Showdown im Brexit-Streit Wer will was im britischen Parlament?
Um den Brexit-Deal zu verabschieden, braucht Theresa May eine Mehrheit im Parlament. Bei einigen
Die britische Premierministerin Theresa May braucht 320 Stimmen im Parlament in London, damit ihr Brexit-Abkommen sicher ratifiziert wird. Grob gerechnet muss sie rund 115 Abgeordnete auf ihre Seite ziehen oder doppelt so viele zur Enthaltung bringen. Derzeit sehen die Verhältnisse im Unterhaus so aus:
Tory-Loyalisten (dafür): Mindestens 150 Abgeordnete aus der konservativen Fraktion gelten als absolut loyal. Sie haben neben ihrem Mandat Jobs in der Regierung und müssten sie abgeben, um gegen das Abkommen zu stimmen. 200 Tory-Abgeordnete haben sich in der Vertrauensabstimmung in der konservativen Fraktion im Dezember hinter Premierministerin Theresa May gestellt. Sie kann insgesamt wohl auf etwa 205 treue Parteifreunde hoffen.
Konservative Brexit-Hardliner (dagegen): Bis zu 80 Mann stark ist die sogenannte European Research Group um den exzentrischen Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg. Wie viele Parlamentarier aus dieser Gruppe auf jeden Fall mit Nein stimmen werden, ist unklar. May müsste den Großteil dieser Gruppe auf ihre Seite ziehen, um eine Chance zu haben. Dazu kommen etwa 20 unabhängige EU-Skeptiker.
Harter Brexit, weicher Brexit, Brexit ohne Abkommen – was ist was?
Die Briten verstehen unter "hartem Brexit" in der Regel den Plan von Premierministerin Theresa May, ihr Land nicht nur aus der Europäischen Union herauszuführen, sondern auch aus dem Binnenmarkt und der Zollunion. May will stattdessen die Beziehungen über Freihandelsabkommen neu regeln. "Weicher Brexit" bedeutet nach diesem Verständnis: Austritt aus der EU, aber mit weiterem Zugang zum Binnenmarkt und Mitgliedschaft in der Zollunion. May will das nicht, weil sie die Bedingungen der EU ablehnt: Wer zum Binnenmarkt gehören will, muss auch den Zuzug von EU-Bürgern akzeptieren. Und als Mitglied der Zollunion darf man keine eigenen Handelsverträge schließen. In Brüssel und in Deutschland werden die Begriffe bisweilen anders benutzt. Seit Mays Ansage, den Binnenmarkt und die Zollunion zu verlassen, ist die ursprüngliche Idee vom "weichen Brexit" quasi zu den Akten gelegt. Als günstigstes Szenario gilt jetzt, dass man sich fristgerecht bis Ende März auf einen Vertrag zum EU-Austritt und zu Eckpunkten für künftige Beziehungen sowie auf eine Übergangslösung einigt. Mit "hartem Brexit" wird nun oft der Extremfall beschrieben – ein Scheitern der Verhandlungen und ein Ausscheiden Großbritanniens ohne Vertrag und ohne Übergangs- und Anschlusslösung. In Großbritannien wird dieser Brexit ohne Abkommen meist als "No-Deal"-Szenario oder "Brexit-Cliff-Edge" (Brexit-Klippenrand) bezeichnet.
EU-freundliche Tories (halb-halb): Eine Gruppe von etwa zwölf Abgeordneten um den ehemaligen Generalstaatsanwalt Dominic Grieve kämpft für eine möglichst enge Anbindung an die EU oder gar eine Abkehr vom EU-Austritt. Im Brexit-Abkommen dürften einige die Chance sehen, wenigstens einen harten Bruch mit der EU zu vermeiden
Labour-Loyalisten (dagegen): Labour-Chef Jeremy Corbyn spekuliert auf eine Neuwahl, sollte das Brexit-Abkommen scheitern. Rund 180 Abgeordnete dürften seinem Aufruf folgen und gegen den Deal stimmen.
EU-freundliche Labour-Hinterbänkler (dagegen): Auf den Hinterbänken bei Labour ist eine starke Bewegung entstanden, die ein zweites Referendum und eine Abkehr vom Brexit fordert. Die rund 60 Parlamentarier um den charismatischen Abgeordneten Chuka Umunna dürften das Abkommen auch ablehnen.
Labour-Rebellen (dafür): Bis zu 20 Labour-Abgeordnete könnten versucht sein, für Mays Brexit-Abkommen zu stimmen. Entweder, weil sie selbst vom EU-Ausstieg überzeugt sind, oder weil sie wie die Abgeordnete Caroline Flint in ihren Wahlkreisen eine große Brexit-Wählerschaft haben.
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DUP (dagegen): Die zehn Abgeordneten der nordirischen Protestantenpartei könnten zum Zünglein an der Waage werden. Parteichefin Arlene Foster lässt allerdings keinen Zweifel daran, dass ihre Partei das Abkommen nicht unterstützen will. Zudem droht die DUP damit, die Regierung fallen zu lassen. Die DUP will keinerlei Sonderstatus für Nordirland akzeptieren, wie er im Brexit-Abkommen vorgesehen ist. May ist seit der vorgezogenen Wahl 2017 auf die Stimmen der DUP angewiesen. Fraglich ist, ob sich die Nordiren mit weiteren Geldversprechen für ihre wirtschaftlich abgehängte Provinz kaufen lassen.
Weitere Opposition (dagegen): Die Schottische Nationalpartei (SNP), die Liberalen, Grünen, die Waliser-Partei Plaid Cymru – die kleineren Oppositionsparteien haben gemeinsam rund 50 Abgeordnete. Die meisten haben sich klar gegen den Brexit positioniert und fordern ein zweites Referendum. SNP-Fraktionschef Ian Blackford gehört zu den entschiedensten Kritikern des Abkommens.
- Nachrichtenagentur dpa