Experte warnt "Wir treten in die kritischste Phase der Atomkraft ein"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In Deutschland geht das Gas zur Neige, nun wird der Weiterbetrieb deutscher Atomkraftwerke diskutiert. Der Historiker Frank Uekötter sieht das kritisch.
Eigentlich wollte Deutschland die Atomkraft loswerden, aber nun lässt der Kreml die Muskeln spielen und verknappt die Gaslieferungen an die Bundesrepublik. Bleiben deswegen die letzten drei deutschen Kernkraftwerke über die Jahresfrist hinaus am Netz, wie es etwa Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) anregt? Nicht zu empfehlen, befindet der Historiker Frank Uekötter, der sich seit Jahren mit der Geschichte der Atomkraft beschäftigt.
Warum Lindner auf dem Irrweg sei, Deutschland der Atomkraft noch etwas ganz anderes als nur Elektrizität zu verdanken habe und welche Fehler bei der grünen Energiewende vermieden werden könnten, erklärt Uekötter im Gespräch.
t-online: Professor Uekötter, der Atomausstieg Deutschlands ist nahe. Manche Politiker wollen angesichts der aktuellen Krise an der Kernkraft festhalten. Kürzlich forderte Bundesfinanzminister Lindner eine "vorurteilsfreie" Diskussion über die zukünftige Nutzung der Kernenergie. Was halten Sie davon?
Frank Uekötter: Christian Lindner macht es sich ziemlich einfach. Was er fordert, ist zudem auch wenig hilfreich. Ein Atomkraftwerk kann man nicht einfach an- und ausknipsen. Ein Weiterbetrieb der drei noch in Deutschland Strom produzierenden Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus wäre ein ziemlicher Ritt, und der Bau neuer Reaktoren erscheint auf absehbare Zeit ausgeschlossen. Im Gegenteil: Vielen ist gar nicht klar, wie gut es Deutschland hat.
Weil die Bundesrepublik einen konkreten Ausstiegsplan besitzt?
Genau. Seit der ersten rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder existiert ein verbindlicher Fahrplan für den Atomausstieg – also im Prinzip seit mehr als zwei Jahrzehnten. In der Bundesrepublik können wir also bald einen sauberen Schlussstrich unter das Thema Atomkraft ziehen. In Ländern wie Frankreich, Großbritannien, den USA und Japan wird die Frage, was mit den in die Jahre gekommenen Atomkraftwerken geschehen soll, noch reichlich Zeit, Geld und Nerven kosten.
Nun aber hat Russland uns den Gashahn zumindest teilweise zugedreht, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Würde ein Weiterbetrieb nicht doch Entlastung bringen?
Gaskraftwerke können flexibel je nach Bedarf ans Netz gehen. Atomkraftwerke sind dagegen Grundlast – sie laufen am besten 24 Stunden am Tag. Es ist kein Zufall, dass Kernenergie in einer Zeit der Planungseuphorie entstand, denn sie braucht Planungssicherheit an vielen kleinen und großen Punkten. Für Schnellschüsse eignet sich die Atomkraft denkbar schlecht. Improvisationstheater ist auf der Bühne ganz nett, aber in der Energiepolitik hat sie keinen Platz.
Frank Uekötter, Jahrgang 1970, lehrt Geschichte und geisteswissenschaftliche Umweltforschung an der Universität Birmingham. 2020 veröffentlichte der Historiker sein Buch "Im Strudel. Eine Umweltgeschichte der modernen Welt", gerade erschien "Atomare Demokratie. Eine Geschichte der Kernenergie in Deutschland".
Die drei besagten deutschen Kernkraftwerke sind nicht mehr die jüngsten. Bis zu welchem Alter kann man bei Atomkraftwerken überhaupt noch von "sicher" sprechen?
