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Ursula von der Leyen warnt: Deutschland könnte Markt verzerren


200-Milliarden-Schirm
Von der Leyen warnt: Deutschland könnte Markt verzerren

Von dpa
Aktualisiert am 07.10.2022Lesedauer: 3 Min.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Es sei wichtig, dass alle Unternehmen die gleichen Chancen hätten, am Binnenmarkt teilzunehmen.Vergrößern des Bildes
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Es sei wichtig, dass alle Unternehmen die gleichen Chancen hätten, am Binnenmarkt teilzunehmen. (Quelle: Eurokinissi/Imago Images)
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Deutschlands milliardenschwerer Abwehrschirm kommt in der EU nicht gut an. Polen ruft die Regierung zu mehr Solidarität auf.

Nach dem deutschen Vorstoß zur Abfederung der Energiepreise hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor einer Verzerrung des gemeinsamen Binnenmarkts gewarnt. Es sei wichtig, dass alle Unternehmen die gleichen Chancen hätten, am Binnenmarkt teilzunehmen, sagte die deutsche Politikerin am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Prag. Wettbewerb dürfe es nur über die Qualität geben, nicht über Subventionen.

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki wandte sich bei dem Gipfel direkt an Deutschland: "Meine Botschaft an Deutschland ist: Seid gemeinschaftlich, solidarisch mit allen anderen." In schwierigen Zeiten müssten sich alle auf einen gemeinsamen Nenner einigen und nicht auf den Nenner, der nur für ein Land passend sei.

Österreichs Kanzler spricht von Weckruf

Deutschland will die hohen Energiepreise bis 2024 mit bis zu 200 Milliarden Euro abfedern. Scholz hatte die geplanten Maßnahmen als "Doppelwumms" bezeichnet. Mehrere EU-Staats- und Regierungschefs kritisierten das Paket zuletzt jedoch.

Österreichs Kanzler Karl Nehammer nannte das deutsche Paket am Freitag dagegen einen "Weckruf an die Europäische Kommission" und forderte eine europäische Lösung. "Wenn die Kommission nicht in die Gänge kommt, dann fangen die Nationalstaaten an, sich selbst zu helfen. Und das sehen wir jetzt gerade."

Die Bundesregierung im Kreuzfeuer

An diesem Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in Prag darüber beraten, wie die drastisch gestiegenen Gaspreise wieder auf ein für Verbraucher und Unternehmen erträgliches Niveau gebracht werden können. Streit ist dabei programmiert – vor allem seitdem Deutschland ein bis zu 200 Milliarden Euro schweres nationales Entlastungspaket vorgestellt hat.

Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dürfte es ungemütlich werden. Viele EU-Länder werfen der Regierung einen Alleingang vor und verweisen darauf, dass nicht alle die finanziellen Mittel für ein solches Paket hätten. "Die deutsche Wirtschaft ist so groß, dass die Unterstützung, die die deutsche Regierung ihren Unternehmen gibt, den EU-Binnenmarkt verzerren könnte", sagt etwa der lettische Premierminister Krišjānis Kariņš.

Deutschland könnte Preise hochtreiben

Kritisiert wird zudem, dass Deutschland mehr Geld für derzeit knappes Gas ausgeben kann, andere Länder so überbietet und die Preise hochtreibt. "Es darf nicht sein, dass die Interessen eines Landes, die Interessen Deutschlands, die Preisentwicklung für alle Mitgliedstaaten bestimmen", schimpfte der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki.

Sorge vor erhöhtem Gasverbrauch

Konkret wollen sie einen Maximalpreis für Gas, das an Großhandelsplätzen in der EU verkauft wird, sowie für Gasimporte. Ein Vorschlag von Polen, Italien, Belgien, Griechenland und Spanien sieht einen "dynamischen Korridor" vor, mit dem sich der Preis etwa bei fünf Prozent über einem bestimmten Index bewegen würde. Unter anderem die Bundesregierung warnt jedoch vor Engpässen bei der Versorgung.

Viele Regierungen nehmen das deutsche Paket zum Anlass, ihren Forderungen nach europäischen Maßnahmen Nachdruck zu verleihen. Länder wie Frankreich und Italien fordern bereits seit dem Frühling einen Gaspreisdeckel, mittlerweile sind es mehr als die Hälfte der EU-Staaten.

Der Ökonom Simone Tagliapietra von der Denkfabrik Bruegel weist darauf hin, dass Firmen einfach anderswo ihr Gas verkaufen könnten. Würde man hingegen für den Preisunterschied aufkommen, wäre das eine enorme Last für die Staatshaushalte. Zugleich gibt es die Sorge, dass bei einem Preisdeckel mehr Gas verbraucht werden könnte, da es trotz der Knappheit keinen großen Anreiz mehr zum Sparen gäbe.

Von der Leyen zeigt sich offen für Preisdeckel

In einem Brief an die EU-Staaten zeigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sich diese Woche erstmals offen für einen generellen Preisdeckel und machte verschiedene Vorschläge. Einer davon ist ein vorübergehender Höchstpreis für in der EU gehandeltes Gas.

Eine weitere Option sei, nur den Preis für das Gas zu deckeln, mit dem Strom produziert wird, hieß es. Ähnliches hatten Spanien und Portugal eingeführt. Ein möglicher Gesetzesvorschlag der EU-Kommission hängt stark von der Debatte beim Gipfel ab – und davon, ob es eine Einigung geben wird. Das ist allerdings völlig offen.

EU-Vorschlag sorgt für Gesprächsstoff

Von der Leyen warb zuletzt auch dafür, mit befreundeten Gaslieferanten über Preise zu verhandeln. Gemeinsame Gaseinkäufe sollten gestärkt werden. Verhandlungen mit Norwegen scheinen jedoch keine konkreten Preisversprechen erbracht zu haben: In einer gemeinsamen Erklärung von der Leyens mit dem norwegischen Premierminister Jonas Støre war am Donnerstag lediglich die Rede von "gemeinsamen Mitteln", um gegen Manipulation am Markt vorzugehen und die Märkte zu stabilisieren.

Wenn es keinen Gaspreisdeckel gibt, dann muss eben mehr Geld her, um die Haushalte und Unternehmen zu entlasten – dieser Meinung sind mehrere Staaten. Für Gesprächsstoff dürfte der Vorschlag von EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sorgen, sich am Sure-Programm aus der Corona-Pandemie zu orientieren.

Dieses hatte besonders ärmeren EU-Ländern durch günstige EU-Kredite Kurzarbeitsprogramme ermöglicht. Die Bundesregierung ist kritisch und verweist auf verbleibendes Geld aus dem Corona-Aufbaufonds, das nun für die Energiewende genutzt werden soll.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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