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Haferdrinkhersteller Oatly: "Die Milchindustrie nutzt zweifelhafte Taktiken"


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Milchindustrie
"Was dort stünde, wäre schlecht fürs Image"

  • Theresa Crysmann
InterviewVon Theresa Crysmann

Aktualisiert am 18.09.2022Lesedauer: 5 Min.
John Schoolcraft mit dem Kopf eines Kuhkostüm unter dem Arm: Anziehen würde er es wohl nicht, doch Kuhmilch ist als Kontrapunkt in Oatlys Werbung häufig vertreten.Vergrößern des Bildes
John Schoolcraft mit dem Kopf eines Kuhkostüm unter dem Arm: Anziehen würde er es wohl nicht, doch Kuhmilch ist als Kontrapunkt in Oatlys Werbung häufig vertreten. (Quelle: Alice Schoolcraft)
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Pflanzendrinks galten lange als ungenießbar und uncool. Die Firma Oatly versucht, das zu ändern. Ein Gespräch über wilde Werbung, Gegenwind und Greenwashing.

Die dunkelste Ecke im Reformhaus gehörte jahrzehntelang der Hafermilch. Inzwischen gilt diese als Trendprodukt für Großstädter, Veganer, Gesundheitsbewusste und Umweltschützer. Der meteoritengleiche Aufstieg des Pflanzendrinks hat besonders dem schwedischen Hersteller Oatly viel Aufmerksamkeit beschert. Ein Grund dafür sind die lauten Werbekampagnen der Firma.

Diese erklären den Verzicht auf Kuhmilchprodukte zur neuen Normalität und feiern weder Post-Punk noch Postmoderne, sondern die "Post-Milk Generation", die "Nach-Milch-Generation". Ein Puppen-Sketch von Oatly lässt eine Kuhmilchpackung als pupsenden Unruhestifter auftreten, und die britischen TV-Spots der Firma verwandeln Milch trinkende Väter in renitente Problemfälle.

John Schoolcraft ist Creative Director bei Oatly und der Kopf hinter dieser Werbestrategie. Er lässt es auch mal bewusst darauf ankommen, die Verbraucher vor den Kopf zu stoßen. Im Interview mit t-online erzählt er, wieso Kühe einen unfairen Vorteil haben und warum er sich gerne mit der Milchindustrie anlegt.

t-online: Herr Schoolcraft, was ist "normale" Milch?

John Schoolcraft: Hafermilch! Zumindest für mich. Und wahrscheinlich auch für viele Leute in Berlin, London und anderen großen Städten.

Aber hat Kuhmilch nicht einen historischen Vorteil?

Auf jeden Fall. Kuhmilch hat eine lange Geschichte und ist in vielen Teilen der Welt ein kulturelles Symbol. Aber ihre heutige Übermacht verdankt sie der Politik: Die Milchindustrie wird vorne und hinten subventioniert. Aus Sicht des pflanzlichen Sektors ist das unfair, aber eben der Grund, wieso die meisten Menschen beim Wort 'Milch' weiterhin an die Körperflüssigkeit von großen Säugetieren denken. Wir versuchen, das zu ändern.

(Quelle: Oatly)

Oatly

Das schwedische Unternehmen produziert seit 1994 Milchersatzprodukte aus Hafer, seit 2001 unter dem heutigen Namen. Vergangenes Jahr verkaufte die Firma 142 Millionen Liter Hafermilch – 56 Prozent mehr als 2020. In den vergangenen Jahren geriet der Konzern jedoch unter anderem wegen des Einstiegs des chinesischen Staatskonzerns China Resources und des Trump-nahen Großinvestors Blackstone sowie wegen irreführender Werbung in die Kritik.

Einer der bekannteste Produkt-Slogans für Ihren Haferdrink lautet: "Wie Milch, nur für Menschen". Inwiefern soll das inspirieren?

Wir versuchen, die Leute anzustupsen und ihnen Lust auf Veränderung zu machen. Letztlich muss jeder selbst entscheiden, was er tut. Aber der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das man ein bisschen wachrütteln muss.