Das ist eine gute Frage. Es gibt kaum Erfahrungswerte, weil die meisten Atomkraftwerke in den letzten 50 Jahren gebaut wurden. Fest steht, dass ältere Atomkraftwerke wartungsintensiver werden, um das Sicherheitsniveau aufrechtzuerhalten. Ob sich solche Investitionen rechnen und die Betreiber wie auch die Politik dazu bereit sind, ist die entscheidende Frage. In den USA gibt es mittlerweile Anlagen, deren Betrieb für 80 Jahre genehmigt ist. Ob das klug ist, wissen selbst Experten nicht. Im Grunde treten wir in die kritischste Phase der Atomkraft überhaupt ein: Weltweit gibt es immer mehr alternde Atomkraftwerke, die öffentliche Aufmerksamkeit für dieses Thema schwindet hingegen.
Die Nutzung der Atomkraft wird also eine Art Nischentechnologie?
Darauf deutet vieles hin. Was sich als ein großes Problem erweisen könnte, denn man braucht bis zum Schluss kompetentes Personal, um ein Atomkraftwerk sicher und effizient betreiben zu können. Vor allem benötigt eine Gesellschaft aber auch kritische Fachleute, die etwas von der Materie verstehen. Wenn sich Befürworter und Kritiker der Atomkraft konstruktiv miteinander austauschen, lässt sich die Sicherheit erhöhen. Ein solcher Austausch ermöglichte es Deutschland seit den 1970er-Jahren, ein relativ hohes Sicherheitsniveau bei seinen Atomkraftwerken zu erreichen.
Während die letzten drei deutschen Nuklearkraftwerke nun voraussichtlich zum Jahresende stillgelegt werden, planen andere Länder hingegen neue Anlagen.
Ich persönlich schätze, dass die Atomkraft Mitte dieses Jahrhunderts weit weniger Bedeutung haben wird, als es bislang der Fall ist. Der Bau eines Atomkraftwerks ist eine außerordentliche Kraftanstrengung. Es kostet etliche Milliarden, da braucht es Rechtsicherheit und technische Sicherheit, und zwar auf Jahrzehnte. Der Atomkonsens von 2000 zwischen Bundesregierung und Betreibern fußte auch darauf, dass Letzteren keine unliebsamen Überraschungen mehr drohten, etwa Nachforderungen bei der Sicherheit. So konnten die Unternehmen fest darauf vertrauen, dass die Restlaufzeiten der Atomkraftwerke ihnen noch Gewinne bescheren würden.
Experten schätzen, dass die Atomkraft für Deutschland eine recht kostspielige Angelegenheit war. Ihrem neuen Buch "Atomare Demokratie. Eine Geschichte der Kernenergie in Deutschland" zufolge haben wir aber auf recht unerwartete Weise davon profitiert. Wie genau?
Ich meine damit die Erfolgsgeschichte des bundesdeutschen demokratischen Aushandlungsprozesses beim Bau und Betrieb von Nuklearkraftwerken. Blicken wir zurück: Anfang der 1970er-Jahre forcierten einflussreiche Konzerne wie Siemens, RWE oder die Veba das nukleare Projekt, auch die Bundesregierung spielte eine Rolle. Tatsächlich stellte sich aber bald heraus, dass die friedliche Nutzung der Atomkraft doch wesentlich teurer und komplizierter war als gedacht. Die Vorhaben waren auch schlichtweg überdimensioniert. Dazu gab es den Protest der Bürgerinitiativen. Der Weg aus Atomkraft ist ein Beleg für die Funktionstüchtigkeit der Demokratie, die sich in vielen kleinen und ein paar mittelgroßen Schritten aus dem Schlamassel herausarbeitete.
Der Bundesrepublik blieben größere Zwischenfälle erspart. Das hätte die Situation sicherlich aufgeheizt.
Und das macht die bundesdeutsche Atomgeschichte besonders. Aber auch all die anderen Probleme, die bei einem nuklearen Projekt entstehen können, sind in der Bundesrepublik ausgeblieben. Kein Atomkraftwerksbetreiber ist kollabiert, es gab keine Preisexplosionen, keine Stromsperren.
In Großbritannien musste 2002 der Konzern British Energy, der acht Kernkraftwerke betrieb, von der Regierung gerettet werden.
