Zugeständnisse an die "Gelbwesten" Frankreich reißt EU-Defizithürde 2019
Prämien, keine Steuern, Abgaben auf Überstunden: Präsident Macron hat den Franzosen unter dem Druck der "Gelbwesten" zahlreiche Geldgeschenke gemacht. Damit bricht es nun eine Abmachung mit der EU.
Frankreich wird der Regierung zufolge 2019 mit seinem Haushaltsdefizit die EU-Obergrenze reißen. Das Defizit werde im kommenden Jahr voraussichtlich rund 3,2 Prozent betragen, sagte Ministerpräsident Edouard Philippe in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der Zeitung "Les Echos". Damit läge das Defizit über der EU-Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung.
Nach den Zugeständnissen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in der "Gelbwesten"-Krise muss das Land einen riesigen Milliarden-Betrag auftreiben. In der Europäischen Union schaut man nun genau hin. Macron hatte mehrere Sofort-Maßnahmen in der Sozialpolitik angekündigt, um die von den "Gelbwesten"-Protesten ausgelöste Krise in den Griff zu bekommen. So soll etwa der Lohn für Beschäftigte auf Mindestlohn-Niveau um 100 Euro pro Monat steigen. Beschäftigte sollen auch eine Jahresendprämie erhalten, wenn Arbeitgeber dazu in der Lage sind: "Wir wollen ein Frankreich, in dem man würdig von seiner Arbeit leben kann", erklärte der 40-Jährige.
Auch auf Überstunden soll es weder Steuern noch Sozialabgaben geben, so der Präsident. Er kündigte zusätzlich an, dass die Bankgebühren 2019 nicht ansteigen sollen. In der vergangenen Woche hatte er bereits die Steuererhöhungen für Benzin und Diesel für 2019 auf Eis gelegt.
Frankreich bricht damit ein Versprechen an die EU
EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici erklärte, dass die Europäische Kommission die Auswirkungen der Ankündigungen auf das französische Defizit genau beobachten werde. "Wir stehen in ständigem Kontakt mit den französischen Behörden", sagte Moscovici.
Eigentlich hatten die Franzosen Europa versprochen, die Staatsfinanzen zu sanieren und die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung dauerhaft einzuhalten. Noch Ende September hatte die Regierung ein Haushaltsdefizit von 2,8 Prozent im kommenden Jahr in Aussicht gestellt nach 2,6 Prozent in diesem Jahr.
Kritik aus Deutschland und Warnungen aus Italien
Aus Deutschland hatte es schon zuvor Kritik an Macrons Zugeständnissen gegeben. Die Entscheidungen, angesichts der zum Teil gewalttätigen Proteste der "Gelbwesten" Weihnachtsgeld und Überstunden steuerfrei zu stellen, scheinen das Gegenteil der von Macron zugesagten Reformen zu bewirken, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Weniger Einnahmen zu verkünden, ohne zu sagen, welche Rückwirkungen das auf den Haushalt habe und den Reformkurs in Frankreich, sei wenig verständlich. Damit werde auch die in Europa angestrebte Steuerharmonisierung infrage gestellt, machte er deutlich. Geldgeschenke scheinen nicht der richtige Weg, sagte Dobrindt.
Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel sagte bei einer Veranstaltung der Wochenzeitung "Die Zeit", die Idee der sozialen Marktwirtschaft sei in Deutschland viel stärker verankert. In Deutschland sei die Vermittlung zwischen Arbeitgebern, Gewerkschaften, Zivilgesellschaft, Sozialverbänden und Politik sicher nicht perfekt, reagiere aber deutlich sensibler auf solche Situationen, sagte der SPD-Politiker.
"Die Regeln sind für alle gleich"
Italiens Vize-Regierungschef hatte die EU-Kommission schon zuvor gewarnt, in der Haushaltsdebatte sein Land anders zu behandeln als Frankreich. Es dürfe nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, sagte er mit Blick auf die Gespräche zwischen Paris und Brüssel und das Vorgehen der EU-Kommission gegen Rom. Wegen eines drohenden Defizitverfahrens hatte Italien eine Senkung des geplanten Defizits von 2,4 auf 2,04 Prozent im kommenden Jahr vorgeschlagen.
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"Die Regeln sind für alle gleich", sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici am Rande einer Konferenz in Frankfurt letzte Woche. "Es wird keine Vorzugsbehandlung für einige und übertriebene Härte für andere geben", versicherte der französische EU-Kommissar. Er zeigte zugleich Verständnis für die Regierung in Paris. Brüssel verstehe, dass eine Regierung unter dem Druck von sozialen Bewegungen und großen Herausforderungen zum Handeln gezwungen sei.
- Nachrichtenagentur Reuters, afp, dpa