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Polen übernimmt EU-Ratspräsidentschaft: Scheitert die Sicherheits-Mission?


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Ratspräsidentschaft von Polen
Er will Putin die Stirn bieten


05.01.2025Lesedauer: 4 Min.
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Donald Tusk (Mitte, Archivbild): Der polnische Ministerpräsident will mithilfe von anderen EU-Staaten die Ostgrenze seines Landes stärker sichern. (Quelle: Marek Antoni Iwanczuk / SOPA Images/imago-images-bilder)
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Mit der EU-Ratspräsidentschaft Polens will das Land die Sicherheit Europas stärken. Doch die Mission könnte durch innenpolitische Konflikte überlagert werden.

Der Name ist Programm: "Es geht um Sicherheit, Europa!", lautet das Motto, unter dem die Ratspräsidentschaft Polens in der EU steht. Gleich sieben Säulen hat die Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk dafür aufgestellt. Dazu gehört unter anderem die Stärkung der Verteidigung, aber auch die Sicherung von Grenzen, die Abwehr gegen Desinformation und auch die Sicherung der Freiheit von Unternehmen.

Für die polnische Regierung wirkt der Zeitpunkt, an dem sie die sechsmonatige Ratspräsidentschaft übernimmt, auf den ersten Blick günstig: Die Stärkung der eigenen Verteidigung und des Militärs wird schon seit Längerem vorangetrieben.

Die Regierungen in Berlin und Paris – die gemeinhin auch als "Motor Europas" gelten – erweisen sich zudem aktuell als kaum handlungsfähig: In Deutschland wird im Februar ein neues Parlament nach dem Bruch der Ampelkoalition gewählt. In Frankreich ist nach der jüngsten Wahl das Parlament so zersplittert, dass auf absehbare Zeit keine arbeitsfähige Regierung mehr möglich erscheint.

Musterbeispiel der Nato

Polen könnte sich dadurch in den kommenden sechs Monaten als verlässlicher Ansprechpartner in Stellung bringen, vor allem für die neue US-Regierung von Donald Trump. Denn aus Sicht des kommenden US-Präsidenten, der immer wieder auf höhere Verteidigungsausgaben der übrigen Nato-Länder pocht, dürfte sich Polen mustergültig verhalten: Die eigene Sicherheits- und Verteidigungspolitik konnte das Land in den vergangenen Jahren deutlich stärken.

Ob das allerdings in den kommenden Monaten auch auf europäischer Ebene gelingt, bleibt fraglich. Denn vor allem die Präsidentschaftswahl im Mai könnte das Projekt von Tusks Regierung überlagern.

Aktuell investiert kein Nato-Staat mehr in seine Verteidigung als Polen: Während das Verteidigungsbündnis vorgibt, dass jeder Staat zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in seine Sicherheit investieren soll, gibt Polen laut aktuellen Schätzungen 4,12 Prozent aus. Polen hat dafür unter anderem große Rüstungsdeals für neue Kampfjets, Panzer oder Kampfdrohnen geschlossen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Wert bei 2,12 Prozent.

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An dem Fokus auf Sicherheit und Verteidigung änderte auch ein zwischenzeitlicher Regierungswechsel in Polen nichts: Sowohl der EU-freundliche Tusk als auch sein rechtspopulistischer, europakritischer Vorgänger Mateusz Morawiecki hatten nicht nur den Ausbau ihres Militärs vorangetrieben, sondern sich auch als entschiedene Unterstützer der Ukraine nach Beginn der russischen Vollinvasion präsentiert.

Noch vor den USA und Deutschland war Polen etwa das erste Land, das der Ukraine Kampfpanzer geliefert hatte. Denn der Krieg dürfe nicht isoliert betrachtet werden, warnte der polnische Botschafter in Deutschland, Dariusz Pawłoś, schon 2023 im Gespräch mit t-online: "Die Ukraine kämpft nicht nur für die eigene Unabhängigkeit, sondern für die Werte, die wir in der Europäischen Gemeinschaft vertreten."