Genau. Im Vergleich sind wir glimpflich davongekommen. Aber tatsächlich hat sich durch die Atomkraft auf der gesellschaftlichen und politischen Ebene in der Bundesrepublik viel getan. Auf der einen Seite standen die Befürworter, auf der anderen die Gegner dieser Art der Energiegewinnung. Im Streit und in der Diskussion haben beide Seiten immer wieder aufeinander reagiert, ihre Vorstellungen und Ziele modifiziert. Im Endergebnis konnten sich die Hitzköpfe auf beiden Seiten mit ihren radikalen Ansichten nicht durchsetzen, der demokratische Rechtsstaat wirkte wie ein großes Abklingbecken, um in der Terminologie zu bleiben.
Tatsächlich hat die Auseinandersetzung um die Atomkraft auch Rechtsgeschichte geschrieben. 1985 fällte das Bundesverfassungsgericht seinen richtungsweisenden Brokdorf-Beschluss, der die Versammlungsfreiheit stärkte. Zuvor war eine Demonstration gegen den Bau des Atomkraftwerks im schleswig-holsteinischen Brokdorf untersagt worden.
Der Brokdorf-Beschluss war in der Tat ein Meilenstein. Sie sehen, Demokratie und Rechtsstaat verhinderten auf der einen Seite, dass Übereifrige einen Meiler nach dem anderen in die Landschaft bauten, und auf der anderen, dass Linksextreme Bürgerkrieg spielen konnten.
Letzten Endes waren die Kraftwerksbauer doch recht erfolgreich.
Das trifft in gewisser Weise zu. Brokdorf, Grohnde, Kalkar oder Wackersdorf – an allen Orten des Protests gegen die Atomkraft ist dann doch gebaut worden. Aber während in Frankreich das Atomprogramm im wirklich wahrsten Sinne des Wortes "von oben durchgezogen" worden ist, gab es in der Bundesrepublik einen Zwang zum ständigen Verhandeln zwischen Unternehmen, Politik und Bürgergruppen. Das tat uns sehr gut und verhinderte Exzesse.
Nun gibt es zwei deutsche Erfahrungen mit der Atomkraft: Auch die DDR betrieb Reaktoren, gar rund 20 sollten es nach Vorstellung der SED einst werden.
Die DDR machte genau wie die Bundesrepublik eine grundlegende Erfahrung: Die Nutzung der Atomkraft ist nicht so einfach. Nach dem Forschungsreaktor Rossendorf, den Atomkraftwerken Rheinsberg und Greifswald hat die DDR es seit Ende der 1970er-Jahre nicht mehr hinbekommen, auch nur einen neuen Reaktor ans Netz zu bringen.
In Greifswald wäre es 1975 fast zum Gau gekommen, später wurde die Anlage als "Tschernobyl Nord" verspottet.
Öl- und Gaslieferungen aus der Sowjetunion waren unsicher, die Atomkraft galt als einzig realistische Alternative zur Braunkohle. So ging es mit den atomaren Träumereien weiter. Solche Schwächen nutzt ein nuklearer Komplex eben brutal aus – und verspricht alles Mögliche. In der DDR gab es zudem keine Opposition, die dagegen hätte einschreiten können. Daran zeigt sich wiederum, wie wichtig der Protest gegen die Atomkraft für den Westen war.
Kommen wir aber noch einmal auf Christian Lindner im Heute zurück und den Vorschlag, die Atomkraft wieder zu aktivieren: Wäre eine Weiternutzung der Nuklearkraft überhaupt realistisch?
Die Frage ist eher, ob sie sinnvoll wäre. Wenn die Nutzung der Atomkraft tatsächlich so einfach und kostengünstig wäre wie einst gedacht, hätten die Gegner niemals Erfolg gehabt. Nun sind selbst die aktuellen und früheren Kraftwerksbetreiber in Deutschland froh, dass dieses Kapitel dem Ende zugeht. Aber auch aus ganz praktischen Gründen hat die Atomkraft keine Zukunft: Wo wollen Sie denn das Personal herbekommen? Kaum jemand würde noch das Risiko eingehen, seine berufliche Zukunft der unsicheren Atomkraftbranche anzuvertrauen.