Das tun Sie gerne auch mit Hinweis darauf, wie klimaschädlich Kuhmilchprodukte sind. Was motiviert mehr, Klimaschutz oder Absatzzahlen?

Tatsächlich das Klima. Wir wollen nicht nur Produkte verticken, sondern vor allem darauf aufmerksam machen, was die Produktion von Kuhmilch unserem Planeten antut. Und dass es richtig gute Alternativen gibt – das ist der Grund für die Existenz von Oatly. Haferdrink verursacht allgemein weniger Treibhausgase als Milch aus dem Kuhstall.

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Dabei wurde Oatly in Großbritannien erst Anfang des Jahres wegen irreführender Klimaschutzbehauptungen verwarnt.

Da ging es um ein winziges Detail: Wir haben gesagt, alle Oatly-Produkte seien x Prozent klimafreundlicher als Kuhmilch. Aber die Studie, die diese Statistik enthält, bezieht sich nur auf eine bestimmte Sorte Haferdrink. Wir wollen die Leute nicht in die Irre führen, im Gegenteil, und wir hätten bei dieser Kampagne genauer sein sollen. Anders als der Großteil der Lebensmittelindustrie drucken wir unseren CO2-Fußabdruck auf alle Packungen. Freiwillig.

In Deutschland haben Sie mit einer großen Lobby-Kampagne versucht, diese Klimainfo gesetzlich vorzuschreiben zu lassen. Wieso?

Deutschland ist der größte Milchproduzent in der EU und außerdem bei vielen Umwelt- und Klimathemen vorn mit dabei. Da sagen wir der Lebensmittelindustrie: Show us your numbers. Wenn es nichts zu verstecken gibt, dann sollen sie doch ihren konkreten CO2-Ausstoß auf den Produkten angeben. Wollen sie aber nicht, denn was dort stünde, wäre schlecht fürs Image. Da hilft nur eine gesetzliche Vorschrift.

Da es diese aber immer noch nicht gibt, haben wir uns mit Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie zusammengetan und die Initiative "Together for Carbon Labelling" gegründet mit dem Ziel, einen gemeinsamen Standard für die CO2e-Kennzeichnung von Lebensmitteln zu entwickeln.

Auf immer mehr deutschen Milchkartons prangt stattdessen ein "Klimaneutral"-Label. Warum fehlt das auf den Produkten von Oatly?

Das Konzept der Klimaneutralität halte ich für schwach. Statt alles zu tun, um Emissionen zu vermeiden, ermöglicht es Unternehmen, ihren Treibhausgasausstoß durch Klimaschutzprojekte kleinzurechnen. Dann schaut man sich aber beispielsweise die entsprechenden Baumpflanzaktionen am anderen Ende der Welt an und sieht häufig: Monokulturen, keine einheimischen Arten, kein nachhaltiges Waldmanagement. Das ist doch schlimm.

Als Sie kürzlich gemeinsam mit dem Vfl Wolfsburg alle Kuhmilchprodukte aus dem Stadion ersetzen wollten, hat Ihnen die Milchlobby gezeigt, wer am längeren Hebel sitzt. Das Projekt wurde wegen Kritik aus Politik und Bauernverband auf den letzten Metern gekippt. Wie sehr haben Sie sich da verkalkuliert?

Wir kennen diese Art von Einflussnahme aus Schweden: Die Interessenvertreter der Milchindustrie nutzen zweifelhafte Taktiken, um ihr Geschäft zu verteidigen. Da steht gleich die Telefonleitung ins Landwirtschaftsministerium, um sich zu beschweren. Und dabei wäre es doch vor allem symbolisch gewesen: Wie viel Milchprodukte werden denn bitte in Stadien konsumiert? Für den Fußballclub ist es schade, die wollten sich etwas trauen und ein Zeichen für den Klimaschutz setzen.

