Brexit-Zoff mit Brüssel Britischer Außenminister vergleicht EU mit der Sowjetunion
Die britischen Konservativen suchen auf ihren Parteitag einen Ausweg aus dem Brexit-Dilemma. Außenminister Hunt löst dabei mit seinem UDSSR-Vergleich Empörung in Diplomatenkreisen aus.
Mit Warnungen an die Adresse der EU und parteiinternen Sticheleien haben die britischen Konservativen ihren Parteitag in Birmingham fortgesetzt. Brexit-Minister Dominic Raab warnte die EU vor überzogenen Forderungen in den Austrittsverhandlungen: "Unsere Bereitschaft zum Kompromiss ist nicht grenzenlos", hieß es in vorab veröffentlichten Auszügen seiner Rede. Außenminister Jeremy Hunt löste mit einem Vergleich der EU mit der Sowjetunion Kritik aus.
Raab sieht den Knackpunkt bei den Brexit-Verhandlungen im künftigen Status der britischen Provinz Nordirland: Es dürfe keine neue Zollgrenze zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens geben, wie sie der EU vorschwebe. "Wenn das einzige Angebot der EU unsere Einheit bedroht, dann wird uns keine andere Wahl bleiben, als ohne Abkommen auszutreten", hieß es in Raabs Rede.
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Er warnte die EU davor, sein Land durch die Hintertür in der Zollunion halten zu wollen. "Wir werden die EU tatsächlich verlassen, nicht nur dem Namen nach." Zugleich betonte Raab seine Kompromissbereitschaft: "Mein Verhandlungsansatz ist pragmatisch, nicht dogmatisch."
Hunt: EU will Großbritannien bestrafen
Außenminister Hunt sagte vor den Parteitagsdelegierten, die EU wolle Großbritannien wegen des Austritts "bestrafen", und zog einen Vergleich zur ehemaligen Sowjetunion. An die Adresse Brüssels gerichtet sagte Hunt: "Ihr scheint zu denken, dass Ihr den Club zusammenhalten könnt, indem Ihr ein Mitglied, das geht, bestraft." Die EU sei gegründet worden, um Freiheit zu schützen. Es sei die Sowjetunion gewesen, "die Leute daran gehindert hat zu gehen".
Die Lektion sei klar: "Wenn Ihr den EU-Club in ein Gefängnis verwandelt, wird der Wunsch auszutreten, nicht abnehmen; er wird zunehmen, und wir werden nicht der einzige Gefangene sein, der fliehen will", sagte der sonst für seinen gemäßigten Ton bekannte Außenminister, der als ein möglicher Nachfolger für Premierministerin Theresa May gilt.
Die Äußerungen riefen scharfe Kritik ehemaliger britischer Top-Diplomaten hervor: "Dieser Unsinn ist eines britischen Außenministers unwürdig", erklärte Peter Ricketts, lange Zeit ranghöchster Mitarbeiter im Außenministerium. Sein Nachfolger Simon Fraser erklärte, der Vergleich zeuge von "schockierendem mangelndem Urteilsvermögen".
Finanzminister Philip Hammond – auch er eigentlich bekannt für eine zurückhaltende Ausdrucksweise – zog unterdessen die Qualifikation von Hunts Amtsvorgänger Boris Johnson für das höchste Regierungsamt in Zweifel. Auf die Frage, ob Johnson Premierminister werden könne, sagte Hammond der Zeitung "Daily Mail": "Ich gehe nicht davon aus, dass das passiert."
May-Lager und Kritiker stehen sich unversöhnlich gegenüber
Johnson sei "ein wunderbarer Typ", habe aber kein Interesse an Details. Wer jedoch mit der EU verhandele, müsse sich an Tatsachen und Details halten. In seiner Zeit als Londoner Bürgermeister habe Johnson zwar ein System für Leihfahrräder geschaffen, sonst aber keine nachhaltigen politischen Erfolge vorzuweisen.
Die tief gespaltenen Konservativen suchen in Birmingham seit Sonntag nach einem Ausweg aus der verfahrenen Brexit-Lage. Ein halbes Jahr vor dem EU-Austritt Großbritanniens stehen sich das Lager von Premierministerin Theresa May und die innerparteilichen Kritiker ihrer Pläne unversöhnlich gegenüber.
Der harte Brexit-Flügel der Konservativen wirft May zu weitreichende Zugeständnisse an die EU vor. Mays Hauptwidersacher Johnson kritisierte die Regierungschefin am Sonntag erneut scharf. Er sollte am Dienstag eine Rede vor dem Parteitag halten. Die EU lehnt Mays Brexit-Plan in der jetzigen Form ab und verlangt mehr Zugeständnisse.
- AFP