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Nachhaltigkeit im Fußball: Mehr grün als nur der Rasen?


Meinung
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Nachhaltigkeit im Fußball
Mehr grün als nur der Rasen?

MeinungEin Gastbeitrag von M. Böcher und L. Berker

Aktualisiert am 27.09.2022Lesedauer: 4 Min.
Eckfahne im Stadion von Dynamo Dresden mit Visualisierung der Erderhitzung: Mit einem "Aktionsspieltag Klimaschutz" wollte der DFB ein Zeichen setzen - erntete aber auch viel Kritik.Vergrößern des Bildes
Eckfahne im Stadion von Dynamo Dresden mit Visualisierung der Erderhitzung: Mit einem "Aktionsspieltag Klimaschutz" wollte der DFB ein Zeichen setzen. Und erntete viel Kritik. (Quelle: IMAGO/Michael Taeger)
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Politik gehört nicht ins Stadion? Bei Umweltfragen gilt das anscheinend nicht mehr. Wie DFB und DFL den Sport verändern wollen – und wie ernst sie es meinen.

Welches Team im Frühjahr den DFB-Pokal gewann, dürften viele noch wissen. Doch wer erinnert sich, dass der Anpfiff der Auftaktspiele in der neuen Pokalsaison eine Minute verzögert erfolgte, um Infos zum Klimawandel durch die Stadien schallen zu lassen? Vegane Aktionswürste gab es vielerorts dazu.

Es ist das jüngste Beispiel für den neuentdeckten Appetit auf Nachhaltigkeit in der Branche. Nicht mehr nur der Rasen soll grün sein: Klima- und Umweltschutz will man plötzlich großschreiben.

Neben dem DFB und vielen einzelnen Vereinen hat sich in den vergangenen Monaten dabei vor allem die Deutsche Fußball Liga (DFL) hervorgetan.

Keine Anstrengungen? Keine Spiellizenz!

Nachdem sich die DFL das nachhaltige Handeln Ende 2021 in ihre Satzung geschrieben hatte, gab es im Frühjahr eine Weltpremiere: Als erste große Profifußballliga der Welt nahm die Mitgliederversammlung Nachhaltigkeitskriterien in ihre Lizenzierungsordnung auf. Diese sollen bis spätestens zur Saison 2024/25 alle Vereine zu mehr Nachhaltigkeit verpflichten.

Das heißt: Wer in der 1. und 2. Bundesliga spielen will, muss als Verein nachhaltigkeitsbezogene Aktivitäten nachweisen. Kein Nachweis? Keine Lizenz für den Profi-Spielbetrieb. Weder für den SV Sandhausen noch für Bayern München.

(Quelle: Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg)

Michael Böcher & Lars Berker

Lars Berker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Nachhaltige Entwicklung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Prof. Dr. Michael Böcher leitet den Lehrstuhl.

Flankiert wird diese sogenannte Nachhaltigkeitsrichtlinie von einer neu eingerichteten "Kommission Nachhaltigkeit" und dem "DFL-Nachhaltigkeitsforum". Dem Begriff ist nicht zu entkommen. Das könnte dem Klima des Planeten ebenso guttun wie jenem zwischen Profis und Fans, das als zunehmend unterkühlt gilt.

Doch wo sich imagebewusste Funktionäre hinter Umweltthemen klemmen, fällt schnell der Vorwurf des Greenwashings.

Profifußball ist politisch

Wie glaubwürdig sind die grünen Versprechen eines Sports, dessen Spieler zu internationalen Turnieren und Trainingslagern um die Welt fliegen? Wo Vereine und Vereinigungen millionenschwere Sponsorenbeträge von Gas- und Ölkonzernen, Fluggesellschaften und Autoherstellern annehmen. Wo die Weltmeisterschaft in der absoluten Monarchie Katar veranstaltet wird, die so klein ist, dass Spieler und Fans für jedes Spiel aus dem benachbarten Dubai einfliegen müssen.

Fest steht: Der deutsche Fußball hat mehr Macht, als viele Insider zugeben wollen. Die Stadien der Republik strahlen nach außen – was dort geschieht und gesagt wird, prägt. So stark, dass dadurch gesellschaftliche Werte und sogar politische Ansichten beeinflusst werden können.

Profifußball ist politisch. Eine Tatsache, die die Branche immer wieder – und nahezu einstimmig – zurückweist. Umso überraschender ist es also, dass sich die zentralen Fußballakteure DFL und DFB in Sachen Nachhaltigkeit so weit aus der Deckung wagen. Wer die Debatten um ein mögliches Kuhmilchverbot im Stadion des VfL Wolfsburg oder die vegane Stadionwurst auf Schalke verfolgt hat, weiß: Nachhaltiges Handeln ist höchst politisch. Und es polarisiert.