Bei der Deutschen Bahn hatten Sie mehr Glück: Die fährt in ihren Bordbistros inzwischen auch Hafermilch durch die Republik.

Ich vermute, dass die Bahn demselben Lobby-Druck ausgesetzt gewesen sein könnte. Aber das Unternehmen hat sich davon nicht einschüchtern lassen.

(Quelle: Oatly)

John Schoolcraft

Seit 2012 leitet Schoolcraft die Kampagnenabteilung des Hafermilch-Herstellers Oatly als Creative Director. Gemeinsam mit Geschäftsführer Tony Petersson hat er der Marke seitdem ein neues Image verpasst. Neben dem Verpackungsdesign verantwortet Schoolcraft auch die Werbestrategie des Unternehmens.

Ist das nicht auch eine Art von Greenwashing? Einerseits wirbt die Bahn mit Milchalternativen, andererseits pustet ihre Cargoflotte große Mengen an CO2 in die Atmosphäre.

Klar ist das nur ein kleiner Schritt. Damit fängt es aber an: Geringfügige Veränderungen, die keinem wehtun und dennoch in die richtige Richtung gehen. Gerade im Alltag ist das der Weg, um ein bisschen nachhaltiger zu leben. Selbst wenn Unternehmen eher kleine Schritte gehen, hat das einen riesigen Signaleffekt in der Gesellschaft.

Die Nachfrage nach Milchalternativen steigt weiter, aber längst nicht mehr so rasant wie in den vergangenen Jahren. Zuletzt mussten Sie Ihre Gewinnprognosen für 2022 deutlich herunterschrauben. Wo klemmt es?

Die wirtschaftliche Lage ist gerade weltweit schwierig. Die Lieferkettenprobleme und die Energiekrise treffen uns genauso wie unsere Wettbewerber. Und die Inflation führt auch zu einem anderen Einkaufsverhalten.

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Anders ausgedrückt: Ihre Produkte sind zu teuer. Selbst ein Liter Ihrer günstigsten Milchalternative kostet knapp das Doppelte eines Liters Kuhmilch.

Aufgrund der starken Milchsubventionen gibt es keine fairen Wettbewerbsbedingungen. Außerdem wird Kuhmilch in Deutschland mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent besteuert, während Getränke auf pflanzlicher Basis wie Haferdrinks mit 19 Prozent besteuert werden.

Vergleichbare Marken bieten ihre Ersatzprodukte aber deutlich günstiger an als Oatly. Liegt der hohe Preis nicht eher an Ihrer Gewinnmarge?

Klar könnten wir ein schlechteres Produkt machen. Mehr Wasser rein, weniger Hafer. Oder Trockenpulver anmischen, statt den Hafer im Korn zu pressen. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen weiterhin möglichst vielen Menschen die besten Haferprodukte der Welt anbieten.

Wenn sich am Preis nicht rütteln lässt, müssen Sie die Verbraucher anders dazu bekommen, von Kuhmilch auf Ihre Alternative umzuschwenken. Wie soll das klappen?

Wir setzen auf die nächste Generation, die gerade zwischen Teenageralter und Anfang 20 ist. Diese Gruppe hat gerade bei Ernährung und Klimaschutz ganz andere Einstellungen als ältere Menschen. In zehn Jahren sind das junge Erwachsene mit einer enormen Kaufkraft, die viel verändern werden.

Wann sollte denn die letzte Kuhmilchpackung aus dem Kühlregal verschwunden sein?

So schnell wie möglich! Ich glaube, wir sind davon auch gar nicht so weit entfernt. Jeder, der im Kaffee einmal Hafermilch probiert und merkt, dass es tatsächlich besser schmeckt, wird dabeibleiben. Mein Ziel ist, dass wir in den kommenden zehn Jahren die Hälfte aller Kuhmilchtrinker überzeugt haben, auf Hafer oder andere pflanzliche Alternativen auszuweichen. Für den Planeten wäre das ein riesiger Gewinn.

Herr Schoolcraft, besten Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
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