. Die deutschen Sozialdemokraten etwa haben bereits deutlich gemacht, dass sie nicht für von der Leyen stimmen werden. Für eine stabile Mehrheit bräuchte es deshalb wohl auch Stimmen der Grünen.
Keller sprach am Montag von einem "sehr netten Austausch", wollte sich aber noch nicht festlegen. Man habe in dem Gespräch klar gemacht, dass es etwa beim Klimaschutz und der Seenotrettung klare Zusagen brauche. Da die EU-Kommission unter anderem neue Gesetze für die Staatengemeinschaft vorschlägt, hat sie großen Einfluss auf die Gestaltung der europäischen Politik.
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Keller forderte von der Leyen zudem dazu auf, das Spitzenkandidaten- Prinzip für die nächste Europawahl zu stärken. Demnach kann nur ein Politiker Chef der EU-Kommission werden, der zuvor den Wahlkampf seiner Partei angeführt hat. Die CDU-Politikerin wurde von den Staats- und Regierungschefs hingegen als Überraschungskandidatin vorgeschlagen. Dies sei für die europäische Demokratie ein Rückschritt gewesen, sagte Keller.
- Nachrichtenagentur dpa