Dennoch steht seit einem Dreivierteljahr in der Präambel der Liga-Satzung: "Der DFL e.V. und seine Vereine und Kapitalgesellschaften tragen dazu bei, das Bewusstsein für nachhaltiges Handeln innerhalb breiter Bevölkerungsschichten zu verankern."

Dass dies nicht bloß ein Lippenbekenntnis ist, zeigt sich in den Mindestkriterien der Nachhaltigkeitsrichtlinie: Von Merchandising und Fanartikeln über Ressourcenmanagement und das gastronomische Angebot in den Stadien verpflichtet sie in einer bemerkenswerten Bandbreite von Bereichen zu mehr Nachhaltigkeit.

Niedrige Hürden für alle Vereine

Jedoch: Die meisten Minimalanforderungen beschränken sich auf eine Informationspflicht der Klubs, wie die Frage nach dem Anteil der Elektrofahrzeuge im Fuhrpark oder dem prozentualen Anteil des Nachhaltigkeits- am Gesamtbudget. Konkrete Maßnahmen sucht man häufig vergeblich. Dort, wo es sie gibt, sind sie fast ausnahmslos sehr offen formuliert.

Beispielsweise könnte die eingeforderte Maßnahme zur "Reduktion des Energieverbrauchs" zugespitzt auch durch das Einsetzen einer Energiesparlampe auf der Geschäftsstelle erreicht werden. Dieser wenig ambitionierte Start ist allerdings kalkuliert.

Bei der DFL will man niemanden überrumpeln, denn die Ausgangsbedingungen der Vereine sind sehr unterschiedlich. Wo der SC Freiburg bereits die weltweit größte Solaranlage auf einem Stadion sein Eigen nennt und die Arena auf Schalke wiederholt als "vegan-freundlichstes" Stadion Deutschlands ausgezeichnet wurde, stehen andere noch ganz am Anfang. So weiß selbst der FC Bayern bisher nicht, wie groß sein CO2-Fußabdruck ist. Aller Anfang ist schwer, heißt es sinngemäß vom Ligaverband.

Das ist richtig und wichtig – alle Akteure müssen mitgenommen werden. Im Fußball gilt dasselbe wie beim Rest der Gesellschaft: Nachhaltiger handeln ist ein gemeinsamer Such- und Lernprozess. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass mehr möglich wäre, wenn die DFL wollte. Denn viele nachweislich effektive Klimaschutzmaßnahmen kollidieren mit anderen Zielen des Verbands. Allem voran die globale Vermarktung der Bundesliga.

Bio-Pommes hier, Vielfliegerei dort

Die Werbetourneen deutscher Bundesligavereine in die USA oder nach Japan mögen zwar die globalen Vermarktungschancen erhöhen und sind dadurch ökonomisch nachvollziehbar. Aber Vielfliegerei und Wanderzirkus sind eben schlecht fürs Klima. Gerade hier müssen die DFL und die Vereine ernsthaft nachbessern, wenn es ihnen um glaubwürdigen Klimaschutz geht. Davon hängt nämlich ab, ob die Fans, die hier oft ein sehr gutes Gespür für Schein oder Sein zeigen, mitziehen.

Bio-Pommes im Stadion oder fair produzierte Kapuzenpullover mit Vereinslogo sind nur dann mehr als ein Gimmick, wenn die Klubs und ihre Stars selbst mit einer passenden Haltung vorangehen. Vereinskooperationen mit wenig nachhaltigen Unternehmen gehören daher ebenso auf den Prüfstand wie die Vermarktung der Bundesliga in Ländern, die zentrale Nachhaltigkeitskriterien verletzen.

Um das zu schaffen, müsste die DFL aber erst einmal den Begriff "Nachhaltigkeit" definieren.

Die Nachhaltigkeitsrichtlinie hat dafür – trotz ihres Namens – wenig vorzuweisen. Statt für jede Kategorie festzulegen, was mit Nachhaltigkeit genau gemeint ist, beruft sich der Ligaverband vage auf die entsprechenden 17 Ziele der Vereinten Nationen und "verschiedene Nachhaltigkeits-Standards". Einzig bei Nischenthemen wie "Lebensmittelkonzept" und "Merchandising-Artikel" wird es konkret.

Dafür, dass die Klimakrise und die Umweltprobleme des Profifußballs längst bekannt sind, kommt die neue Aufstellung der DFL sehr spät. Doch sie steht. Ob das "Nachhaltigkeitspressing" im Profifußball erhöht wird, die bisherige Taktik andere mitreißt und auch Erfolge erzielt, muss sich noch zeigen. Der Ball liegt bei den Verbänden, Vereinen und den Spielern. Nur wenn sie vorlegen, ziehen auch die Fans und Amateure mit – und das wünscht sich der Profifußball doch eigentlich.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
  • Gastbeitrag von Michael Böcher und Lars Berker
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