Spitzenposten in der EU Lösung mit Weber beim Brüsseler Personal-Poker in Sicht
Seit Wochen dauert der Streit um die Spitzenposten in der Europäischen Union an. Am Sonntag soll eine Entscheidung fallen – kurz vor dem Termin zeichnet sich eine Konstellation ab, in der Manfred Weber doch noch auf einen der wichtigen Posten kommt.
Auf der Suche nach einer neuen Führung für die Europäische Union zeichnet sich vor einem EU-Sondergipfel an diesem Sonntag eine mögliche Lösung ab. Wie die Deutsche Presse-Agentur in Brüssel erfuhr, ist der niederländische Sozialdemokrat Frans Timmermans als Präsident der EU-Kommission im Gespräch, der CSU-Politiker Manfred Weber als Präsident des Europaparlaments. Noch sei das Personalpaket aber nicht unter Dach und Fach, betonten Diplomaten und Parteienvertreter.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Samstag beim G20-Gipfel im japanischen Osaka von einer möglichen Lösung mit Weber und Timmermans. Die beiden hatten ihre Parteienfamilien als Spitzenkandidaten in die Europawahl geführt – Weber die Europäische Volkspartei (EVP) und Timmermans die Sozialdemokraten (SPE). Das Europaparlament will nur einen der Spitzenkandidaten als Chef der EU-Kommission akzeptieren.
Merkel sagte: "Auf jeden Fall sind die beiden Spitzenkandidaten Teil der Lösung, und das ist ganz wichtig." Ein Konflikt mit dem Parlament werde wohl vermieden. Einzelheiten nannte die CDU-Politikerin aber nicht und stellte klar, dass die Entscheidung noch ausstehe. Auch Vizekanzler Olaf Scholz sagte nichts Näheres, äußerte sich aber "zuversichtlich, dass es zu einer Verständigung kommen könnte".
Frankreichs Macron gegen Spitzenkandidaten-Prinzip
Grünen-Europachef Reinhard Bütikofer begrüßte die Erwägungen. "Wenn es tatsächlich dazu kommt, dass Frans Timmermans Kommissionspräsident wird und Manfred Weber Parlamentspräsident, ist das aus meiner Perspektive eine gute Lösung", sagte Bütikofer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der Chef der SPD-Abgeordneten im Europaparlament, Jens Geier, sagte der dpa: "Es ist ermutigend, dass das Spitzenkandidatenprinzip nun offenbar überwiegend akzeptiert wird."
Vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron ist Gegner dieses Prinzips, wonach nur einer der Spitzenkandidaten bei der Europawahl Chef der EU-Kommission werden soll. Macron stellte sich vehement gegen den Deutschen Weber, obwohl dessen EVP bei der Wahl stärkste Partei geworden war. Die "Welt" meldete , Weber sei für den Posten des Kommissionschefs aus dem Rennen. Die Kanzlerin hätte dem zugestimmt. Als Quelle gaben die Autoren "informierte Kreise" an. Bis zum Samstagnachmittag wurde dieses Gerücht nicht offiziell bestätigt.
Wie die dpa erfuhr, hätte Weber wohl nicht nur die Option auf den Posten des Parlamentspräsidenten, sondern könnte auch Erster Vizepräsident der Kommission werden. Die EU-Kommission ist in etwa vergleichbar mit einer Regierung, die Gesetze vorschlägt und deren Einhaltung überwacht.
Vorbehalte gegen Timmermanns aus östlichen Mitgliedsstaaten
Macron sagte in Osaka: "Ich denke, die Sache kommt voran." Ob es im Kreis aller 28 Mitgliedstaaten Konsens gebe, werde man aber erst am Sonntagabend beim EU-Sondergipfel in Brüssel sehen. "Ich weiß nicht, was die anderen denken", sagte Macron. Gegen Timmermans gab es zuletzt Vorbehalte bei Staats- und Regierungschefs einiger östlicher Mitgliedstaaten. Ob sie den Widerstand aufgeben, ist unklar.
Zu besetzen sind insgesamt fünf Spitzenpositionen: Neben dem Kommissions- und dem Parlamentspräsidenten sind das die Ämter des Präsidenten des Europäischen Rats und der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie der EU-Außenbeauftragten. Sie sollen in einem Paket aus Männern und Frauen, verschiedenen Parteien und europäischen Regionen besetzt werden. Gestritten wird schon seit einem Monat.
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Die Staats- und Regierungschefs haben das Vorschlagsrecht beim EU-Kommissionspräsidenten, das Europaparlament muss den Kandidaten wählen. Für eine solide Mehrheit im Parlament müssen EVP, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne zusammenarbeiten. Alle Parteien wollen sich berücksichtigt sehen, wobei die Grünen vor allem inhaltliche Vorgaben für die nächste Kommission durchsetzen wollen.
- Nachrichtenagentur dpa