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Neuer Rückschlag für Theresa May: "Wir sind Rande einer Brexit-Katastrophe"


Neuer Rückschlag für Theresa May
"Wir sind am Rande einer Brexit-Katastrophe"

Von dpa, pdi, aj

Aktualisiert am 21.02.2019Lesedauer: 4 Min.
Theresa May versucht mit der EU ein Brexit-Abkommen mit der EU auszuhandeln. Bislang fand die Premierministerin im eigenen Land dafür keine Zustimmung.Vergrößern des Bildes
Theresa May versucht mit der EU ein Brexit-Abkommen mit der EU auszuhandeln. Bislang fand die Premierministerin im eigenen Land dafür keine Zustimmung. (Quelle: dpa)

Die britische Premierministerin May war wieder bei EU-Kommissionschef Juncker - ohne greifbare Ergebnisse. Nun reist der Oppositionsführer nach Brüssel. Im Gepäck hat er eine plakative Botschaft.

Zuvor hatte May selbst in Brüssel mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erneut über mögliche Lösungen für den EU-Austritt gesprochen, aber keinen Durchbruch erzielt. Nach dem Treffen hieß es nur, das Gespräch sei konstruktiv gewesen, man rede weiter und werde sich noch vor Ende des Monats wieder treffen. Am Donnerstag sollten Brexit-Minister Stephen Barclay und Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox die Gespräche in Brüssel wieder aufnehmen.

Großbritannien will die EU am 29. März verlassen - doch noch immer ist kein Konsens beim Austrittsvertrag in Sicht. Mitte Januar hatte das Abkommen im britischen Parlament keine Mehrheit gefunden. May will Nachbesserungen, um es doch noch rechtzeitig ratifiziert zu bekommen. Die EU lehnt Änderungen an dem Vertrag aber strikt ab.

Parteiaustritte schwächen May

Die britische Premierministerin Theresa May hatte mitten im Ringen um eine Brexit-Einigung mit der Europäischen Union zuhause in London einen neuen Nackenschlag eingesteckt: Drei EU-freundliche Abgeordnete traten am Mittwoch aus ihrer Konservativen Partei aus und schlossen sich einer neuen "Unabhängigen Gruppe" im Unterhaus an.

Bei der EU kommt May ebenfalls kaum weiter. Man werde wohl nicht "zu Potte kommen", sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker schon vor einem Gespräch mit May.

Die Regierungschefin hofft auf Zugeständnisse der EU, um den Brexit-Vertrag rechtzeitig vor dem für 29. März angekündigten EU-Austritt ratifiziert zu bekommen. Mitte Januar hatte er im britischen Parlament keine Mehrheit gefunden. May will nun am Papier nachbessern, was die EU aber strikt ablehnt.

Nächste Woche soll May dem Unterhaus Bericht erstatten. Dann könnte eine neue Abstimmungsrunde folgen. Die Ausgangslage wird mit dem Fraktionsaustritt der drei Tory-Abgeordneten Heidi Allen, Sarah Wollaston und Anna Soubry allerdings noch unübersichtlicher.

Die drei Frauen gingen mit scharfer Kritik an den erzkonservativen Brexit-Befürwortern in der Konservativen Partei und tun sich nun mit acht ehemaligen Labour-Abgeordneten zusammen, die ihrerseits die Oppositionspartei aus Protest verlassen hatten. Mays ohnehin knappe und wacklige Regierungsmehrheit wird damit weiter geschwächt. Doch könnten die Parteiaustritte auch Bewegung und womöglich neue Konstellationen im Parlament bringen.

Treffen mit Juncker in Brüssel

Der Fraktionschef der Schottischen Nationalpartei SNP, Ian Blackford, interpretierte die Lage äußerst düster und erklärte: "Westminster ist zerbrochen. Wir sind in einer konstitutionellen Krise, am Rande einer Brexit-Katastrophe - und doch ist dieser Ort im Krieg mit sich selbst. Die Tories und die Labour-Partei implodieren."