Diesen Pfad möchte die polnische Regierung auf EU-Ebene fortsetzen: Eine der ersten Maßnahmen könnte etwa ein neues Sanktionspaket sein, das die EU gegen Russland verhängt. Laut Diplomaten soll es kurz vor dem dritten Jahrestag der russischen Vollinvasion am 24. Februar beschlossen werden. Zudem wirbt Polens Regierung in Brüssel für weitere Unterstützung bei dem Projekt "East Shield", mit dem Polen seinen Grenzschutz nach Belarus und zur russischen Exklave Kaliningrad weiter stärken will.

Kritik an Ungarn

Doch wie genau soll die europäische Sicherheit durch die polnische Ratspräsidentschaft gesteigert werden? Das Land, das den Ratsvorsitz innehat, ist sechs Monate lang dafür zuständig, dass Regierungsmitglieder der EU-Staaten Rechtsvorschriften verhandeln, die dann für den gesamten EU-Raum gelten. Dafür tritt Polen als eine Art Gastgeber auf, organisiert etwa entsprechende Sitzungen und kann dabei auch die thematischen Schwerpunkte setzen. Turnusmäßig wechselt die Ratspräsidentschaft dabei alle sechs Monate, sodass jeder EU-Staat regelmäßig an der Reihe ist.

Die Erwartungen an Polen sind in jedem Fall höher als an das Vorgängerland Ungarn: Schon das ungarische Motto "Make Europe great again", eine deutliche Parallele zur Trump-Parole "Make America great again", stieß vielen Staatschefs sauer auf. Zudem war Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán unter anderem nach Russland und China gereist und hinterließ dabei fälschlicherweise den Eindruck, er sei im Auftrag der EU unterwegs gewesen.

Vergleichbare Alleingänge sind von Polen nicht zu erwarten, zumal Ministerpräsident Tusk ein ausgewiesener EU-Fachmann ist: Während die Orbán-Regierung als langjähriger Quertreiber in der EU gilt, war Tusk von 2014 bis 2019 Präsident des Europäischen Rates, in dem die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammenkommen. Das Amt ist neben der Präsidentschaft der EU-Kommission und dem des EU-Außenbeauftragten das prestigeträchtigste in Brüssel.

Wer wird der neue Präsident?

Allerdings könnten die Ziele in den kommenden Monaten von einem anderen polnischen Großereignis überschattet werden: Im Mai wählt das Land einen Nachfolger für den scheidenden Präsidenten Andrzej Duda. Der 52-Jährige darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut kandidieren.

Die Wahl ist für die EU-freundliche Regierung von Tusk vermutlich von noch größerer Bedeutung als die Ratspräsidentschaft: Duda steht der früheren Regierungspartei PiS nahe und ist ein Rivale des aktuellen Regierungschefs. Tusk hatte sich nach seinem Wahlsieg vor allem das Ziel gesetzt, viele Reformen seiner Vorgängerregierung wieder zurückzudrehen, wodurch etwa die Justiz und die Freiheit der Medien eingeschränkt wurden.

Viele dieser Vorhaben sind allerdings bisher an Dudas Veto gescheitert: Das Staatsoberhaupt kann prinzipiell jedes Gesetz wieder ablehnen, das im Parlament zuvor beschlossen wurde. Tusk steht deshalb in seiner Heimat bereits unter Druck, da vielen seiner Wähler die Reformen nicht schnell genug umgesetzt werden.

Dementsprechend setzt die aktuelle Regierung viel darauf, dass der kommende Präsident aus Tusks liberalkonservativer Bürgerkoalition (KO) stammen wird. Die Partei hat mit dem Bürgermeister von Warschau, Rafał Trzaskowski, einen deutlich bekannteren Kandidaten als die PiS-Partei ins Rennen geschickt, die den bisher weitgehend unbekannten Historiker Karol Nawrocki unterstützt. Aktuelle Umfragen sehen Trzaskowski klar vorn. Allerdings war die PiS in der Vergangenheit schon mal mit einem sehr unbekannten Kandidaten am Ende erfolgreich gewesen, der vor dem Wahlkampf kaum jemandem ein Begriff gewesen war: Sein Name war Andrzej Duda.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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