Ende der Zeitumstellung "Wenn die EU nicht reagiert, machen wir uns lächerlich"
Viele EU-Bürger wollen die Zeitumstellung abschaffen. Politiker aller Parteien wollen das nun schnell umsetzen. Doch ganz so sicher ist das Ende der Zeitumstellung noch nicht.
Nach der europaweiten Online-Befragung zur Umstellung zwischen Winter- und Sommerzeit sehen sich Befürworter einer Abschaffung gestärkt. "Dass 80 Prozent das halbjährliche Umstellen der Uhren ablehnen, ist ein klares Signal für die Abschaffung der Zeitumstellung", erklärte der FDP-Bundestagsabgeordnete Michael Theurer. Er sprach von einem "klaren Handlungsauftrag an die EU-Kommission".
Die Brüsseler Behörde will sich also noch nicht in die Karten schauen lassen, ob sie einen Gesetzesvorschlag zur Abschaffung der Zeitumstellung vorlegen wird. Der Sprecher bekräftigte nur, die Umfrage sei kein Referendum. Bindend ist das nicht-repräsentative Votum, an dem sich bis Mitte August jeder beteiligen konnte, nicht.
Aber kann die EU-Kommission hinter dieses deutliche Ergebnis tatsächlich noch zurück? Vertreter fast aller im Europaparlament vertretenen deutschen Parteien – unter ihnen CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP – meinen: Nein! "Ein so eindeutiges Ergebnis dürfen die EU-Institutionen nicht ignorieren", sagte CDU-Politiker Peter Liese. Martin Häusling von den Grünen sieht das ähnlich: "Wenn die Kommission auf diese 80 Prozent nicht reagiert, dann machen wir uns komplett lächerlich." Er spricht sich für eine dauerhafte Beibehaltung der Sommerzeit aus.
Dafür ist auch der SPD-Politiker Ismail Ertug. "Als Vater kenne ich das Problem mit der Zeitumstellung beim Schlafengehen der Kinder. Es dauert, bis sie wieder ihren Rhythmus finden." Ertug sieht die EU-Kommission jetzt am Zug. Diese müsse möglichst schnell einen Gesetzesvorschlag vorlegen.
Die EU-Kommission müsse "so schnell wie möglich einen Vorschlag für die Abschaffung der Zeitumstellung machen", verlangte auch der gesundheitspolitische Sprecher der konservativen EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU). Parlament und Mitgliedstaaten müssten die Änderung noch vor der der Europawahl 2019 annehmen. Der Europaabgeordnete Arne Gericke von den Freien Wählern sprach von einem "Durchbruch", der nun schnell zu einer Änderung führen könne.
Die Kommission hatte die Befragung im Juli gestartet. Sie erhielt dabei 4,6 Millionen Antworten von Bürgern, Unternehmen und Verbänden. "Das ist die höchste Zahl von Antworten, die es in einer öffentlichen Befragung der Kommission jemals gab", sagte ein Kommissionssprecher.
Zahlen noch nicht bestätigt
Nach Informationen der Funke Mediengruppe sprachen sich dabei mehr als 80 Prozent der Teilnehmer für die Abschaffung aus. Drei Millionen Antworten stammten demnach aus Deutschland. Der Kommissionssprecher wollte diese Zahlen nicht bestätigen. Das Ergebnis werde zunächst bei einem Treffen am Donnerstag und Freitag durch die zuständige Verkehrskommissarin Violeta Bulc den anderen Mitgliedern der Kommission vorgestellt, sagte er. Danach solle die Erhebung aufgeschlüsselt nach dem Abstimmungsverhalten in den Mitgliedstaaten rasch veröffentlicht werden. Antworten kamen demnach aus allen 28 EU-Mitgliedstaaten.
Mit Blick auf das weitere Vorgehen sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas, die Befragung sei "kein Referendum". Sie sei "ein Element", das die Kommission bei geplanten Empfehlungen zu der Frage in Betracht ziehen werde. Ein weiteres sei die Resolution des Europaparlaments vom Februar.
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Die EU-Volksvertretung hatte damals eine Überprüfung gefordert. Dabei wurde auch auf Studien verwiesen, wonach die Sommerzeit "negative Folgen für die Gesundheit der Menschen" haben könne. Die Forderung des Verkehrsausschusses, die Sommerzeit ganz abzuschaffen, fand damals allerdings keine Mehrheit.
Rückhalt im Rat der Länder nicht sicher
Das konnte nun anders aussehen: Der Rückhalt im Parlament sei klar, sagte Liese der dpa. Auch Häusling sieht eine "ganz klare Mehrheit für eine Abschaffung der Zeitumstellung" im Europaparlament. Im Rat der Mitgliedstaaten ist die Lage Liese zufolge nicht ganz so eindeutig, aber: "Ich sehe auch da keine Mehrheit gegen die Abschaffung."
Einige EU-Länder haben sich ohnehin schon positioniert. Litauen, Estland und Lettland sprachen sich ebenso für eine Abschaffung der Zeitumstellung aus wie Finnland. Von Deutschland ist keine Position bekannt. Ein FDP-Antrag im Bundestag für eine ganzjährig geltende Zeitregelung in der EU scheiterte im März – auch an der Ablehnung durch CDU, CSU und SPD.
Teilnehmer der Online-Befragung der Kommission konnten sich für die Beibehaltung der Sommerzeit oder ihre "Abschaffung in der gesamten Europäischen Union" aussprechen. Für den Fall einer Abschaffung konnte auch eine Präferenz entweder für "ständige Sommerzeit" oder "ständige Winterzeit" angegeben werden.
Die Sommerzeit wurde aus Gründen der Energieeinsparung in Deutschland 1980 eingeführt, in anderen Mitgliedstaaten schon deutlich früher. Inzwischen ist sie einheitlich auf EU-Ebene geregelt, um im europäischen Binnenmarkt Probleme durch unterschiedliche Uhrzeiten im Gütertransport oder bei Flug- oder Bahnverbindungen zu vermeiden. Die Uhren werden dabei immer am letzten Sonntag im März vor und am letzten Sonntag im Oktober wieder zurückgestellt.
- afp
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