May selbst äußerte sich zwar "betrübt über diese Entscheidung" ihrer drei Parteikolleginnen, gab sich aber unerschütterlich. Mit Blick auf den Brexit sagte sie: "Wir machen das Richtige für unser Land." Mit dieser Haltung versucht sie auch weiter, die EU doch noch zu Änderungen des Austrittsabkommens zu bewegen - obwohl Brüssel das öffentlich kategorisch ausschließt.

Juncker zollte May vor einem für Mittwochabend geplanten Treffen Respekt, denn "die Frau zeigt Mut und Durchsetzungsvermögen - nein Durchsetzungswillen". Man werde freundlich miteinander reden, aber er erwarte eher keinen Durchbruch.

Besonders umstritten ist eine Klausel des Austrittsvertrags, der sogenannte Backstop. Das ist eine von der EU geforderte Garantie, dass die EU-Außengrenze zwischen dem Mitgliedsland Irland und dem britischen Nordirland offen bleibt. Wenn keine andere Lösung gefunden wird, soll ganz Großbritannien in einer Zollunion mit der EU bleiben. Für Nordirland sollen zudem einige Regeln des Binnenmarkts gelten. Brexit-Befürworter befürchten, das binde Großbritannien auf Dauer zu eng an die EU und halte Nordirland in einem Sonderstatus.

"Beste Freunde bleiben"

Kommt der Vertrag nicht zustande, würden die vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020 und die Eckpunkte für eine enge Handels- und Sicherheitspartnerschaft entfallen. Die Wirtschaft befürchtet für diesen Fall Verwerfungen. Beide Seiten wollen das unbedingt vermeiden. Die EU-Kommission bekräftigte aber am Mittwoch, die EU sei inzwischen gut gewappnet für alle denkbaren Szenarien.


Der britische Außenminister Jeremy Hunt rief die EU-Staaten auf, die künftige Zusammenarbeit nicht mit einem ungeordneten Brexit zu riskieren. "Jetzt schlägt die Stunde einer großzügigen und weitsichtigen Führung", sagte Hunt in Berlin. Deutschland und Großbritannien müssten Seite an Seite bleiben, auch bei der Vorbeugung vor Terror. "Wir sind entschlossen, die besten Freunde zu bleiben", sagte Hunt.

Corbyn fordert parteiübergreifende Zusammenarbeit

Oppositionsführer Corbyn setzt auf eine andere Lösung als Theresa May: Er will eine dauerhafte Zollunion Großbritanniens mit der EU und eine Anbindung an den Binnenmarkt. Dann könnte die irische Grenze offen bleiben. May lehnt diese Lösung ab.

Corbyn forderte von der Regierungschefin einen Kurswechsel: "Sie sollte ihre schädlichen roten Linien aufgeben und endlich mit Labour zusammenarbeiten, um eine Einigung zu erreichen, die für unser Land funktioniert." Für einen ungeregelten EU-Austritt ohne Vertrag gebe es keine Mehrheit, betonte der Oppositionsführer. "Und Labour wird mit Politikern im ganzen Haus zusammenarbeiten, um einen "No Deal" zu verhindern, der so schädlich für unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft wäre."

Fitch droht mit Herabstufung

Die US-Ratingagentur Fitch zeigt sich zunehmend besorgt über die Kreditwürdigkeit Großbritanniens. Das Risiko, dass Großbritannien die Europäische Union ohne Austrittsabkommen verlässt ("No-Deal-Brexit"),

sei gestiegen, hieß es in einer am Mittwochabend veröffentlichten Mitteilung der Agentur. Fitch setzte deshalb das Rating für Großbritannien auf "Watch Negativ" und deutete damit eine mögliche bevorstehende Herabstufung der Bonität des Landes an.

Bei einem ungeregelten Brexit ohne Vertrag würden die vereinbarte Übergangsfrist bis Ende 2020 und die Eckpunkte für eine enge Handels- und Sicherheitspartnerschaft entfallen. Die Wirtschaft befürchtet für diesen Fall Verwerfungen, unter anderem wegen langwieriger Zollkontrollen an den Grenzen. Das wollen beide Seiten unbedingt vermeiden.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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