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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Brexit auf Titanic-Kurs Theresa Mays Plan B ist... Plan A
Groß hatte die britische Premierministerin ihren Ausweg aus der Brexit-Zwickmühle angekündigt. Doch irgendwie klangen ihre Ansätze seltsam vertraut. Wirklich neu war das alles nicht.
"Das ist einfach nicht gut genug" – mit diesen Worten fasste die konservative Abgeordnete Anna Soubry, die gegen den Brexit ist, die Rede von Theresa May zusammen – und drückte damit wohl aus, was viele Abgeordnete von Regierung und Opposition empfanden, als sie die Rede der britischen Premierministerin im Parlament hörten.
Die Parlamentsdebatte war mit Spannung erwartet worden, doch es wurde schnell klar: Viel hatte sich an Theresa Mays Plan für den Brexit nicht geändert, nachdem die Regierung in der vergangenen Woche die Abstimmung um das Austrittsabkommen mit der EU haushoch verloren hatte. Eigentlich sollte May am Montag einen Plan B vorlegen – das, was sie zu sagen hatte, klang aber sehr nachdem, was sie bereits in den vergangenen Wochen als Plan A vorgelegt hatte.
Sie nannte drei Punkte, die sie angeblich geändert habe. Erstens sie wolle das Parlament künftig bei den Verhandlungen mit der EU über die zukünftige Beziehungen mehr einbinden und mit allen reden. Zweitens versicherte sie, die Rechte von Arbeitnehmern sowie der Umwelt so stark wie möglich schützen zu wollen. Einige Abgeordnete befürchten nämlich, dass mit dem Brexit die Arbeitnehmerrechte und der Umweltschutz leiden könnten, da viele Gesetze dazu bisher von der EU kamen.
Und drittens versprach Theresa May, eine harte Grenze zwischen Nordirland und Irland zu vermeiden und dennoch die Anforderungen des Parlaments und der EU zu erfüllen. Sie werde weiterhin mit der EU darüber reden. Das hatte sie allerdings schon vor Weihnachten und in der vergangenen Woche versprochen.
Eine einzige konkrete Änderung verkündete May dann doch
Der vorgelegte Plan B sieht ihrem gescheiterten Plan A also ziemlich ähnlich – obwohl ihr Austrittsabkommen in der vergangenen Woche mit Pauken und Trompeten bei den Parlamentariern durchgefallen war. Noch nie zuvor war eine britische Regierung mit einem derartigen Abstimmungsdebakel konfrontiert gewesen, bei der die Regierung mit 230 Stimmen eine Abstimmung verlor. Da verwunderte es nicht, dass ihr eine Abgeordnete vorwarf, sie verhalte sich als habe sie die Abstimmung nur knapp verloren und es müsse nur ein wenig nachjustiert werden.
Eine einzige konkrete Änderung, die für viele überraschend kam, verkündete Theresa May aber dann doch: EU-Bürger, die in Großbritannien leben und nach dem Brexit eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen müssen, um im Land bleiben zu können, werden nun nicht mehr wie geplant eine Gebühr von umgerechnet etwa 70 Euro zahlen müssen.
Was von Regierung, Opposition und vielen Beobachtern durchaus begrüßt wurde, wirkte am Ende allerdings wie ein Ablenkungsmanöver dafür, dass sich die Regierung weiterhin im Kreis dreht, zu keiner Lösung kommt und stattdessen wie die Titanic auf einen Eisberg namens ungeregelten Brexit zusteuert. Schließlich hatte die Regierung die Gebühr selbst beschlossen und musste daher mit niemandem über die Abschaffung verhandeln.
Was plant Theresa May also?
Schon der erste Punkt, den Theresa May als Plan B anführte, das Reden, ist derzeit schwierig. Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn weigert sich, sich mit Theresa May an einen Tisch zu setzen, so lange sie einen ungeordneten Austritt aus der EU ohne Abkommen nicht kategorisch ausschließt. Andere Abgeordnete warfen ihr vor, Gesprächsangebote zu machen, ohne wirklich bereit zu sein, Kompromisse zu finden. Selbst für Kompromissvorschläge aus den eigenen Reihen, wie eine Zollunion, zeigte sie sich nicht bereit.
Es scheint so, als spiele Theresa May 67 Tage vor dem Brexit auf Zeit. Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch ihr Plan C, ihr Plan D und ihr Plan E – sofern sie diese in den kommenden Wochen vorlegen wird – sehr wie Plan A aussehen und sie kurz vor dem 29. März, dem offiziellen Austrittstermin Großbritanniens aus der EU, ihren Parlamentariern die Pistole auf die Brust setzt. Indem sie ihnen klar macht: Wenn sie den Plan jetzt nicht unterstützen, sind sie für einen ungeregelten Brexit verantwortlich.
Eine "Tick Tack"-Strategie?
Ein britischer Journalist nannte das "Tick Tack"-Strategie: Je lauter die Brexit-Uhr tickt, desto mehr hofft die Premierministerin doch noch mit ihrem Austrittsplan eine Mehrheit gewinnen zu können. Weil sich kein Abgeordneter sagen lassen möchte, er habe das Land ins Chaos gestürzt.
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Dennoch ist es höchst fraglich, ob diese Strategie aufgehen wird. Viel wahrscheinlicher ist es, dass das Schiff den Eisberg namens ungeregelter Brexit doch noch rammt. Es befindet sich bereits in recht unsicheren Gewässern und es wird nicht reichen, wenn die Premierministerin mit warmen Worten die Mannschaft für sich gewinnen will. Da müssten jetzt schon Taten folgen.
- Eigene Recherchen