Diese Sorge gab es auch schon in den 1980er-Jahren.
Richtig. Die Wiedervereinigung war ein großes Glück für die westdeutschen Atomkonzerne, denn sie warben schnell ostdeutsche Fachleute an, die zuvor in Kernkraftwerken der DDR gearbeitet hatten. Selbst dann, wenn die Leute eine Stasi-Vergangenheit hatten.
Zu dem Zeitpunkt waren die mit der Atomkraft verbunden Hoffnungen bereits deutlich nüchterner als noch in den 1950er-Jahren. Was versprach man sich damals von dieser Technologie?
In der jungen Bundesrepublik galt die Kernkraft als absolute Zukunftstechnologie. Da wehte der Geist der Wirtschaftswunderjahre und man hatte große Hoffnung auf eine breite Anwendungspalette für atomare Energiegewinnung. Dass letztlich nur Großkraftwerke zur Stromerzeugung daraus werden würden, hat man nicht geahnt. Die große Frage ist, ob man auch so begeistert eingestiegen wäre, wenn schon damals klar gewesen wäre, wie eng das Spektrum der Nutzung tatsächlich sein würde.
Die großen atomaren Träume haben sich womöglich nicht erfüllt, aber auch der sogenannte Super-GAU ist Deutschland erspart geblieben. Wieso ist es hier glimpflich ausgegangen?
Spätestens seit den Nuklearkatastrophen von Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 wissen wir, wie schwierig es ist, solche Ernstfälle zu verhindern. In Deutschland hat sich das Bewusstsein für die Risiken der Kernkraftwerke seit den 1970er-Jahren immer weiter geschärft. In den ersten Meilern gab es teils massive technische Probleme, mehrere Reaktoren mussten vorzeitig abgeschaltet werden. Dadurch wurde klar, dass es strikte Regeln braucht, deren Einhaltung kontrolliert und deren Missachtung sanktioniert werden musste. Solche Sicherheitssysteme entstehen nicht von jetzt auf gleich, sondern nach und nach – dazu brauchte es auch einige Betriebsunfälle. So ist das leider bei großtechnischen Systemen.
Der Startschuss für die Atomkraft war also noch blauäugig?
Auch die Kraftwerksbetreiber mussten erst Praxiserfahrung gewinnen. Das war ein sehr risikobehafteter Lernprozess, bei dem es um winzige Details ging: Wie muss eine Schweißnaht aussehen? Wie kontrolliert man die Stellung von Ventilen? Wir wissen aus der Geschichte der atomaren Unfälle, dass es manchmal ganz triviale Dinge sind, die dann binnen Sekunden zum Desaster führen können.
Auch wenn die Atomdebatte immer wieder aufflammt, der Fokus bei der grünen Energiewende liegt auf Wind, Sonne und Wasserstoff. Was lässt sich für diese gewaltige Transformation aus den Anfangsjahren der Kernkraft lernen?
Die Erfahrungen aus dem Auf- und Abbau der Atomkraft lassen sich tatsächlich teils auf den Weg zu einer regenerativen Energiewirtschaft ummünzen. Denn auch hier geht es um viele technische Fragen und um die Rentabilität der grünen Stromerzeugung. Aber ebenso wichtig sind die gesellschaftliche Akzeptanz und demokratische Aushandlungsprozesse. Es müssen ganz viele und ganz unterschiedliche Dinge zusammenpassen, und man weiß vorher nie, wo es hakt.
Also kein "Durchdrücken" der Energiewende, egal wie dringend sie angesichts der Klimakrise sein mag?
Die Auseinandersetzungen um den Bau neuer Atomkraftwerke in den 1980er-Jahren haben eins gezeigt: Wenn ein signifikanter Teil der Bevölkerung sich nicht mitgenommen fühlt, hilft kein Durchregieren. In den 1970ern waren es die Landesväter und Konzernlenker, die naiv davon ausgingen, sie könnten die große Wende hin zur Kernkraft mit Hartleibigkeit durchsetzen: Neue Arbeitsplätze, günstiger Strom, warum sollten die Menschen etwas dagegen haben? Mit dieser Schlichtheit kommt man heute nicht weiter: Gegen den Willen der Menschen wird die Energiewende scheitern.
Vor allem der massive Ausbau von Windkraftanlagen sorgt in der Gegenwart permanent für Streit. Für langwierige Aushandlungsprozesse wie vor 40 Jahren fehlt aber angesichts der Klimakrise die Zeit.
Selbstverständlich ist der Eingriff in die Landschaft bei der dezentralen Energieerzeugung mit Solar- und Windkraft größer als bei einzelnen Großkraftwerken. Aber auch da muss der Dialog gesucht und gleichzeitig klar kommuniziert werden: Für endlose Debatten fehlt uns schlichtweg die Zeit. Auch mutiges Entscheiden ist eine demokratische Kardinaltugend.
Wie sehen verlängerte AKW-Laufzeiten eigentlich betriebswirtschaftlich aus?
Es ist schon frappierend, wie wenig gerade von den Kosten geredet wird. Sollte ein Bundesfinanzminister nicht ein Zahlenmensch sein, Herr Lindner? Eine Verlängerung der Betriebsgenehmigungen für die deutschen Atomkraftwerke wäre ökonomisch heikel und letztlich kontraproduktiv für die Energiewende. In Energiesystemen werden Milliarden auf Jahrzehnte fest angelegt, da braucht es Verlässlichkeit. Zukünftige Investoren für Windkraft- und Solaranlagen würden Risikoaufschläge erfordern, wenn durch den Schlingerkurs bei der Atomkraft die Planungssicherheit gefährdet würde.
Sie leben in Großbritannien, wo die Atomkraft zumindest seitens der Regierung positiver gesehen wird. Befindet sich das Land mit der Weiternutzung von Nuklearkraftwerken auf dem Irrweg?
Die britische Regierung strebt seit gut anderthalb Jahrzehnten neue Reaktoren an. Was kam dabei heraus? Ein Reaktor-Projekt Hinkley Point C in Somerset, das so exorbitant teuer wurde, dass der Finanzchef des Betreiberkonzerns Électricité de France zurücktrat. Und dieser Mann ist beileibe kein Atomkraftgegner. Selbst wenn alles glatt läuft, muss man für ein neues Kraftwerk mit rund 20 Milliarden Euro Kosten rechnen.
Zahlreiche Befürworter der Kernkraft hoffen allerdings auf eine neue Reaktorgeneration, die kleiner und günstiger sein soll.
Solche nuklearen Fantasien bündeln vor allem eine Menge an Energie und Aufmerksamkeit, die wir gut für die Weiterentwicklung bewährter grüner Energien gebrauchen könnten. Befürworter kleiner und neuerer Reaktoren erhoffen sich enorme Zuwächse an Effizienz. Sprünge, wie wir sie in der Gen- und Computertechnologie erlebt haben. Vergleichbares hat es bei der Atomkraft bisher nicht gegeben. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Atomkraft in der nächsten Zeit plötzlich viel günstiger und einfacher zu kontrollieren wird, halte ich für sehr gering.
Spektakuläre Forschungsergebnisse sind vorab häufig nicht absehbar. Länder wie Frankreich, China und die USA investieren daher in die Forschung zu Mini-Reaktoren, die EU setzt auf Kernfusion. Läuft Deutschland Gefahr, die Atomkraftrevolution zu verpassen?
Falls es in 20 oder 30 Jahren Reaktoren geben sollte, die sicher und ökonomisch sinnvoll sind, wird es leicht sein, die Lizenzen zu bekommen, um solche Reaktoren in der Bundesrepublik zu bauen. In den kommenden zehn Jahren wird bei der Entwicklungsarbeit aber nichts Genehmigungsfähiges herauskommen. Bis dahin können wir uns zurücklehnen, die anderen machen lassen und dabei viel Geld sparen.
Professor Uekötter, vielen Dank für das Gespräch.
- Persönliches Gespräch mit Frank Uekötter via Videokonferenz